"Intensivtäter" Gaddafi junior
Saif al-Arab (28), Sohn des libyschen Diktators, war in München offiziell als Student gemeldet. Immer wieder beschäftigte er die Justiz – doch
München – Zuerst residierte der Student in einer Suite im Bayerischen Hof, dann in Millionen-Villen in Waldperlach und im Herzogpark: Saif al-Arab Gaddafi, der zweitjüngste Sohn des libyschen Diktators, lebte seit 2006 in München. Seine jeweiligen Nachbarn waren immer im Bilde, wann Saif kam und ging – sie hörten es. Denn der Diktatorensohn hatte eine Schwäche für röhrende Rennwagen, am besten getunte.
Das bescherte ihm mehrmals Ärger mit der Polizei. Doch diese Sünden sind banal im Vergleich zu anderen Ermittlungen, die gegen ihn angestrengt wurden. Insgesamt elf Fälle wurden mittlerweile bekannt, in denen die Münchner Justiz gegen Saif al-Arab Gaddafi ermittelte. Darunter auch die Anstiftung, einem Türsteher das Gesicht zu verätzen. Die Münchner Justiz spielt dabei nach allem, was bislang bekannt wurde, eine fragwürdige Rolle. Denn Folgen gab’s für Saif al-Arab so gut wie nie. Nur wegen Fahrens ohne Führerschein, der Hinterziehung von Hundesteuer für seine drei Rottweiler und wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,37 Promille wurde er zur Zahlung von Geldstrafen verdonnert. In den weit schwerwiegenderen Fällen wurden die Ermittlungen meist eingestellt oder auf den Privatklageweg verwiesen.
Papa hat alles gezahlt: Gaddafis Münchner Luxus-Fuhrpark!
Für die Landtags-Grünen ist die Sache klar: „Hier wurde mit zweierlei Maß gemessen.“ Rechtsexpertin Christine Stahl: „Für den Gaddafi-Sohn wurden offenbar Ausnahmen von geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen gemacht.“ Nach dem Motto: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ Hätte es sich nicht um den Sohn des libyschen Diktators gehandelt, dann hätte man von einem "jugendlichen Intensivtäter" gesprochen. Der junge Mann wären „längst in den Knast gewandert“.
Die Grünen fordern nun in einer zweiten schriftlichen Anfrage Aufklärung von der Staatsregierung. Juristin Stahl: „Das Innen- und das Justizministerium stellen sich tot oder hüllen sich in Schweigen.“
Ein Auszug aus der langen Liste der Ermittlungen gegen Saif al Arab Gaddafi:
Vorsätzliche Körperverletzung: 2006 zieht sich eine Begleiterin von Gaddafi Junior in der Disco „4004“ aus. Der Türsteher will die Gruppe rauswerfen. Es kommt zur Prügelei. Am 3. Januar 2007 wird das Verfahren an den Privatklageweg verwiesen, da „kein öffentliches Interesse“ bestehe.
Gefährdung des Straßenverkehrs: Nach einem Unfall 2006 gibt sich Gaddafi Junior als Diplomat auf Dienstfahrt aus. Die Polizisten verzichten auf eine Blutentnahme. Später stellt sich heraus, dass er als Diplomat nicht akkreditiert ist. Das Verfahren wird eingestellt.
Versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen, Verstoß gegen das Waffengesetz: Ein Ex-Mitarbeiter sagt 2007 als Zeuge aus, Gaddafi habe ihn beauftragt, den Türsteher vom "4004"zusammenzuschlagen bzw. ihm das Gesicht zu verätzen. Der Zeuge berichtet, Saif besitze einen Revolver. Erst 13 Tage, nachdem ein Münchner Staatsanwalt in der libyschen Botschaft in Berlin nachgefragt hat, wird bei Gaddafi durchsucht - ohne Ergebnis. Noch am selben Tag werden die Ermittlungen eingestellt.
Bedrohung: Der Zeuge, der den Gaddafi-Sohn zuvor beschuldigt hat, sagt aus, dass ihm Saif al-Arab gedroht habe, ihn umzubringen. Die Staatsanwaltschaft verweist auf den Privatklageweg.
Körperverletzung, Bedrohung, Verstoß gegen das Waffengesetz: Eine äthiopische Angestellte sagt 2010, Gaddafi habe sie Silvester geschlagen, ihr eine Pistole an den Kopf gehalten. Am 12. Mai wird die Wohnung durchsucht, die Waffe wird nicht gefunden. Einstellung des Verfahrens.
Verstoß gegen das Waffengesetz: Ein Zeuge will gegen Gaddafi aussagen, im Gegenzug verlangt er, dass der Haftbefehl gegen ihn selbst außer Vollzug gesetzt wird. Der Mann behauptet, Gaddafi habe ihm Geld geboten, dass er den "4004"-Türsteher umbringt oder ihm zumindest ein Bein abzuschneidet. Auch bietet er Informationen über den Waffentransport nach Paris an. Die Staatsanwaltschaft geht auf den Deal nicht ein.
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