Ingo Maurer: "Mystisch und lebendig"
Abendzeitung: Herr Maurer, Sie haben in München zwei U-Bahnhöfe mitgestaltet und arbeiten gerade am neuen Marienplatz-Sperrengeschoss.
INGO MAURER: Es ist sehr spannend, für den öffentlichen Raum zu arbeiten. Es ist aber auch mühsam, weil Sie es mit sehr vielen Regularien und Gesetzen zur Sicherheit der Passagiere und Kunden zu tun haben.
Was ist denn Ihr erster Gedanke, wenn Sie sich auf ein neues Projekt einlassen?
Ich denke als erstes an die Menschen, die diesen U-Bahnhof nützen werden. Es ist mein Ansporn, für die Menschen ein gutes, harmonisches Gefühl zu erzeugen. Die Leute sollen sich dort wohlfühlen – das ist uns ganz wichtig. Denn es ist schon ein ganz anderes Gefühl, wenn man unter die Erde geht. Die Menschen sollen da nicht depressiv werden. Da muss man als Gestalter auch seine Eitelkeit zurücknehmen und sich als Dienstleister verstehen.
Ihre drei Projekte sind ganz unterschiedlich. Am Westfriedhof lassen sie quasi den Rohbau sichtbar.
Die Architekten Auer und Weber haben dort zwei Gräben gebaut, das wollte ich nicht kaschieren, sondern sichtbar lassen. So habe ich den Raum mit Licht bewältigt, und die hohe Kuppel dort hat etwas Beschützendes. Die roh belassenen Wände geben dieser U-Bahnstation ihren einmaligen und stark archaischen Charakter. Er ist einer der außergewöhnlichsten U-Bahnhöfe Münchens.
Der U-Bahnhof Münchner Freiheit wirkt dagegen nach der Umgestaltung verspielt.
Wir mussten einiges übernehmen – zum Beispiel die blauen Säulen. Und wir mussten auf das alte 70er-Jahre-Grau reagieren. So haben wir die Idee des Baureferats aufgegriffen und den gesamten Bahnhof durch die Spiegel nach oben verdoppelt und durch Licht und Farbe mystisch und lebendig gemacht. Die Menschen sehen sich in den Spiegeln und sind so Teil der Inszenierung. Wenn man dort aussteigt, ist man in einer anderen Welt – ein echtes Aha-Erlebnis. Es ist immer schön, inspiriert zu werden. Das kann den Tag verändern.
Von Ihrem dritten Projekt, dem Marienplatz-Sperrengeschoss, gibt es bislang nur Simulationen. Bleibt das in diesem kühlen Weiß der Bilder?
Nein, das war nur der erste gestalterische Entwurf von Allmann Sattler Wappner und von uns für den Wettbewerb. Es waren aber auch immer starke Farben für die Decke im Gespräch. Wenn Sie dort herunterkommen, dann sollen Sie sagen: Wow! – Man kommt aus der „Soßigkeit“ von oben und taucht in eine ganz andere Welt.
Wird es kunterbunt?
Orange war ja schon immer ein wichtiger Bestandteil der Architektur am Marienplatz. Diese Farbe hat der Architekt Branca damals gewählt. Das war im Wettbewerb durchaus auch für die Zukunft so erwünscht. Auch die blauen Fliesen werden wohl zum Teil erhalten bleiben. Es hat dort keinen Sinn, etwas ganz Elegantes zu machen, das überall sein kann. Dieser Platz braucht Stärke, und er braucht eine Farbe, die den Menschen umarmt.
Ist das ein schwieriger Raum? Er hat immerhin 1700 Quadratmeter.
Mit der relativ niedrigen Decke ist der weitläufige Raum keine einfache Aufgabe. Wir ordnen Lichtelemente in Gruppen von Streifen an. Die Wände sollen einen klaren Kontrast zur Decke bilden.
Was würden Sie mit den alten, eintönigen grau-blauen U-Bahnhöfen der ersten Generation machen?
Rein mit dem Kopf kann ich diese coolen Bahnhöfe verstehen. Das lag aber auch oft an den Zwängen der Zunft der Architekten. Aber zur reinen Funktion muss eine Dimension von Menschlichkeit, Wärme und Inspiration kommen.
Die meisten neuen U-Bahnhöfe sind in ihrem Erscheinungsbild ganz künstlerisch gestaltet. Ist das ein Weg oder braucht es eine Mischung?
Es gibt überall so viel Kunst, dass es fast schon inflationär ist. Ich bin absolut für die Vielfalt. München leistet sich diese enorme Vielfalt an Bahnhöfen, die von auswärtigen Gästen sehr bewundert wird. Andere Städte haben dafür das Geld nicht ausgegeben.
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