In München nehmen Betrugsfälle mit Vorkasse bei Immobilien zu
Haidhausen, Weißenburger Platz, 123 Quadratmeter, 4-Zimmer, 1000 Euro Kaltmiete: Das Angebot auf einer Immobilienplattform im Internet, ist in München ein wahres Schnäppchen. Seltsam: Auf einem anderen Portal gibt’s dieselbe Wohnung – für 1600 Euro kalt. Nicht billig, aber irgendwie noch bezahlbar für München.
Die Aufmachung der Anzeigen vermitteln einen seriösen Eindruck. Zahlreiche Fotos unterstreichen den Anzeigentext, vom „stilvoll saniertem Altbau“ und „Parkettfußboden in allen Wohnräumen“ ist die Rede.
Eine Kontaktaufnahme ist nur per E-Mail erwünscht
Die Fotos wirken professionell. Also fix an die angegebene Kontaktadresse im baden-württembergischen Renchen geschrieben. Die aufgeführte Hausverwaltung ist bevorzugt via E-Mail zu erreichen.
Es meldet sich dann aber nicht die angegebene Hausverwaltung – sondern ein vermeintlicher Vermieter zurück: „Mein Name ist Patrick Woodward und ich bin der Eigentümer der angef (sic!) Wohnung.“ Er müsse für ein Projekt nach „Italy“ ziehen, deshalb vermiete er die Wohnung.
Während der Arbeit (er meldet sich mit einer Firmen-Adresse) scheint er genug Zeit für eine ausführliche Beschreibung der Immobilie zu haben. Er habe die Wohnung vor knapp einem Jahr gekauft, weil er davon ausgegangen sei, für mindestens zehn Jahre lang in Deutschland bleiben zu wollen. „Ich bin Projektmanager (Verizon) und arbeite in der Telekommunikationsbranche“, so Woodward.
Der Name des Vermieters taucht nirgends auf
Bei der Recherche im Internet lässt sich zwar ein Münchner Standort des amerikanischen Unternehmens finden, ein Patrick Woodward ist allerdings nirgends aufgeführt. Darüber hinaus liefert der zukünftige Vermieter für jedes Problem schon im Voraus die Lösung: Seine Immobilie sei vollständig möbliert, man könne aber auch die eigenen Möbel verwenden. Die vier Zimmer könnten unbefristet, oder auf Zeit angemietet werden. „Bitte beachten Sie, dass uns diese Wohnung sehr am Herzen liegt, nicht nur, weil wir Geld investiert haben.“
"Wir", das sind in dem Fall Woodward und seine Ehefrau. Über die schreibt er nämlich auch – ebenso wie über die gemeinsame sechsjährige Tochter und sein schlechtes Deutsch. Die weitere Korrespondenz will er deshalb auf Englisch führen. So sollen die letzten Zweifel über seine Existenz ausgeräumt werden. Abschließend bittet er um Rückmeldung.
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Eine Antwort kommt innerhalb von Minuten – seltsamerweise auf Deutsch und von einer Gmail-Adresse. „Meine Frau und ich haben uns darauf geeinigt, die Wohnung an Sie zu vermieten. [...] Sie scheinen ein netter Mensch zu sein.“ Da er sich bereits im Ausland befinde, müsse die Übergabe der Schlüssel über die Website Fewo-direkt.de abgewickelt werden. Eine Kaution von 3000 Euro solle dort auf einem Bankkonto hinterlegt werden.
Ein Mietvertrag sei bereits fertig. Dieser könne nach Besichtigung der Wohnung unterzeichnet werden – oder auch nicht. Dann würde das Geld selbstverständlich zurückerstattet. Danach verstummt Woodward. Auf Rückfragen reagiert er nicht mehr. Die Anzeige ist gelöscht.
Ein dänischer Arzt und sein großes Erbe
Der zweite Fall: Es geht um ein kleines Apartment, Nähe Donnersbergerbrücke, also nicht weit von der AZ-Redaktion. Dazu eine durchaus machbare Miete. Das wär’s doch. Nach wochenlangem Suchen bei diversen Immobilien-Portalen und in Zeitungsanzeigen endlich ein Angebot, das prima passen würde. Vor lauter Vorfreude schaut der AZ-Reporter sich schon mal in der Gegend um. Wie sieht’s mit Lokalen und Lebensmittel-Versorgung aus. Sein Fazit: alles im grünen Bereich.
Er bekundet beim Vermieter sein großes Interesse. Die Antwort kommt prompt. Der Anbieter im Netz erklärt, er sei ein dänischer Arzt, dessen Mutter gerade gestorben sei und ihm diese Wohnung in München vererbt habe. Die Ausführungen sind ähnlich ausschweifend, wie die im ersten Fall aus Haidhausen.
Erst Geld überweisen, dann kommt der Schlüssel per Post
Doch der Hammer lässt nicht lange auf sich warten: Er könne derzeit nicht nach München kommen zwecks Wohnungsübergabe, deswegen solle doch bitte die vierstellige Kaution auf sein Konto überwiesen werden, er würde dann den Schlüssel schicken. Die Bankverbindung wolle er aber noch nicht nennen. Die Sache verläuft im Sande.
"Grundsätzlich sollte man niemals Geld überweisen, bevor man die Wohnung überhaupt gesehen hat", sagt Frank Wittenberg von Immobilienscout24. Alle neuen Inserate, immerhin bundesweit mehr als 150 000 pro Woche, werden von dem Unternehmen anhand von technischen Filtern geprüft – und im Zweifelsfall gelöscht. Hunderte Inserate würden demnach wöchentlich von der Qualitätssicherung deaktiviert.
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Ein Quadratmeterpreis von 13 Euro in einem so beliebten Stadtteil wie Haidhausen sei zumindest ein Warnzeichen. Einer Erhebung des Immobilienportals zufolge ist der Stadtbezirk mit Quadratmeterpreisen von bis zu 16 Euro einer der teuersten in ganz Deutschland.
Zum Semesterstart häufen sich die Delikte
Weil der Immobilienmarkt in München angespannt ist, kommt es hier besonders häufig zu Betrügereien mit Immobilien. Vor allem zum Semesterstart häufen sich die Delikte. Bei der Münchner Polizei wurden in den vergangenen Jahren etwa zehn Fälle des sogenannten „Vorkassebetrugs“ pro Woche angezeigt.
Wer die vermeintlichen Vermieter sind, ist schwierig zu ermitteln. Oft handelt es sich um ein Netzwerk von Betrügern. Einer stellt die Anzeige ins Netz, der andere beantwortet E-Mails, ein Dritter kümmert sich um das Geld. Geschnappt werden die Täter selten.
So schützen Sie sich:
Wer einen Mietvertrag unterschreibt, rät die Polizei, sollte einige Vorsichtsmaßnahmen treffen:
Personalausweis: Unbedingt sollte man ein Ausweisdokument des Vermieters abfotografieren oder fotokopieren. Damit hat man im Notfall zumindest die Kopie eines amtlichen Dokuments in der Hand. Bei der Polizei kann man zudem die Person zweifelsfrei identifizieren.
Nachbarn: Bevor man Geld für Kaution oder Ablöse überweist, sollte man sich bei den Nachbarn im Haus erkundigen. Die wissen normalerweise, wenn jemand auszieht.
Eigentümer: Man kann sich auch bei der Gesellschaft erkundigen, der das Haus oder die Wohnung gehört.
Keine Vorauskasse: Erst bei Schlüsselübergabe und wenn alle Fragen sicher geklärt sind, sollte man das Geld überweisen. Bei Auslandskonten sollte man vorsichtig sein.
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