Impfstoff gegen die Schweinegrippe? Mangelware!
MÜNCHEN - Eigentlich sollten die niedergelassenen Ärzte jetzt massenhaft Patienten gegen die Schweinegrippe impfen. Doch Apotheken bekommen zu wenig Impfstoff – und hätten ihn auch noch vorfinanzieren sollen.
Handan Yenen hat alles versucht. „Ich habe bei Kollegen nachgefragt – doch niemand hat etwas übrig, es gibt einfach keinen Impfstoff mehr“, klagt die Leiterin der Apotheke am Hauptbahnhof. Eigentlich sollten Ärzte ab dieser Woche flächendeckend gegen die Schweinegrippe impfen. Das Problem: In Münchens Apotheken ist der Impfstoff schon jetzt Mangelware.
Handan Yenen hatte am Donnerstag vergangener Woche ihre Ration von 500 Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix bekommen. Doch die waren sofort ausverkauft, so groß ist die Nachfrage der Ärzte. Wie ihr erging es vielen Apothekern im Großraum München. Am Dienstag wies daher der Bayerische Apothekenverband (BAV) seine Mitglieder an, „alle Möglichkeiten der kollegialen Aushilfe zu nutzen“. Sprich: Apotheker sollten sich gegenseitig mit Impfstoff aushelfen. Wenn sie nur könnten.
Die Bereitstellung des Impfstoffes ist problematisch, räumt auch die Bayerische Landesapothekerkammer ein: „Ein unguter Zustand“, sagt Sprecherin Katrin Gast. Schließlich breitet sich derzeit die zweite Welle der Schweinegrippe aus. Sechs Menschen sind in Deutschland bislang an der Grippe gestorben, über 3100 Fälle wurden in München gemeldet, 172 Münchner Schulen sind betroffen. Außerdem glauben Experten, dass sich in der nun beginnenden Grippesaison das Virus noch schneller als bisher ausbreiten könnte. Ausreichende Impf-Reserven wären bitter nötig.
Ursache für die Knappheit des Impfstoffs sind die beschränkten Kapazität des Herstellers GlaxoSmithKline, sagt die Apothekerkammer. Der habe nur 360000 Dosen Pandemrix an Bayern geliefert. Bestellt wurden für den Freistaat jedoch 7,5 Millionen Impfdosen. Die fehlen jetzt.
Doch die Apothekerkammer kritisiert nicht nur das Pharmaunternehmen. Auch unklare rechtliche Bedingungen hätten zu der aktuellen Versorgungskrise geführt. So hieß es zunächst, die Apotheken müssten die bestellten Impfdosen selbst vorfinanzieren. Dieses Risiko scheuten viele. Erst Ende vergangener Woche verwarf das bayerische Gesundheitsministerium diese Regelung.
Auch das Impfkonzept an sich steht in der Kritik. Handan Yenen wirft dem Gesundheitsministerium vor, es habe den Bedarf unterschätzt: „Jede Apotheke bekommt nur 500 Dosen – das ist lächerlich.“ Wie in der Planwirtschaft müsste Pandemrix mit Bezugsscheinen bestellt werden. Eigentlich sollte dadurch eine „faire Verteilung des Impfstoffs“ gewährleistet sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: In Ballungszentren wie München ist die Nachfrage höher und der Impfstoff knapp.
„Das eigentliche Problem bleibt, dass der Hersteller mit dem Liefern nicht nachkommt. Man kann nichts bestellen, wenn nichts da ist“, sagt Thomas Metz vom Apothekerverband. Wann wieder Impfstoff verfügbar ist, weiß auch er nicht. „Das kann schon nächste Woche oder erst in drei Wochen sein.“
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat ihre Mitglieder aufgefordert, die letzten Reste Pandemrix sinnvoll zu nutzen. Um „möglichst wenig in die Tonne zu kippen“, sollten Gruppenimpftermine vereinbart werden, sagte KVB-Sprecherin Kirsten Warweg. Schließlich weiß niemand, wann es Nachschub gibt. Apothekerin Handan Yenen sagt: „Allein am Dienstag hätte ich 1000 Dosen verkaufen können. Und die Tendenz ist steigend.“
Reinhard Keck
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