Im Olympiastadion: Nervenkitzel am Stahlseil
Starnberger See? Englischer Garten? Alles schön. Unser Reporter verbringt seinen freien Tag lieber woanders.
München - Wenn unsere Vorfahren vor abertausenden von Jahren vor einem Säbelzahntiger standen, hatten sie keine Spucke mehr im Mund. Alle unnötigen Körperfunktionen wurden abgeschaltet, damit der Ur-Mensch jede verfügbare Kalorie in die Flucht vor dem Tiger stecken konnte. Auch die Verdauung setzte aus.
Säbelzahntiger sind ausgestorben. An den Reflexen hat sich nichts geändert. Und es gibt noch Situationen, in denen der Körper meldet: FLUCHT!
Mein Säbelzahntiger ist ein 200 Meter langes Kabel in 40 Meter Höhe quer über dem Olympiastadion. „Flying Fox“ heißt das Ding. Die Spucke ist weg. „Alles klar?“, fragt Michi, der mich gerade in das Folterinstrument eingespannt hat. Ich nicke. Er weiß, dass ich lüge. Aber der Reihe nach.
Eine knappe Stunde vorher stehe ich mit knapp 15 anderen Besuchern am Eingang Nord. Wir machen die Tour über das Zeltdach des Stadions mit anschließendem „Flying Fox“. Eine Riesen-Seilbahn quer über den Innenraum. Ich stehe auf sowas. Es kann für mich gar nicht hoch und schnell genug sein.
Unsere Guides heißen Lorin und Sinksar. Beide sind Studenten und im Nebenjob Zeltdachführer. Es geht zum Einkleiden. Ich zwänge mich in die Gurte eines Ganzkörper-Geschirrs. Es kneift im Schritt. Aber das Geschirr ist meine Lebensversicherung. Am Aufstieg bekommt jeder von uns einen „Waldi“. Das ist eine Art Metall-Dackel, der am Sicherungsseil neben dem 30 Zentimeter breiten Steg befestigt wird. Wie beim Gassi-Gehen ziehen wir das Gerät hinter uns her. Im Entenmarsch geht es jetzt über das Plexiglas-Dach.
Zwischenstopp: Guide Lorin gibt eine Geschichtsstunde. Ein Londoner Architekturbüro hat 1974 berechnet, dass das Dach niemals stehen könnte. Cool! Das wusste ich auch noch nicht. Aber es hält zum Glück seit 40 Jahren. Dann wird’s ja nicht gerade heute zusammenbrechen.
Die Guides schicken uns jetzt zu den höchsten Punkten des Daches. Ich kann über die Innenstadt bis zu den Alpen sehen. Die Sonne kitzelt mir dabei den Nacken. Herrlich. Aber wollte ich nicht mit dieser Seilbahn fahren?
Nächster Zwischenstopp direkt über der Haupttribühne. Ich lerne, dass das Dach eine Fläche von 75.000 Quadratmetern hat und unter Schneelast bis zu 1,80 Meter nachgibt. „Die leichte Konstruktion steht für das Flüchtige in unserer Welt“, erklärt Sinksar. Apropos flüchtig: Ich will jetzt endlich mit dieser Seilbahn...
Nach einer Stunde – wirklich informativer – Führung erreicht meine Gruppe schließlich Michi. Der Sicherungs-Experte hakt mich in den Schlitten ein, der mich auf die andere Seite befördert. Ich werde hibbelig. Gleich geht es los. Endlich.
Michi öffnet das Tor und ich muss mich auf ein winziges Metallbrett schwingen. Mit dem Rücken zum Seil stehe ich dort wie gelähmt. Unter mir: 40 Meter Luft. Hinter mir: 200 Meter Seil. In meinem Mund: eine Wüste.
Michi grinst und zählt mich an: „Drei!“ Gleich soll ich mich rücklings in mein Geschirr fallen lassen. „Zwei!“ Ich klammere mich an die Haltegriffe und verabschiede mich geistig von meinen geliebten Menschen. „Eins!“ Mein Zahnarzt kriegt das Skateboard. Den Rest kriegt mein Friseur. „Und ab geht’s!“
Ich springe ab und beschleunige. Mein ganzer Körper kribbelt. Ich traue mich sogar, mich kopfüber zu stellen. Wahnsinn! Was für ein Gefühl! 15 Sekunden später bremst der Schlitten langsam ab. Ich werden von Tom an die andere Seite herangezogen.
„Wie war’s?“, fragt er. „Puh!“, presse ich heraus. Er klinkt mich aus dem Seil aus. Ich habe wieder festen Boden unter den Füßen. „Darf ich noch mal?“
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