"Ich muss fast weinen": Stammkunden trauern um Yorma’s in München

Das erste Date, der tägliche Piccolo, der günstige Kaffee: Am letzten Öffnungstag trauern die Münchner um eine jahrzehntelange Anlaufstelle am Hauptbahnhof – und schwelgen in ihren Erinnerungen.
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Seit 25 Jahren am Gleis 26: die große Yorma’s-Filiale. Wegen des Umbaus am Hauptbahnhof muss sie nun schließen. Einen Ersatz hat das Unternehmen noch nicht. Am Bahnhof gibt es vier weitere, kleine Filialen.
Seit 25 Jahren am Gleis 26: die große Yorma’s-Filiale. Wegen des Umbaus am Hauptbahnhof muss sie nun schließen. Einen Ersatz hat das Unternehmen noch nicht. Am Bahnhof gibt es vier weitere, kleine Filialen. © Ben Sagmeister

Hunderte Reisende strömen am Mittwochmittag durch die Halle des Münchner Hauptbahnhofs. Sie ziehen schwere Koffer hinter sich her, tragen dicke Rucksäcke oder eilen mit Aktentasche Richtung Gleise.

Doch an Gleis 26 stockt der Strom. Viele bleiben noch einmal am Yorma’s stehen – für Kaffee, Semmel oder Obstbecher. Seit 25 Jahren versorgt der Bäcker aus Plattling hier täglich rund 12.000 Menschen. Nun ist Schluss: Mittwoch war der letzte Verkaufstag der Hauptbahnhofsinstitution.

Yorma's am Gleis 26: "Traurig, dass wir rausmüssen"

"Wir sind sehr traurig, dass wir rausmüssen", sagt Tamara Eberl, Leiterin der Yorma’s Kreativabteilung. Grund ist der Umbau des Hauptbahnhofs. Die Fläche wird vorübergehend für eine Treppe zur Verteilerebene benötigt, teilt die Deutsche Bahn (DB) auf AZ-Anfrage mit. Auch Rischart und Rewe To Go im S-Bahn-Zwischengeschoss sind betroffen, ziehen aber innerhalb des Bahnhofs um.

Auch Rewe To Go und Rischart im Zwischengeschoss müssen schließen.
Auch Rewe To Go und Rischart im Zwischengeschoss müssen schließen. © Ben Sagmeister

Yorma’s betreibt seit einem halben Jahr einen kleineren Ersatz-Container in der Halle, doch der ist deutlich kleiner und könne die Nachfrage kaum auffangen, so Eberl von Yorma’s. Schließlich sei Gleis 26 die umsatzstärkste Filiale des Unternehmens. Gerade sucht Yorma’s nach einer passenden Ersatzfläche. Man wolle die etwa 100 Mitarbeitenden, die in den bisher fünf Yorma’s-Filialen am Hauptbahnhof arbeiten, halten.

Yorma's Mitarbeiter nehmen Abschied

Im Team herrscht Wehmut. Ahmad Aboul (33) arbeitet seit acht Monaten am Gleis 26: "Es war immer viel los."

Ahmad Aboul (33) arbeitet seit acht Monaten am Gleis 26: "Es war immer viel los."
Ahmad Aboul (33) arbeitet seit acht Monaten am Gleis 26: "Es war immer viel los." © Ben Sagmeister

Kollegin Alja Lekpek (29) ist seit zwei Jahren dabei. Beide bedauern die Schließung.

Alja Lekpek (29) ist seit zwei Jahren dabei.
Alja Lekpek (29) ist seit zwei Jahren dabei. © Ben Sagmeister

Aurel Gjika (31), seit sieben Jahren dabei, wird in den Container wechseln. "Hier war immer am meisten los."

Aurel Gjika (31), seit sieben Jahren dabei, wird in den Container wechseln. "Hier war immer am meisten los."
Aurel Gjika (31), seit sieben Jahren dabei, wird in den Container wechseln. "Hier war immer am meisten los." © Ben Sagmeister

Yorma's Kundin: "Es macht mich traurig, ich muss schon fast weinen"

Auch die Kunden sind enttäuscht über die Schließung am Gleis 26. Für manche ist es sogar ein emotionaler Abschied. Elena Spitzenpfeil (76) kommt seit Jahren ein- bis zweimal am Tag hierher. "Es macht mich so traurig, dass ich schon fast weinen muss", sagt sie. Sie trägt einen weißen Sonnenhut und hat eine kleine Sektflasche in der Hand. Sie werde künftig zu einem der anderen Standorte gehen. Den Ersatz-Container in der Bahnhofshalle findet sie allerdings "traurig".

Elena Spitzenpfeil (76) kommt seit Jahren ein- bis zweimal am Tag hierher: "Es macht mich so traurig, dass ich schon fast weinen muss."
Elena Spitzenpfeil (76) kommt seit Jahren ein- bis zweimal am Tag hierher: "Es macht mich so traurig, dass ich schon fast weinen muss." © Ben Sagmeister

Die Deutschlehrerin Nadiia Volosian (51) pendelt fast täglich nach München. Sie hat einen der gelben Yorma’s Kaffeebecher in der Hand. "Ich bin froh, dass ich hier die Möglichkeit habe, kurz Pause zu machen und Kaffee zu trinken", sagt sie zur AZ. Sie findet es "angenehm" hier am Gleis 26, auch wegen der niedrigen Preise.

Nadiia Volosian (51) pendelt fast täglich nach München: "Ich bin froh, dass ich hier die Möglichkeit habe, kurz Pause zu machen und Kaffee zu trinken."
Nadiia Volosian (51) pendelt fast täglich nach München: "Ich bin froh, dass ich hier die Möglichkeit habe, kurz Pause zu machen und Kaffee zu trinken." © Ben Sagmeister

Stefan Hartmann (65) hat sich zum ersten Mal etwas bei der Filiale gekauft. Er ist nur auf Durchreise, kennt den Laden aber schon länger: "Ich wusste, dass hier die Preise günstig sind", sagt er.

Stefan Hartmann (65) hat sich zum ersten Mal etwas bei der Filiale gekauft: "Ich wusste, dass hier die Preise günstig sind", sagt er.
Stefan Hartmann (65) hat sich zum ersten Mal etwas bei der Filiale gekauft: "Ich wusste, dass hier die Preise günstig sind", sagt er. © Ben Sagmeister

Erstes Date mit der großen Liebe am Gleis 26

Per E-Mail und Instagram erreichen das Unternehmen derzeit zahlreiche Nachrichten, sagt Eberl von Yorma’s. Einige Abschiedsbriefe laufen am Mittwoch auf den Bildschirmen. Ein Kunde schreibt: "Die Filiale hat mir im Lauf der Zeit so viel gegeben und war immer da, wenn ich sie gebraucht habe." Sogar das erste Date mit der großen Liebe fand hier statt – am Gleis 26. 

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