"Ich kann mir München nicht mehr leisten"

AZ-Serie zum Wohn-Wahnsinn in München. Warum Petra D. (63) künftig in Landshut lebt. Und: Wie teuer ist Ihr Viertel? Was steht im Münchner Mietspiegel?
von  Tina Angerer

"Diese Stadt ist für Menschen mit kleiner Rente einfach zu teuer geworden", sagt Petra D.

MÜNCHEN Von ihrem Balkon aus sieht Petra D. die Alpen. Seit 28 Jahren wohnt sie hier, im 20. Stock in der Olympia-Pressestadt. Jetzt muss sie Abschied nehmen. „Ich ziehe schweren Herzens aus“, sagt die 63-Jährige. Ihr Vermieter hat sie rausgeklagt.

Jetzt zieht sie nach Landshut und sagt: „Ich kann mir München nicht mehr leisten.“

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Nach ihrer Scheidung war D. 1984 mit ihrem Sohn in die 65-Quadratmeter-Wohnung gezogen. Die Wohnungen gehörten früher der Bayerischen Versicherungskammer, 1999 wurde privatisiert. Ihr Vorkaufsrecht trat Petra D. an einen Kapitalanleger ab. Gesehen hat sie den Besitzer ihrer Wohnung, dem auch die Wohnung nebenan gehört, noch nie. Ende 2008 bekam sie die fristlose Kündigung wegen Eigenbedarf. Der Mann besitzt noch weitere Immobilien, unter anderem eine Wohnung in München, in der er zurzeit wohnt. Trotzdem verlor D. den Prozess: „Generell ist es sehr schwierig, sich gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu wehren“, erklärt die Mietrechtlerin Silke Ackermann (siehe Kasten rechts).
Für Petra D. kommt die Kündigung zur denkbar ungünstigsten Zeit. Sie hat 35 Jahre lang als Dolmetscherin und Vorstandssekretärin gearbeitet. Mit Mitte 50 wurde sie zum ersten Mal arbeitslos. Eine Weile bekam sie über eine Zeitarbeitsagentur immer noch befristete Jobs, mit 58 war dann Schluss. „In meinem Alter bin ich praktisch unvermittelbar.“ Jetzt bekommt sie Arbeitslosengeld II, ab September 2012 ist sie dann Rentnerin.

Zwar übernahm der Staat die Kosten ihres bestehenden Mietvertrages, 750 Euro warm. Muss sie aber einen neuen Mietvertrag abschließen, gelten die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Empfänger: Als Alleinlebende hat sie dann Anspruch auf 20 bis 50 Quadratmeter – und vor allem: Es darf nicht mehr als 449 Euro kalt kosten. Mehr als ein Zimmer ist für den Preis auf dem Münchner Mietmarkt in der Regel nicht drin. „Außerdem ist man für Vermieter nicht gerade attraktiv, wenn man sagt, das Amt zahlt“, sagt D.

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Das Wohnungsamt München bot der 63-Jährigen ein 22-Quadratmeter-Appartement an. „Ich will nicht undankbar sein. Aber ich habe viele Jahre gearbeitet und eingezahlt. Ich habe meinen Sohn ohne Unterhalt alleine großgezogen, ich habe immer meine Miete pünktlich bezahlt. Und jetzt soll ich auf 22 Quadratmetern wohnen.“
Ihre Rente, die sie 2012 bekommen wird, wird auch nur rund 1000 Euro betragen – keine gute Aussicht, wenn man keinen alten Mietvertrag hat. „Diese Stadt ist für Menschen mit kleiner Rente einfach zu teuer geworden. Nicht nur, was die Mieten angeht, sondern auch in allen anderen Bereichen.“

Deswegen wird sie jetzt wegziehen. „Es fällt mir sehr schwer, ich bin ja hier verwurzelt.“ In Landshut wohnt ihr Sohn, er pendelt von dort in die Arbeit nach München.
Und diesmal hatte Petra D. Glück: Sie hat eine sozial geförderte Wohnung in Landshut gefunden. Sie ist zwar kleiner als ihre jetzige Wohnung, aber die 54 Quadratmeter reichen ihr. „Ich muss mich von vielen Dingen trennen. Aber ich habe immerhin zwei Zimmer“, sagt sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich aus München wegziehe. Aber jetzt beginnt für mich nochmal ein ganz neuer Lebensabschnitt. Notgedrungen.“

 

 

 

 


 

Eigenbedarf: Die gefährlichste Kündigung für den Mieter

Der Vermieter darf seinem Mieter wegen Eigenbedarf kündigen. Früher galt Eigenbedarf nur, wenn er oder nahe Verwandte dort einziehen wollten. Seit 2010 gelten auch fernere Verwandte, etwa Neffen oder Nichten. „Für Mieter ist die Eigenbedarfskündigung die gefährlichste Kündigung”, sagt die Mietrechtlerin Silke Ackermann. Zwar gibt es Hinweise auf vorgetäuschten Eigenbedarf, die ein Mieter bei einem etwaigen Räumungsprozess aufzeigen kann. Zum Beispiel: Der Vermieter meldet Eigenbedarf bei einer kleinen Wohnung an, wohnt aber in einem Einfamilienhaus, das ihm auch gehört. Dennoch ist der Beweis, dass der Eigentümer gar nicht einziehen will, im Voraus sehr schwer möglich.

Zieht der Vermieter anders als angekündigt, später nicht ein, gibt es zwar rein rechtlich die Möglichkeit für den Mieter, Schadenersatz zu bekommen. „Allerdings liegt die Beweislast beim Mieter”, sagt Ackermann. Außerdem ist der Mieter dann ja bereits ausgezogen. „Viele geben dann klein bei, scheuen den Stress und die Kosten einer Schadenersatzklage.

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