Hundskugel: Besichtigung vor der Auktion
Und wo, bitteschön, ist der Napf von Daisy? Die früheren Gemächer von Rudolph Moshammer locken Kaufinteressenten, Fans und Touristen an. Die AZ ist bei dem skurrilen Schauspiel dabei.
München - Geschlossene Gesellschaft! So steht es noch auf der Tafel vor dem Lokal. Dabei ist die Tür offen und die Gesellschaft schon lange weg. Die letzte Feier ist vorbei. Jetzt muss alles raus – aus der Hundskugel, Münchens ältester Gaststätte, die seit 1983 in Besitz des schillernd-schrägen Modemachers Rudolph Moshammer (†2005) war.
Bevor am nächsten Samstag das Hundskugel-Inventar unter den Hammer bei Hampel-Kunstauktionen in der Schellingstraße kommt, kann seit diesem Wochenende jeder zur Vorbesichtigung in der Hotterstraße 18 vorbeischauen. Am Sonntag ab 10 Uhr ist die Hundskugel offen. Es kommen mehr Interessierte als zuletzt nach Mosis Tod Gäste.
Eine ältere Frau im Kostüm hat sich extra mit einem Parfum eingesprüht, das einst der Mosi kreiert hat. Es riecht stark, sehr süß, nach einer anderen Zeit und füllt das komplette Hundskugel-Erdgeschoss. Wo es früher nach Krustenbraten roch, ist nicht mehr viel übrig vom Lokal-Leben. Tische, Stühle – alles schon weg. „Das war nicht mehr brauchbar“, sagt eine Hampel-Mitarbeiterin. „Dafür hätte niemand auch nur einen Cent gezahlt.“
Ein paar verkalkte Biergläser stehen jetzt in dem urig-rustikalen Raum an der Theke herum – und Porzellan-Teller mit abgeblättertem Goldrand. „Wo ist der Daisy-Napf?“, fragt die Mosi-Parfum-Frau. „Weg, war auch nicht mehr brauchbar“, antwortet ein Mitarbeiter. Die Frau reagiert enttäuscht.
Einzelne Stücke kann man aber sowieso nicht kaufen, bei der Auktion soll jeweils das Inventar eines ganzen Raumes versteigert werden. Mit Kleinigkeiten aus vergangenen Zeiten will sich hier niemand aufhalten. Die Schätzwerte bewegen sich zwischen 1000 bis 2500 Euro pro Raum.
Was viele nicht wissen: Die Hundskugel, die nun der „Sternenstaub“-Stiftung des Buch-Autors Jürgen Todenhöfer gehört, hat mehr zu bieten als eine Wirtschaft. Über zwei Stockwerke erstreckt sich das ehemalige Mosi-Reich. Es gibt ein Kaminzimmer mit einem Regal, das in Wahrheit eine Geheimtür ins Badezimmer ist, eine sehr hübsche Küche mit Blau-Weiß-Verzierungen und Bar, ein Wohn- und Arbeitszimmer. Alles klein, aber pompös. Denkmalgeschützt und einzigartig. Mosi eben. Der bayerische Kini der Selbstinszenierung wollte schon immer mehr Schein als Sein. Wenn die Küche auch winzig und viel zu unpraktisch zum Kochen ist, so macht sie dafür viel her. Überall sind große Säulen und aufwändige Wandmalereien. Vor der Tür zum Schlafzimmer im zweiten Stock steht ein Weihwasserbecken. Das Wasser ist längst verdunstet, aber Reinwaschen wollen sich die Besucher sowieso nicht. Sie wollen Anteil am Privatleben eines verstorbenen Paradiesvogels nehmen. Das Schlafzimmer ist die Sensation. Hier zieht es über die schmale Holztreppe jeden hin. Dabei will die Einrichtung – bestehend aus prachtvollen Vorhängen in Türkis, einem Teppichboden in Türkis und einer Holzverkleidung ebenfalls in Türkis – keiner kaufen. „Das ist nicht mein Geschmack“, sagen die meisten. Alle wollen nur schauen. Schauen, wie der Mosi einst geschlafen hat.
Der Bettabdruck ist noch deutlich zu sehen (offenbar war auch das schmale Bett unbrauchbar, es wurde längst entsorgt), daneben steht in der Ecke ein altes Telefon. Das Kabel steckt noch in der Steckdose. „Huch! Um Himmels Willen! Hier wurde der Mosi umgebracht“, sagt eine ältere Dame zu ihrem Mann, der „ja, schrecklich“ murmelt. „Ist hier etwa der Mord passiert?“, fragt erschrocken ein Herr. Die 15 Anwesenden nicken.
Vier Touristen aus Russland betreten jetzt ebenfalls das skurrile Hundskugel-Highlight. Sie sehen das Telefon, zeigen darauf und schreien auf. Auch wenn jedem Besucher erklärt wird, dass der Mosi ja gar nicht hier umgebracht wurde, sondern damals in seinem Haus in Grünwald mit dem Telefonkabel erdrosselt wurde – glauben will das niemand. Sonst hätte sich der Besuch ja gar nicht gelohnt.
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