Hundertfacher sexueller Missbrauch: Stiefopa in München vor Gericht

Ein 56-Jähriger steht seit dem heutigen Mittwoch in München vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, über Jahre hinweg seine Stiefenkel und deren Freunde sexuell missbraucht zu haben. Zum Prozessauftakt streitet er die Vorwürfe ab.
John Schneider |
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Ein wegen sexuellen Kindesmissbrauchs angeklagter Mann (56) wird zu Prozessbeginn am Landgericht München II in den Saal geführt. Rechts steht seine Anwältin Anja Kollmann.
Peter Kneffel/dpa Ein wegen sexuellen Kindesmissbrauchs angeklagter Mann (56) wird zu Prozessbeginn am Landgericht München II in den Saal geführt. Rechts steht seine Anwältin Anja Kollmann.

München/Seefeld - Es ist, als ob man in einen Abgrund schaut, wenn Hans F. (56, Name geändert) von seiner Kindheit erzählt. Gewalt und sexueller Missbrauch waren für das Findelkind, das in verschiedenen bayrischen Heimen aufwuchs, Alltag. Eine Nonne, Erzieher, Mitschüler, Fremde hätten sich an ihm vergangen. "Was mir vorgeworfen wird, habe ich selbst erlebt", sagt er am Mittwoch beim Prozessauftakt im Gerichtssaal der Stadelheimer Justizvollzugsanstalt.

Was ihm vorgeworfen wird, ist nicht minder erschütternd. Über eine halbe Stunde braucht Staatsanwalt Matthias Braumandl, um die verschiedenen Serien des jahrelangen schweren sexuellen Missbrauchs, der Vergewaltigung und der Körperverletzung aufzuzählen. Insgesamt sind es am Ende über 700 Fälle. Begangen an den eigenen Stiefenkeln und deren Freunden. Die Kinder waren zum Teil erst fünf Jahre alt, als sie missbraucht worden sein sollen.

Angeklagter soll seinen Stiefenkel bedroht haben

Einen Buben soll er nicht nur zu Hause, sondern auch im Wald und in einer Kirche missbraucht haben. Wenn sein Stiefenkel nicht spurte, habe er damit gedroht, ihm das Lieblingskuscheltier wegzunehmen, ihn zwei Tage einzusperren oder seiner Mutter wehzutun, führt Braumandl an.

Bei der Anklageverlesung senkt Hans F. aus dem Landkreis Starnberg den Kopf, eine Atemschutzmaske bedeckt sein Gesicht. Den beigen Mantel behält er die ganze Zeit an. Seine Anwältin fürchtet um die Verhandlungsfähigkeit ihres Mandanten, der Hochrisikopatient sei und zudem Schwierigkeiten habe, sich zu erinnern. In einer Verhandlungspause bekommt er von einem Arzt ein Beruhigungsmittel verabreicht. Danach scheint es ihm besser zu gehen.

Angeklagter will Missbrauch nicht als solchen empfunden haben

"Ich hasse Gewalt", sagt Hans F. zu den Vorwürfen, "ich habe auch die Kinder niemals geschlagen und niemals zu irgendwas gezwungen." Er selbst habe als Kind den Missbrauch nicht als solchen empfunden. "Ich hab da keine Schmerzen gehabt. Ich hab halt gedacht, der hat mich lieb, fertig." So wie die Erzieherin, mit der er selber die ersten sexuellen Erfahrungen mit einer Frau gemacht habe. Da war er erst elf Jahre alt.

Die Erzieher hätten Männer zu Sex-Partys in das Kinderheim eingeladen, sie seien "zum Anschaffen nach München" gefahren. Ob es jemals Ermittlungen wegen dieser Vorfälle gegeben habe, will der Vorsitzende Richter Martin Hoffmann wissen. Nein, nie, sagt der Angeklagte.

Aber die Gewalt in den Heimen habe ihm zu schaffen gemacht. Sie sei der Grund für mehrere Suizidversuche. Ein Freund von damals habe sich aufgehängt, ein weiterer Heiminsasse habe sich ebenfalls erhängt. Deswegen wollte er auch sterben, so Hans F.

Der Prozess wird fortgesetzt

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