Homeschooling-Ärger: Münchner Mamas mit Guerilla-Methoden

Weil das Homeschooling immer noch nicht klappt, stellt eine Gruppe Mütter dem Kultusministerium in München nachts Protest-Plakate vor die Tür.
von  Marie Heßlinger
Anna Gelbert (v.l.) und ihre Mitstreiterinnen Annika Tödter und Antje Ratkovic wollen, dass das Kultusministerium Homeschooling besser macht. Dafür stellen sie einmal pro Woche selbst gebastelte Schilder vor dem Ministerium auf.
Anna Gelbert (v.l.) und ihre Mitstreiterinnen Annika Tödter und Antje Ratkovic wollen, dass das Kultusministerium Homeschooling besser macht. Dafür stellen sie einmal pro Woche selbst gebastelte Schilder vor dem Ministerium auf. © Daniel von Loeper

München – Zwei Autos fahren in der Dunkelheit vor das Bayerische Kultusministerium, vier Frauen springen heraus. Sie stellen Plakate am Eingang auf. "Was machen unsere Bildungspolitiker eigentlich beruflich?" steht auf einem. "Rest in peace, Bildung" auf einem anderen. Eine Woche später sind die Frauen wieder da: "SchülerInnen = Corona-Opfer". Ein Vater hat sich ihnen angeschlossen.

"Die sollen froh sein, dass wir nicht mit Spraydosen kommen", sagt Anna Gelbert. Sie gehört zu den Eltern, die gegen die Corona-Bildungspolitik demonstrieren. Fortan wollen sie jeden Dienstagabend Plakate vor dem Bildungsministerium aufstellen. Die Beamten sollen ihre Botschaften lesen, wenn sie morgens zur Arbeit gehen.

Manche Kinder "fallen einfach durchs Raster"

Eigentlich, findet Gelbert, müsste das Ministerium jetzt Tag und Nacht arbeiten. Stattdessen sei seit Beginn der Pandemie so gut wie nichts passiert. Gelbert sagt: "Von dem Gequatsche haben wir genug, wir wollen jetzt einfach mal Taten sehen."

Die "Guerilla Momz", die "Wutmütter von Schwabing", wie sich die Gruppe scherzhaft nennt, hat das Homeschooling satt. Sie beobachtet, wie es ihren Kindern zunehmend psychisch und physisch schlecht geht. Wie sie Lerninhalte verpassen, die über ihre Zukunft entscheiden könnten.

Gelbert selbst ist alleinerziehende zweifache Mutter. Sie arbeitet als Journalistin, Bloggerin, Buchautorin. Ihre achtjährige Tochter brauche viel Hilfe bei den Arbeitsaufträgen. Wie, fragt sich Gilbert, sieht es aus bei jenen Kindern, die zu Hause keine Unterstützung bekommen? "Die fallen einfach durchs Raster", sagt sie, "die kommen auf die Hauptschule." Ähnlich ergehe es jenen, die wegen des Homeschoolings in ihrem Abitur schlechter abschneiden werden.

Schule während des Lockdowns: Das fordern die Mütter

Zusammen mit den anderen Eltern fordert Gelbert deshalb: bundesweit einheitliche Regelungen, eine zuverlässige Beschulung an den Vormittagen, eine einfachere Kommunikation zwischen Lehrern, Eltern, Schülern und vor allem: eine funktionierende digitale Lernplattform. Weil es auf privaten Schulen deutlich weniger technische Probleme gebe, sagt Gelbert, würden zunehmend Schüler auf Privatschulen wechseln. Viele Eltern würden zudem Privatlehrer anstellen, die ihre Kinder vormittags unterrichteten.

"Wir sehen das Recht auf Bildung und Chancengleichheit ausgehebelt", sagt Gelbert. Das ist der Grund für ihre Aktion. Sie würde lieber mit Tomaten und Eiern werfen. Das könne sie aber nicht, scherzt Gelbert, "weil wir alle Kinder haben und aufpassen müssen, dass wir nicht beknastet werden". Nach der ersten Aktion sei sie nachts schon wach gelegen, sagt Gelbert und lacht. Da hätte eine von ihnen eine Kerze vor die Plakate gestellt. "Mein Gott, nachher ist das Brandstiftung", überlegte Gelbert. Es passierte nichts.

Am nächsten Morgen um 10 Uhr, als sie ein Foto machen wollten, seien die Plakate schon verschwunden gewesen, sagt Gelbert. "Aber wenn ihr sie neunmal wegräumt, kommen wir zehn Mal wieder!"

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