Hoffen aufs Christkind
Die Kunden sind sparsamer geworden - und flüchten zu den Discountern. Handel und Industrie leiden unter der weltweiten Finanzkrise – auch in München.
MÜNCHEN Das vorige Jahr lief für den Einzelhandel in München und Bayern schon schlecht. Jetzt legt sich die aktuelle Finanzkrise bleischwer aufs Geschäft. Nur Billig-Discounter (weil gespart werden muss) und Luxussegmente (weil es immer noch Münchner ohne Geldsorgen gibt) melden ein Plus. Jetzt hoffen alle auf’s Weihnachtsgeschäft. Das muss alles rausreißen, um wenigstens „auf eine schwarze Null“ zu kommen, wie der Einzelhandelsverband hofft.
„Die Finanzkrise lässt dunkle Gewitterwolken aufziehen“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Bayerischen Einzelhandelsverbands. Dazu kämen die hohen Energiekosten und überall steigende Gebühren und Beiträge. In München reagierten die Kunden „verhalten auf die bisherigen Hiobsbotschaften“, beobachtet auch Wolfgang Fischer, Sprecher der „Citypartner“.
Die Umsätze sind im Einzelhandel „auf niedrigem Niveau stabil geblieben“, schildert Ohlmann. Das ist für den Handel aber zu wenig. Denn: „Die Umsätze im vorigen Jahr waren sehr schlecht. Teilweise wurde minus gemacht.“
Der aktuelle Gewinner (wie so oft): der Elektronikbereich. Der verzeichnete nach Angaben des Einzelhandelsverbands in diesem Jahr ein Plus von 7,3 Prozent. Die Verlierer: Baumärkte – mit minus 2,6 Prozent beim Umsatz. Lebensmittel: minus 0,3 Prozent. Ohlmann: „Die Kunden werden preisbewusster und greifen zu günstigeren Lebensmitteln.“ Das merken als Plus die Discounter, die schon mehr als 40 Prozent des Lebensmittelmarktes in Bayern beherrschten. Tendenz: steigend.
Eine Schere gibt es auch in der Textilbranche. Nach Angaben der Textilwirtschaft sank der Umsatz von Januar bis September diesen Jahres um vier Prozent. Aber nicht bei allen: Ludwig Beck wird heute ein Umsatzplus in den ersten neun Monaten von 2,4 Prozent melden. Auch in den vergangenen Wochen seien die Umsätze nicht zurückgegangen, hieß es. Von Juli bis September gab es sogar ein Plus von 10,4 Prozent. Dieter Münch, Vorstand der Ludwig Beck AG: „Dieses Ergebnis ist besonders vor dem Hintergrund der sich abschwächenden Konjunktur im Zeichen der internationalen Finanzkrise bemerkenswert.“ Die Beck-Kunden hätten sich bisher nicht verunsichern lassen.
"Wir hoffen, dass nicht an den Weihnachtsgeschenken gespart wird"
„Der Handel hofft jetzt auf das Weihnachtsgeschäft“, so Bernd Ohlmann vom Einzelhandelsverband. Das ist für viele die wichtigste Zeit des Jahres, in der je nach Branche bis zu einem Viertel des Jahresumsatzes gemacht wird. Ohlmann: „Wir hoffen, dass die Käufer in dieser miesen Stimmung nicht an den Geschenken sparen.“
Nicht nur der Handel bekommt die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren – auch die Industrie ist betroffen. Wessen Auftragsbücher sind leerer geworden? Konkret nennt Robert Obermeier, Chef-Volkswirt der Münchner Industrie- und Handelskammer, die Auto-Hersteller sowie die chemische Industrie in Bayern. In einer schwierigen Lage sind außerdem Zulieferer, die Festpreise mit ihren Abnehmern vereinbart haben – und deswegen die hohen Rostoff- und Energiekosten nicht weitergeben können.
Beispiel BMW: Der Autobauer will bis zu 25000 Wagen weniger produzieren, als geplant war. Die Autos waren für den US-Markt bestimmt – Nordamerika ist der größte Einzelmarkt des Unternehmens. Die Konsequenz der dortigen Krise: Ein BMW-Werk nach dem anderen schließt für einige Tage seine Pforten. „Vom 3. bis 7. November wird in München nicht gearbeitet“, bestätigte ein BMW-Sprecher der AZ. Und Vorstandschef Reithofer hatte jüngst in Paris angekündigt, dass der Konzern sich vorbehalte, noch weitere Schritte zu ergreifen – je nach Marktentwicklung.
München gilt wegen seines bunten Branchen-Mix eigentlich als weniger krisenanfällig als andere Wirtschaftsstandorte. „Bis zum Sommer hat die Münchner Wirtschaft den weltweiten konjunkturellen Abwärtstrend gut überstanden“, erklärt Robert Obermeier. „Aber jetzt befürchten wir, dass 2009 eine konjunkturelle Talfahrt bevorsteht!“
Willi Bock/ Julia Lenders
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