Hilfe, aus unserer Küche wird eine Straße - Münchner Familie kämpft um ihr Haus
FORSTENRIED - Seit über 20 Jahren kämpft Familie Uhlig nun schon: Ihr Haus soll abgerissen werden – weil die Stäblistraße in Forstenried eine Staatsstraße wird
Ein Eichhörnchen flitzt auf einen Baum. Vögel zwitschern, Akeleien und tränende Herzen blühen. Familie Uhlig wohnt mitten im Grünen. Doch ihre Idylle ist in Gefahr. Genau hier ist der Durchstich der Stäblistraße geplant. Das Haus, in dem drei Generationen miteinander leben, soll den Autos weichen.
Nüchtern heißt es in einer Stadtratsvorlage des Baureferats: „Mit der Umsetzung des Projekts sind zwangsläufig Eingriffe in das private Eigentum verbunden, einschließlich des Abbruchs eines Wohngebäudes.“ Gemeint ist das holzverkleidete Wohnhaus in der Bauweberstraße 1. Seit etwa zwei Jahren ist Raimer Uhlig (66) klar, was seiner Familie droht. „Unsere Lebensgrundlage wird zerstört!“
Kampf um die Existenz
Die Pläne für den Durchstich zeigen die Schneise. Mitten auf einer eingezeichneten Lärmschutzwand thront ein Kästchen – es ist ein efeuumranktes Zuhäusl, in dem Uhlig-Sohn Sebastian wohnt. Das Wohnhaus daneben ist auf dem Plan angeschnitten – eine Ecke steht der Straße im Weg, die Küche. Genau in der sitzt Raimer Uhlig gerade und sagt: „Es geht um unsere Existenz.“
Seit 30 Jahren leben er, seine Frau Ulrike, drei heute erwachsene Kinder und Oma Helmtrud Daschner in Forstenried. Die 88-Jährige hat Angst, dass der Durchstich die Familie trennt – und sie in ein Altenheim ziehen muss. Für die Uhligs steht viel auf dem Spiel: „Ich habe hier Gehen und Radeln gelernt. Wenn wir weg müssten, würde etwas Drastisches fehlen“, sagt Sebastian (31). Der Streit um den Durchstich ist mindestens so alt wie er und hat Forstenried tief gespalten – lange, bevor die neue Trasse den Stadtteil tatsächlich zerschneidet. „Schleicht’s euch endlich“, hörten die Uhligs schon.
Bei dem Dauer-Konflikt geht es um eine 550 Meter lange Verbindungsstraße zwischen Garmischer Autobahn und Forstenrieder Allee. Eine Mehrheit im Rathaus hält an dem Projekt fest – trotz jahrzehntelanger Auseinandersetzungen. Die Trasse soll den verkehrsumtosten Ortskern entlasten, liegt aber wieder mitten im Wohngebiet.
„Wir sind nicht bereit, unser Haus dem Stäbli-Durchstich zu opfern“, steht auf einem Banner am Gartenzaun der Uhligs. „Wieso soll man so etwas für eine Scheiß-Idee aufgeben?“, fragt Familienvater Raimer. Er ist sicher: Das Problem würde nur verlagert. Die geplante Straße wäre eine Katastrophe für das Ortsbild, findet der Architekt außerdem. Bis zu vier Meter hohe Lärmschutzwände sind geplant.
Seit über 20 Jahren ein Thema
Für ihn ist die Trasse längst zum Lebensthema geworden. Seit 1984 lässt sich die Familie von einem Anwalt beraten. Da sollte ihr Haus noch gar nicht weichen, sondern hätte „nur“ direkt an der Straße gelegen. Auch Uhligs Gesundheit hat unter dem Ärger gelitten: Er berichtet von einem Hörsturz.
Schon als die Familie nach Forstenried zog, wusste sie um die Planungen. Das bestreitet niemand. „Aber früher war die Rede von einer kleinen, örtlichen Erschließungsstraße.“ Kaum jemand habe geglaubt, dass sie wirklich kommt. Jetzt schätzt das Planungsreferat, dass im Jahr 2020 bis zu 25000 Autos am Tag auf der neuen Stäblistraße fahren werden – einer Staatstraße. Kurios ist, dass die Entwürfe bekannt sind und die Uhligs genau studieren können, wie ihr Heim von der Schneise verdrängt werden soll. „Aber von der Stadt kam noch niemand auf uns zu und hat gesagt: ,Könnten wir bitte ihr Haus haben?’“
Die Antwort wäre ohnehin ein „Nein“. Im Teich plätschert ein Wasserspiel. Dicke Molche leben dort. Der verblühende Flieder duftet. Die Uhligs wollen alles tun, um diese Idylle zu behalten. „Eine Kapitulation kommt nicht in Frage.“Julia Lenders
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