Hier krabbeln Eltern um einen Krippenplatz!

In Strampelanzügen kämpfen Eltern in den Pasing-Arcaden gegeneinander. Der Sieger kann sein Kind ein in einer Krippe Jahr unterbringen: „Melanie hat schon blutige Knie"
Willi Bock |
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Kinderleicht? Zehn Bauklötze müssen aufeinander gestapelt werden — und kein Parcours-Hütchen darf umfallen.
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In Reih und Glied: Diese Eltern wollen für einen Krippenplatz krabbeln
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Das Sieger-Foto: David Gall (Mitte) mit „MiniMucs“-Geschäftsführer Ronald Trumm (rechts) und Charivari-Moderator Markus Pürzer.
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In Strampelanzügen kämpfen Eltern in den Pasing-Arcaden gegeneinander. Der Sieger kann sein Kind ein Jahr unterbringen. Eine Frau gibt alles: „Melanie hat schon blutige Knie"

München - Da wurden Kunden Zuschauer: Am Samstag rutschten doch glatt erwachsene Münchner in Strampelanzügen um die Wette über den Boden der Pasing-Arcaden. Ein wahrlich skurriles Rennen. Münchens neuester Wettstreit ist echt kindisch: Der Sieger erhält einen Krippenplatz für seinen Nachwuchs.

„Auf die Plätze, krabbelt los!“ feuerte eine Moderatorin von „Radio Charivari“ die Wettkämpfer an. Acht Familien kämpften unter dem Gejohle der Zuschauer. Eine Mischung aus Verzweiflung und Verbissenheit.

Ist ja kein Wunder: Ein Krippenplatz, Vollzeit und für ein Jahr kostenlos, das ist ein stattlicher Preis. Zumal der Versorgungsgrad bei Krippen in München gerade einmal bei 23 Prozent liegt – und der Bedarf bei über 50 Prozent. Aktuell gibt es 10.900 Krippenplätze, bis 2015 sollen weitere 3500 gebaut werden. Und das bei dem Babyboom in München.

Darum wussten die Eltern, warum sie in Pasing den Affen gaben. Ersonnen haben das die Brüder Ronald und Timo Rumm mit „Radio Charivari“. Die Brüder betreiben in München unter dem Namen „MiniMucs“ vier private Kindertagesstätten. So ein Platz ist – bei 45 bis 50 Wochenstunden – etwa in den MiniMucs-Häusern Pasing und Harlaching 944 Euro wert, in Hadern (München) 841. Pro Monat.

Bei Charivari hatten sich Bewerber angemeldet, acht Teilnehmer wurden ausgelost. Am Samstag war die erste von vier Show-Runden: Mütter in rosa Strampelanzügen, Väter in blauen. Und dann rutschten sie über den Boden, umschlängelten Pylonen, zwickten sich an Spielsteinen auf dem Boden und mussten zehn Holzklötze aufstapeln. Es ging im K.o.-System bis ins Finale.

Eine Frau gab alles. „Melanie hat schon blutige Knie“, frohlockte die Moderatorin. Die Mama drückte die Knieschoner noch fester, biss die Zähne zusammen und robbte weiter – und verlor. Gegen David (31), einen Vater aus Fürstenried. Er bekommt bei MiniMucs einen Krippenplatz für sein Kind. Im ersten Jahr ist der umsonst. An den nächsten drei Samstagen wird das Spektakel wiederholt. Beim nächsten Mal gibt es ein Bobbycar-Rennen.

AZ-Meinung: Wer mag darüber lachen?

Michael Schilling, AZ-Lokalchef, über das Krippen-Wettrennen

Es ist legitim, dass ein privater Anbieter für Kinderbetreuungsplätze Reklame für sich macht. Dass er dabei ein Wettkrabbeln um einen Krippenplatz in München veranstaltet, mag zynisch wirken, ist aber in jedem Fall öffentlichkeitswirksam. Auch die AZ berichtet heute darüber.

Niemand muss diese PR-Aktion gutheißen. So wie niemand gezwungen ist, sich daran zu beteiligen. Doch der Anblick der unterlegenen Finalistin – die Knie blutig, die Augen sehr feucht – verdeutlicht, wie verzweifelt Eltern sein können in einer Stadt, die nicht mal einem Viertel aller Kleinkinder einen Krippenplatz bietet.

Welche Blüten treibt der Kampf um Münchner Mangelwaren als nächstes? Latein-Tests um eine Bude im Studentenheim? Wettpolieren um eine Garage? Schwertgefechte um eine Zweizimmerwohnung? So schön München ist: Manchmal kann einem das Lachen vergehen.

 

 

 

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