Helfer im Münchner Kinderhospiz AKM: "Keine Angst vor dem Tod"

München - Der Tod: Er ist für viele kein angenehmes Thema. Darüber sprechen, darüber nachdenken, das vermeidet man lieber. Das gilt besonders, wenn es um den Tod von Kindern geht. Doch es gibt Menschen, die sich mit genau diesem Thema beschäftigen - ehrenamtlich und in ihrer Freizeit.
Das ambulante Kinderhospiz AKM bietet mit dem Angebot "RUF24" Familien in Krisen Rückhalt und Hilfe. Ein Team von zehn Hauptamtlichen und vielen Ehrenamtlichen ist rund um die Uhr erreichbar und bietet Familien in Krisenzeiten Begleitung.

Eine schwierige Aufgabe, für die es nicht genug Freiwillige gibt. RUF24 sucht deswegen gerade nach Ehrenamtlichen. Die AZ hat mit einer hauptamtlichen Psychologin und einer Ehrenamtlichen gesprochen. Wieso sie sich engagieren, was sie erleben und weshalb das Amt für sie - trotz allem - so wertvoll ist.
AZ: Frau Cosenza, in Ihrem Ehrenamt haben Sie oft mit Krankheit, Tod und Verzweiflung zu tun - schlimme Themen, gerade wenn sie Kinder betreffen. Wieso tut man sich das an?
MICHAELA COSENZA: Weil es ein sehr wertvolles Ehrenamt ist. Man kann wirklich helfen. Dieses Amt macht man sicherlich nicht so nebenbei, aber ich nehme dieses Ehrenamt für mich als ganz großes Geschenk wahr. Man lernt auch unglaublich viel über sich selber.
"Ich habe mir oft überlegt: Kann ich das wirklich?"
Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen?
MC: Ich hatte nach einem Ehrenamt im sozialen Bereich gesucht. Ich bin beruflich viel unterwegs, mir war also klar, dass es ein flexibles Engagement sein muss. Dann bin ich auf RUF24 gestoßen und dachte: Das passt!
Hatten Sie sich gar keine Sorgen gemacht, dass Sie das Amt emotional überfordern könnte?
MC: Die Ausbildung dauert ein paar Monate. Da beschäftigt man sich sehr intensiv damit. Ich habe mir währenddessen aber auch öfter Zeit für mich genommen und überlegt: Ist das wirklich was für mich? Kann ich das? In der Ausbildung lernt man ganz konkrete Techniken.
Worin genau besteht diese Ausbildung?
KERSTIN BERNDT: Die Ausbildung hat zwei Ziele. Einerseits bereiten wir die angehenden Ehrenamtlichen auf ihre Aufgabe vor. Sie lernen also ganz konkrete Techniken, wie sie Angehörigen helfen können. Das sind dann zum Beispiel Stabilisierungsstrategien oder auch Atemtechniken.
"Oft werden wir zum Beispiel auch in Kreißsälen eingesetzt"
Und was ist das zweite Ziel?
KB: Da geht es darum, sie mit den Situationen zu konfrontieren, in denen sie später auch eingesetzt werden. Da gibt es dann zum Beispiel Rollenspiele zum Üben. Einmal fahren wir auch nach Penzberg zu unserer Pfarrerin, wo sich die Ehrenamtlichen dann noch einmal tiefer mit den Themen Tod und Sterben beschäftigen. So bereiten wir sie auf ihre Einsätze vor.
Wie muss man sich einen Einsatz vorstellen? Wie läuft das ab?
MC: Am Anfang klingelt immer mein Telefon. Da ist dann meist ein Arzt oder ein Familienangehöriger dran, der unsere Hilfe braucht. Wenn ich die Lage verstanden habe, rufe ich beim Hintergrunddienst an - das sind unsere Hauptamtlichen, wie zum Beispiel Kerstin. Dann besprechen wir, ob dieser Einsatz für einen Ehrenamtlichen zu stemmen ist.

Und wenn er das ist?
MC: Dann übernehme ich den Einsatz und fahre hin.
Was erleben Sie dort? Gibt es einen Einsatz, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
MC: Es gibt so viele verschiedene Situationen, sie alle waren für mich sehr besonders. Wir sind bei Familien, die gerade eine Krise durchstehen. Oft werden wir zum Beispiel auch in Kreißsälen eingesetzt, wenn etwas Tragisches passiert ist. Jeder Einsatz berührt einen.
"Viel zuhören und einfach da zu sein - das hilft vielen Menschen schon sehr"
Und für Sie, Frau Berndt? Haben Sie einen besonderen Fall?
KB: Mein einprägsamster Einsatz war tatsächlich mein erster. Da war ich bei einer Familie, bei der die Mutter Krebs hatte. Kurz davor ist der beste Freund des einen Kindes bei einem Autounfall ums Leben gekommen. So etwas bewegt einen - auch über den Einsatz hinaus. Ich habe danach nichts mehr von der Familie gehört, das ist aber oft ein gutes Zeichen. Es heißt, dass sie unsere Hilfe nicht mehr brauchen.
Wie kann man Familien in so einer Situation helfen? Gibt es da ganz bestimmte Tricks?
MC: Viel zuhören, und einfach da sein. Das hilft vielen Menschen schon sehr! Aber wir haben auch bestimmte Techniken, die Angehörigen helfen, wenn sie zum Beispiel Panik haben. Oft kann man auch einfach fragen, wie man jetzt helfen kann. Und - ganz wichtig - ich kann nach jedem Einsatz der Familie auch etwas mitgeben: Info-Materialien und Kontakte, an die sie sich wenden können.
"Man darf keine Berührungsängste mit dem Thema Tod haben"
Wie gehen Sie selbst mit solchen Fällen um? Viele Ihrer Einsätze müssen ja sehr belastend sein. Sprechen Sie mit Ihrer Familie und Freunden darüber?
MC: Bei mir kommt es immer auf den Einsatz an. Einmal kam ich nach Hause und wollte einfach nur lange spazieren gehen. Manchmal will ich lieber nur einen Film schauen. Mit Freunden spreche ich über die Einsätze aber eher selten, ich will sie nicht belasten. Wenn ich reden will, hat RUF24 auch ein Team, das immer ansprechbar ist.
KB: Mir hilft das Team bei solchen Fällen auch sehr, wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Da kann man dann auch einmal anrufen und einfach nur weinen. Aber sonst backe ich auch immer gern. (lacht) Das bringt mich wieder runter.
RUF24 sucht gerade neue Ehrenamtliche, die Sie unterstützen. Was muss so ein Ehrenamtlicher denn so mitbringen?
KB: Man darf keine Berührungsängste mit dem Thema Tod, Sterben und Trauer haben. Für viele ist das inzwischen ein Tabuthema. Man braucht für das Ehrenamt natürlich Einfühlungsvermögen, muss sich aber selbst auch gut kennen und wissen, was man sich zutraut. Und man muss entspannt sein und darf manche Sachen nicht zu persönlich nehmen. Die Menschen, die man betreut, sind in absoluten Ausnahmesituationen.