Heikle Gratwanderung: Die Post öffnet jetzt auch Briefe
MÜNCHEN - Die Post scannt Briefe ein und schickt sie per E-Mail an die Kunden – dem neuen digitalen Service für Unternehmen stehen Datenschützer aber skeptisch gegenüber.
Briefe an Behörden oder Firmen enthalten oft auch sehr vertrauliche Informationen: zum Beispiel Bewerbungsunterlagen, Nachweise über Schulden oder auch den aktuellen Kontostand. Doch die Absender können nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Schreiben nur vom Empfänger selbst geöffnet werden.
Über 100 Briefe öffnet die Post jetzt jeden Tag
Der Grund: Die Post bietet einen neuen Service an – ihre Mitarbeiter öffnen täglich hunderte Briefe. Und haben dabei schon mal private Angaben vor Augen! Datenschützer sehen das neue Angebot skeptisch.
Das Briefzentrum an der Arnulfstraße 195 bietet seit Dezember 2008 größeren Unternehmen den „Digitalen Posteingangs-Service“ (Dips) an. Hinter dem sperrigen Namen steckt ein einfaches Prinzip: Firmen beauftragen die Deutsche Post, an sie adressierte Briefe zu öffnen und einzuscannen. Die Postler des Briefzentrums senden den Firmen die Briefe dann als E-Mail.
Ein Angebot, das kleinen Unternehmen entgegen kommen soll
Dieter Nawrath, Pressereferent der Deutschen Post, hält das neue Angebot für zukunftsweisend: „ Unsere Kunden müssen sich nicht mehr mit Unmengen Papier herumschlagen. Die Archivierungskosten sind nicht zu unterschätzen.“
Die Briefe selbst einzuscannen, rentiere sich gerade für kleinere Unternehmen nicht: „Die Scanner sind extrem teuer. Deshalb bieten wir den Service auch andersrum an: Unsere Kunden können uns auch Papier-Dokumente schicken, die wir dann elektronisch weitersenden. “
Die Münchner Brief-Öffner haben einen Kunden: Ein Inkasso-Unternehmen
Jede Firma kann individuell festlegen, welche Briefe nicht geöffnet werden dürfen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendein Auftraggeber zulässt, dass von uns Briefe an den Vorstand oder den Betriebsrat geöffnet werden“, sagt Rudolf Zimmert (50), Stationsleiter des „Dips“.
Bis jetzt gibt es neben dem Münchner noch zwei weitere „Dips“ – in Frankfurt und Hamburg. Den Münchnern vertraut bisher nur ein einziger Kunde seine Post an: Die „Creditreform“. Ausgerechnet! Die Briefe an das Inkasso-Unternehmen enthalten wohl oft sehr persönliche Informationen.
Der Mensch bleibt das Risiko
Dietmar Müller, Pressesprecher beim Bundesbeauftragten für Datenschutz, sieht den neuen Post-Service deshalb auch zwiespältig. Rein rechtlich habe er zwar keine Einwände, da alle Post-Mitarbeiter unterschrieben haben, die Briefe nicht zu lesen – geschweige denn Informationen weiter zu geben. „Aber wie so oft bleibt der Mensch das Risiko“, sagt er. „Deshalb ist das ganze Projekt schon eine Gratwanderung!“
Roland Müller
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