Hebamme von Krankenkasse verklagt

Nabelschnur schlecht abgeklemmt? Ein Baby verliert viel Blut, weil sich die Klemme löste. Die Krankenkasse verlangt die Behandlungskosten für das Kind zurück – und scheitert vor Gericht.
von  John Schneider
Falsch gesetzt? Weil sich eine solche Nabelschnurklemme gelöst hat, steht eine Hebamme vor Gericht.
Falsch gesetzt? Weil sich eine solche Nabelschnurklemme gelöst hat, steht eine Hebamme vor Gericht. © John Schneider

München Der Fall ist so selten, dass er in der Fachliteratur nicht vorkommt: Bei einem Neugeborenen fällt die Nabelklemme ab, das Kind verliert viel Blut, muss reanimiert werden. Geschehen ist das äußerst seltene Unglück im Jahr 2002 in einem Krankenhaus bei Ingolstadt. Der kleine Leon (Name geändert) konnte damals zwar gerettet werden, hatte in der Folge aber mit Entwicklungsverzögerungen zu kämpfen.

Der Bub musste auf Grund des starken Blutverlustes sechs Wochen in eine Kinderklinik. Die Kosten von knapp 38000 Euro für die Behandlung verlangt die Kasse nun von der Hebamme. Ihr Vorgehen beim Setzen der Nabelklemme sei grob fehlerhaft gewesen. Doch die Vorwürfe verfingen in der ersten Instanz nicht. Das Landgericht Ingolstadt wies die Klage der Krankenkasse am 14. August 2013 ab.

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In der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht erklärte der sachverständige Gynäkologie-Professor gestern, dass ihm ein solcher Fall in seiner Praxis noch nie untergekommen sei. Auch in der Fachliteratur sei er in Sachen defekte Nabelklemme nicht fündig geworden. Er habe sich daraufhin bei den Hebammen in seinem Haus erkundigt. Eine einzige berichtete, dass ihr einmal eine Klemme aufgegangen sei. Sie habe das aber sofort bemerkt und korrigieren können.

Was den Senat unter dem Vorsitz von Thomas Steiner überzeugte, waren vor allem zwei Argumente: Zum einen schilderte die Hebamme noch einmal den „Automatismus“ mit dem sie die Nabelschnur abklemme. Solange die beiden Klemmen im Abstand von etwa fünf Zentimetern nicht hörbar einrasten, ist der Vorgang für sie nicht abgeschlossen. Normalerweise dürfen dann die Väter die Nabelschnur durchschneiden. Das sei im Fall von Leon aber nicht so gewesen: „Dem Kind ging es schlecht, also habe ich es selber gemacht.“

Das zweite Argument: Ein Fehler der Hebamme beim Setzen der Klemme hätte dazu geführt, dass das Kind sofort viel Blut verloren hätte. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Tatsächlich hatte sich erst bei der Umlagerung des Neugeborenen aus dem Kreißbett in die mobile Versorgungseinheit die Nabelklemme gelöst. Die Berufung wurde abgewiesen, die Revision nicht zugelassen.

 

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