Hausärzte erklären: Darum streiken wir!
Zwei Hausärzte erklären in der AZ, wie viel sie eigentlich verdienen und warum sie sich am 26. und 27. August an der zweitägigen Protest-Aktion beteiligen – und ihre Praxen dicht machen.
MÜNCHEN Die bayerischen Hausärzte machen Ernst: Am 26. und 27. August wollen viele ihre Praxen schließen – aus Protest gegen die Sparpläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (AZ berichtete). Nach Angaben des Bayerischen Hausärzteverbands haben sich bis dato schon 4000 Mediziner zurückgemeldet, die an der Aktion im Freistaat teilnehmen wollen. Und es werden wohl noch mehr.
Um was geht es dabei? Die Ärzte wehren sich gegen den Plan des FDP-Ministers, die Sondervergütungen für Hausarztverträge um jährlich 500 Millionen Euro zu kürzen. Solche Verträge müssen die Kassen seit 2007 mit den Hausarztverbänden abschließen. Die Idee, die damals dahinter steckte: Der Hausarzt sollte eine stärkere Lotsenfunktion im Gesundheitswesen bekommen, um Facharzt-Hopping zu vermeiden. Mehr Leistung, mehr Vergütung – so die Abmachung. Die bestehenden Verträge hätten in Bayern zwar zunächst Bestandsschutz, sagt Wolfgang Hoppenthaller vom Bayerischen Hausärzteverband. „Aber die wollen uns das Tarifrecht nehmen.“ Die Mediziner sind in Sorge. Zwei von ihnen erklären in der AZ, was die Hausarztverträge für sie bedeuten. Und wie viel sie eigentlich verdienen. Julia Lenders
„Bis zu 20 Euro mehr für jeden AOK-Versicherten“
Mediziner Christoph Grassl findet, dass die Vergütung nicht seiner Verantwortung als Arzt gerecht wird
Dr. Christoph Grassl (62) arbeitet in einer Großpraxis in der Boschetsrieder Straße in Sendling. Normalerweise ist die Einrichtung an 365 Tagen im Jahr bis 20 Uhr abends geöffnet. Doch an den beiden Streiktagen Ende August werden die Patienten vor verschlossener Tür stehen. „Wir schließen die Praxis, um klar zu machen, wie wichtig die hausärztliche Versorgungsebene ist“, erklärt Grassl.
Als Allgemeinmediziner befasse man sich oft nicht nur mit den körperlichen Problemen, sondern auch mit der Seele seiner Patienten. Erst in zweiter Linie geht es Grassl bei seiner Protest-Beteiligung dann um Honorar-Fragen.
Die Hausarztverträge spielen in der Stadt keine ganz so große Rolle wie auf dem Land, erklärt er. Einträglich seien nämlich vor allem die Verträge, die der Hausarztverband mit der AOK und der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) auf freiwilliger Basis geschlossen habe. Doch die meisten Städter sind bei anderen Kassen. „Je nachdem, wo Patienten versichert sind, gibt es gewaltige Unterschiede, wie lukrativ Hausarztverträge sind.“
Die Dienste von Grassls Großpraxis, zu der zehn Ärzte als Partner gehören, nehmen etwa 1000 AOK-Versicherte in Anspruch, für die ein solcher Vertrag gilt. „Für sie bekommen wir im Quartal 18 bis 20 Euro mehr.“
Grassl gibt an, im Monat zwischen 5000 und 6000 Euro brutto zu verdienen – und schätzt, dass die meisten Kollegen ähnlich viel verdienen. „Bei der Verantwortung, die wir tragen, ist das nicht gigantisch.“ Seine Schätzung: Je nach Zahl der Patienten, für die es einen Hausarztvertrag gibt, steigt das Brutto-Einkommen des Arztes im Monat um 500 bis 1000 Euro.
„Fallen die Verträge weg, ist unsere Praxis pleite“
Hausarzt Dr. Wolfgang Krombholz aus Isen sieht das Fundament hausärztlicher Versorgung gefährdet
Dr. Wolfgang Krombholz (60), Hausarzt in Isen im Landkreis Erding, wird sich am Ärztestreik gegen die Sparpläne des Gesundheitsministeriums beteiligen. „Wenn die Hausarztverträge wegfallen, ist unsere Praxis pleite.“ Davon ist politisch zwar nicht die Rede. Aber auch die vorgesehenen Kürzungen bei den Sondervergütungen hält der Mediziner für das falsche Signal. „Wer an den Hausarztverträgen kratzt, geht ans Fundament der Versorgung im hausärztlichen Bereich“, sagt er. Damit werde der Job für den Nachwuchs nicht attraktiver.
Das Bild vom Hausarzt als Großverdiener hält Krombholz für weit übertrieben. Er stellt eine Beispielrechnung an, die sich etwa mit seiner Einkommenssituation deckt. Ohne die Hausarztverträge kommen demnach in einer durchschnittlichen Praxis mit 800 Patienten im Quartal 32000 Euro zusammen – durch Regelleistungen der Kassen und Qualitätszuschüsse für Angebote wie Sonographie oder EKG. Auch Privatpatienten sind schon eingerechnet. „Im hausärztlichen Bereich sind sie keine echte Geldquelle.“
Die Hälfte von diesem Betrag geht laut Krombholz für Praxis-Unterhalt und Angestellte drauf. Im Monat bleiben dann noch 5333 Euro brutto. „Da liege ich nicht weit weg.“
Die Hausarztverträge bessern die Einkünfte auf – 15 Euro pro Patient und Quartal bringen sie den Angaben zufolge ein. Doch nur für etwa 50 Prozent der Patienten bei Dr. Krombholz gilt ein solcher Vertrag. Die „Praxis-Kunden“ müssen nämlich zustimmen. Ein Vorteil für Versicherte der AOK und der LKK: Wer mitmacht, bekommt eine jährliche Vorsorgeuntersuchung, die sonst nicht bezahlt würde.
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- Philipp Rösler