Hat der Steueramtsrat Kolleginnen betatscht?

Harmlose Freundlichkeit oder sexueller Übergriff: Das Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob ein 48-jähriger Beamter des Münchner Finanzamtes jahrelang junge Kolleginnen bedrängt hat.
von  Abendzeitung
Grapscher ja oder nein? Paul T. vor Gericht
Grapscher ja oder nein? Paul T. vor Gericht © John Schneider

MÜNCHEN - Harmlose Freundlichkeit oder sexueller Übergriff: Das Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob ein 48-jähriger Beamter des Münchner Finanzamtes jahrelang junge Kolleginnen bedrängt hat.

„Sympatisch, freundlich, immer gut drauf“ – so beschreibt ihn eine Kollegin aus dem Münchner Finanzamt. Doch Paul T. (Name geändert) soll im Umgang mit seinen weiblichen Kollegen des öfteren die Grenzen der sexuellen Selbstbestimmung überschritten haben. Die Behörde hat ihn des Dienstes enthoben, ihm die Bezüge um 50 Prozent gekürzt und will ihn nun ganz aus dem Beamtendienst entlassen.

Der konkrete Vorwurf: Der 48-Jährige habe zwischen 2006 und 2008 einige Male junge Frauen mit sexuellen Anspielungen belästigt und sie auch an Po und Brust angefasst. Der Steueramtsrat bestreitet dies vehement.

Die Hoffnung der Kammer auf ein Geständnis und damit ein schnelles Verfahren schwand früh. Paul T. widersprach in fast allen Fällen der Darstellung seiner fünf Kolleginnen. Nun müssen diese doch wieder als Zeuginnen vor Gericht erscheinen.

Allenfalls versehentlich will der 48-Jährige die Frauen am Oberschenkel oder im Nacken berührt haben. Statt eines Kusses auf den Hinterkopf spricht der Steuerbeamte von einem „Luftbussi“, statt eines Griffs an den Po erinnert sich Paul T. lediglich daran, dass er eine Kollegin aus dem Weg geschoben hat.

„Haben die Frauen das alles zusammenfantasiert?“, so die Frage der Vorsitzenden Richterin, der die Vorwürfe glaubwürdig scheinen. „Die Frauen haben keinen Belastungseifer an den Tag gelegt.“ Doch Paul T. blieb bei seiner Version der Geschehnisse.

Die Richterin konfrontierte ihn daraufhin mit einem Zitat aus den Akten. Er habe an die Kollegin S. geschrieben, dass er sie nackt sehen und küssen wolle. Paul T. gibt zwar zu, eine ähnliche Nachricht geschrieben zu haben. Aber nicht an Frau S. – das müsse ein Irrläufer gewesen sein.

Eine andere Kollegin will von ihm an den Po gegriffen worden sein. „Das war nicht nur ein Klaps“, erklärte sie. Er habe dann noch versucht, ihr weiter in den Schritt zu fassen. Paul T.: „Diese Aktion ist mir so nicht erinnerlich.“

Immerhin: Dass er eine Kollegin einfach mal so aus ihrem Stuhl hob, bestreitet er nicht. Aber auch dafür hat er eine harmlose Erklärung parat: „Ich wollte sie nur im Scherz wiegen, weil sie mir gesagt hatte, sie sei zu schwer für mich.“

In der Akte klingt die Aussage der jungen Frau ganz anders: „Er setzte sich auf den Rollcontainer neben mich und streichelte meine Oberschenkel. Nachdem ich mich demonstrativ abgewandt hatte, küsste er mich auf den Hinterkopf.“ Er habe sie dann hochgehoben und erst auf ihren Protest hin wieder abgesetzt. Das wird sie am nächsten Mittwoch wiederholen müssen. Dann wird der Prozess fortgesetzt.

John Schneider

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