Zünder oder nicht? Polizei rätselt über verschwundene Bombenhälfte in München

Fast alles möglich, sagen Fachleute bei der Feier zum Stabswechsel beim Polizei-Sonderdienst zur Frage, wo denn die zweite Hälfte der am Mittwoch gefundenen Weltkriegsbombe sein könnte. Fakt ist: Sie ist derzeit nicht auffindbar. Wie hoch die Gefahr ist, kann im Moment keiner abschätzen.
Hüseyin Ince
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Baugleich: So sahen die Zünder in den Weltkriegsbomben meistens aus, die auf München gefallen sind.
Baugleich: So sahen die Zünder in den Weltkriegsbomben meistens aus, die auf München gefallen sind. © Hüseyin Ince

Bei der Münchner Polizei arbeiten viele Fachleute im Hintergrund. Und Fachwissen sammelt sich vor allem bei einer Inspektion, deren Dienststelle unbekannt bleiben soll, nämlich bei der Polizeiinspektion (PI) Sonderdienste (SD).

Ein Amtswechsel fand hier vor etwa einem Monat statt. Polizeipräsident Thomas Hampel verabschiedete nun am Freitag Franz Hindl, den langjährigen Chef der Einheit PI SD im Präsidium an der Ettstraße. Und Hampel begrüßte den Neuen – und bisherigen Vizechef: Anton Schmucker.

Anton Schmucker, neuer Leiter der Polizeiinspektion Sonderdienste PI SD und sein Vorgänger, Franz Hindl.
Anton Schmucker, neuer Leiter der Polizeiinspektion Sonderdienste PI SD und sein Vorgänger, Franz Hindl. © Hüseyin Ince

Sprengstoff-Fachleute in grauen Overalls

In dieser PI arbeiten auch Sprengstoffexperten. Drei von ihnen waren mit die Ersten, die am Mittwoch (2. Juni) beim Bombenfund in Schwabing an der Ecke Bummstraße-Kraepelinstraße vor Ort waren und die Entschärfung vorbereiteten. Bei der Amtsübergabe am Freitag waren sie auch an der Ettstraße und hatten weitere Infos über die derzeit verschollene zweite Hälfte der Weltkriegsbombe. Die vordere Hälfte wurde ja Mittwochabend entschärft (AZ berichtete).

So können Bombensplitter einer Weltkriegsbombe aussehen, wenn sie jahrzehntelang im Boden vor sich hinrosten.
So können Bombensplitter einer Weltkriegsbombe aussehen, wenn sie jahrzehntelang im Boden vor sich hinrosten. © Hüseyin Ince

Aus 3000 Metern wurden die Bomben in den 40er Jahren über München abgeworfen. Demnach könne die zweite Hälfte beim Aufprall weggebrochen und explodiert sein. "Zerscheller“ nenne man das. Viele abgeworfene Sprengladungen hatten zwei Zünder, vorne und hinten. Einige Modelle hatten aber keinen zweiten Zünder. Was bei der gefundenen Bombe zutraf, sei schlicht unmöglich zu sagen. 

Zünder oder kein Zünder, explodiert oder nicht explodiert?

Das gefährlichste Szenario wäre, dass Teil zwei der Bombe mit scharfem Zünder nahe des Fundortes liegt. Auch wenn der Zünder völlig verwittert ist, könne die Gefahr groß sein, sagt einer der Fachmänner und zeigt die völlig intakte Innenseite eines verrosteten Zeitzünders.

Ein Zeitzünder, der völlig verwittert und verrostet ist. Ungefährlich? Keineswegs, sagen die Sprengstoffexperten vom Sonderdienst PI SD. Das Innere sei völlig intakt und könne ohne weiteres eine Sprengung auslösen.
Ein Zeitzünder, der völlig verwittert und verrostet ist. Ungefährlich? Keineswegs, sagen die Sprengstoffexperten vom Sonderdienst PI SD. Das Innere sei völlig intakt und könne ohne weiteres eine Sprengung auslösen. © Hüseyin Ince

Möglich ist aber auch, dass die zweite Hälfte der Bombe noch irgendwo in der Gegend liegt und keinen Zünder hat. Somit wäre sie ungefährlich. Möglicherweise erkennt man die Hälfte auch gar nicht mehr als Bombe nach so vielen Jahrzehnten. 

Bei einer Sache sind sich die Fachleute einig: Der Bauarbeiter, der die Bombe vom Mittwoch zuvor bewegt hatte, hatte wohl eine Art Schutzengel. Sie war scharf und hätte grundsätzlich explodieren können.  

Laut Polizei ist nun das KVR für weitere Maßnahmen zuständig. Dort sagt eine Sprecherin, dass mit allen Beteiligten Gefahrenforschung betrieben werde. Wie, wann und wie lange, das ist momentan unklar. 

Die Sonderdienste sorgen auch für regelmäßiges Schusstraining

Bei der Amtsübergabe waren mehrere Einheiten der PI SD anwesend und zeigten ihre Expertise. Auch die Medientechnik ist Teil dieser Einheit. Sie sorgt unter anderem dafür, dass die Bodycams der Münchner Polizei zuverlässig funktionieren. Auch Polizeivideos schneiden sie regelmäßig. 

Eine weitere Einheit sorgt dafür, dass Polizisten mit ihrer Schusswaffe in Übung bleiben. Sie kommt schließlich selten zum Einsatz. Das gilt besonders für Gewehre, die meist gesichert in Koffern liegen, von manchen Einheiten mitgeführt werden und nur für den Notfall dienen.  

Vor allem sogenannten Mitteldistanzwaffen kommen bei der Polizei sehr selten zum Einsatz. Doch müssen die Beamten für den Ernstfall ein Gefühl dafür bekommen. Deswegen werden die Einheiten damit regelmäßig geschult. Auch das übernimmt die Polizeiinspektion Sonderdienste.
Vor allem sogenannten Mitteldistanzwaffen kommen bei der Polizei sehr selten zum Einsatz. Doch müssen die Beamten für den Ernstfall ein Gefühl dafür bekommen. Deswegen werden die Einheiten damit regelmäßig geschult. Auch das übernimmt die Polizeiinspektion Sonderdienste. © Hüseyin Ince

3800 Münchner Polizisten üben bei der PI SD jährlich den Schusswaffengebrauch. Dabei werden die Übungsgeräte nach Farbe unterschieden. Blau markierte Waffen simulieren Rückschlag, werfen, Plastikhülsen aus und funktionieren grundsätzlich aber wie ein Laserpointer. 

Rot markierte Waffen kommen der Realität schon ziemlich nahe und können Platzpatronen abschießen. "Schwarze Waffen und Gewehre sind einfach echt", sagt einer der Experten am Tisch. Eine wichtige Farblogik also für die Polizisten, die für Übungseinheiten regelmäßig bei der PI SD auftauchen müssen und sollen. 

Polizeiübungen in Hammelburg: Fahrzeuge rammen, Schüsse aus Autos

Auch drei Vertreter der Bundeswehr waren am Freitag aus Hammelburg angereist. Denn die Polizei kooperiert mit dem Bundeswehr-Stützpunkt, wo große Übungsflächen die Simulation von ungewöhnlichen Situationen ermöglichen. "Man kann dort extreme Fahrzeugmanöver üben oder auch ein Gefühl dafür bekommen, wie das ist, wenn Fahrzeuge gerammt werden", sagt Polizeisprecher Thomas Schelshorn. Auch Schüsse aus fahrenden Autos kann man in Hammelburg üben. In München sei das schließlich einfach nicht möglich oder verantwortbar. 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.