Hitzige Diskussion in Münchner Klassenzimmer: Hier lernen Schüler die Grundrechte kennen

München – Es ist eine hitzige Debatte, die sich die Schüler der neunten Klasse im Gymnasium Freiham in ihrem Klassenzimmer liefern. "Wenn du sagst, es gibt nur zwei Geschlechter, ist das eine Meinung", sagt einer der 15-Jährigen entschlossen.
"Das ist keine Meinung, das ist eine Behauptung und das ist ein Unterschied!", findet sein Mitschüler, der ihm gegenüber sitzt. Und wieder ein anderer verschränkt die Arme vor seiner Brust, schüttelt den Kopf und sagt: "Solche Meinungen kann man gar nicht äußern, sonst wird man in der Gesellschaft gecancelt."
Was zu dieser angeregten Diskussion führte, war eine einfache Frage, die auf dem Whiteboard neben dem Lehrerpult steht: "Was fällt dir zum Grundrecht Meinungsfreiheit ein?" Und es ist nur eine von vielen Fragen, die Isabell Ciavarrella den 15-Jährigen im Laufe von zwei Stunden stellt und zu denen sich die 21 Schüler Gedanken machen sollen.
"GrundgeSÄTZE": Projekt soll auch in München Demokratieerziehung und Wertebildung stärken
Ciavarrella ist Lehrerin für Deutsch, Ethik und Französisch am Gymnasium Freiham und Mitglied des gemeinnützigen Vereins 10drei, der das Grundgesetz durch "innovative Formate" an Schulen in ganz Deutschland bringen will und sich selbst als Verein für Demokratieerziehung und Wertebildung an Schulen versteht.

Mit der neunten Klasse macht Ciavarrella gerade den Workshop "GrundgeSÄTZE", den der Verein konzipiert hat und Lehrkräften kostenlos zur Verfügung stellt. "Die Schüler sollen erkennen, wie wichtig die Grundrechte sind", erklärt die Lehrerin. "Manchmal haben sie Probleme damit, die komplexen Artikeltexte zu verstehen."
Ziel des Workshops ist, die Grundrechte in der Sprache der Jugendlichen auszudrücken. Die Schüler sitzen dabei in Gruppen zusammen und beantworten Fragen wie "Was bedeutet Freiheit für dich?". Zu den Fragen sollen sich die Schüler jeweils zuerst alleine Gedanken machen bevor sie sich mit dem Sitznachbarn austauschen und schließlich in der ganzen Gruppe über ihre Ergebnisse diskutieren.
Schüler sollen Grundrechte durch Bezug zum Alltag verstehen
Ihre Gedanken schreiben die Schüler auf bunte Zettel und kleben sie auf Plakate, die an den Wänden des Klassenzimmers hängen. Auf dem Bogen zum Thema Freiheit sind in dieser Klasse am Ende des Workshops Begriffe wie "Geschlechterfreiheit" und Sätze wie "Freiheit ist das Recht alles tun und lassen zu können, das nicht schadet" zu lesen. Diese Kernaussagen der Grundrechte, formuliert in den eigenen Worten der Schüler, nennt der Verein "GrundgeSÄTZE".
Alle Grundrechte in einem zweistündigen Workshop unterzubringen, würde den Rahmen des Projekts sprengen. Daher wählt die Lehrkraft vorab einzelne Grundrechte aus, die im Fokus des Workshops stehen sollen. Isabell Ciavarrella entschied sich für die Meinungsfreiheit, das Recht am eigenen Bild und das Recht am eigenen Wort.
"Ich habe viel gelernt"
"Der Workshop hat gut funktioniert", resümiert sie anschließend. "Die Schüler konnten einen Alltagsbezug herstellen", findet Ciavarrella. Den Workshop können alle Lehrkräfte durchführen, die Interesse haben. Gedacht ist er für Schüler ab der siebten Klasse.
Die Lehrer erhalten im Vorfeld eine einstündige "Online-Qualifizierung" vom Verein und ein Paket mit Materialien, Ablaufplan und Präsentation. So wollen die Mitglieder Schüler in ganz Deutschland erreichen. In Freiham scheint das gelungen zu sein: "Ich habe viel gelernt", steht nicht nur auf einer der Haftnotizen an der Feedback-Wand.