Gleichgeschlechtliche Tanzpaare tanzen beim Equality-Turnier in München
Als die Musik beginnt, atmet Bernd Müller einmal tief ein, bringt sein breites Kreuz in Position, spannt so gut wie jeden Muskel seines Körpers und fängt lächelnd an, im Walzertakt mit seinem Gegenüber durch den Raum zu schweben. Soweit so üblich bei einem Tanzturnier. Unüblich, wer in Müllers Armen liegt: sein Partner Gerhard Hummel. Die beiden 50-jährigen Männer sind eines von knapp 30 Paaren, die im Tanzclub Savoy bei einem Equality-Tanzturnier um Podestplätze in den Standard- und Lateindisziplinen tanzen. Die Konkurrenz kommt aus Österreich, Frankreich, der Schweiz und sogar Dänemark. Die Gelegenheit ist fast schon einmalig. Bei klassischen Turnieren sind gleichgeschlechtliche Paare nicht erlaubt.
Für Müller und Hummel ist das Turnier ein Heimspiel. Seit acht Jahren tanzen die beiden Münchner zusammen auf Wettbewerben in ganz Europa. Sie sind amtierende deutsche und europäische Meister der Seniorenklasse in der Kombination Standard-Latein. Ein Paar sind sie nicht. Homosexuell schon. "Da braucht man schon einen verständnisvollen Partner", sagt Müller. "Gerhard verbringt teilweise mehr Zeit mit mir als mit seinem Partner."
Kritik für gleichgeschlechtliche Tanzpaare gehört der Vergangenheit an
Fast 30 Jahre ist es her, dass er einen Tanzclub für Schwule und Lesben in München mitgegründet hat. Er war dabei, als 1994 das erste Turnier ausschließlich für gleichgeschlechtliche Paare stattfand. Damals gab es heftige Kritik von etablierten, klassischen Tanzvereinen und -schulen. "Gleichgeschlechtliche Paare hatten damals keine Chance, in Vereinen oder Tanzschulen unterzukommen", erinnert sich Müller. Das ist heute anders. Der Deutsche Tanzsportverband und der Verband für Equality Tanzsport (DVET) haben sich vor acht Jahren zusammengetan und eine Zusammenarbeit in Ausbildung, Training und Turnierabwicklung beschlossen. Seitdem könnten gleichgeschlechtliche Paare auch in in den Vereinen des Deutschen Tanzsportverbands trainieren. Wie viele gleichgeschlechtliche Paare es in Deutschland gibt, ist schwer zu sagen. Laut DVET-Vize Dietrich nehmen jährlich 70 bis 80 Paare an den Turnieren teil, der Verband habe etwa 1000 Mitgliedschaften. Die Zahl der Hobbytänzer schätzt er höher ein. Längst nicht alle Tänzer sind homosexuell. "Tendenziell sind Frauenpaare privat auch verbunden, während Männerpaare eher sportliche Gemeinschaften zu bilden scheinen, aber wer weiß das schon genau?", sagt Dietrich. Fest stehe allerdings, dass der Nachwuchs mehr motiviert werden müsse.
Auch Müller beobachtet, dass wenige junge Tänzer nachkommen. "Die jungen Schwulen und Lesben haben weniger Lust, sich in speziellen Vereinen und Gruppierungen zu engagieren. Sie wollen sich lieber untermischen. Das ist gut so, aber unsere Tanz-Community ist mittlerweile eine Generation 40 plus." Dieser Generation gehören Heike Hämmerer (53) und Heidrun Kling (50) an, die ebenfalls im Savoy antreten. Die beiden Fürtherinnen tanzen seit 14 Jahren miteinander, haben gemeinsam mit dem Tanzen angefangen und bei ihrer Anmeldung die örtliche Tanzschule ins Schwitzen gebracht. "Als wir kamen, brach erstmal Panik aus, wo denn jetzt noch zwei männliche Tänzer herkommen sollen", sagt Kling. "Als wir gesagt haben, dass wir zusammen tanzen wollen, war die Erleichterung groß." Die beiden amtierenden Weltmeisterinnen im Standard-Tanz in der Seniorenklasse sind privat ein Paar, trainieren pro Woche bis zu fünf Mal und reisen jährlich zu vier bis fünf Turnieren. Hämmerer tanzt den Frauenpart, Kling den Männerpart. "Das liegt vor allem daran, dass ich die Größere bin", sagt sie. Körperlich sei das Führen für sie sehr selten ein Problem. "Manchmal ist es schwer, die Arme so lange anzuheben - das fällt Männern von der Anatomie her einfach leichter", sagt sie und hebt ihre durchtrainierten Arme. "Aber trotzdem: Mit vielen Tänzern kann ich locker mithalten."
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