Glattes München: Sturzopfer klagen über die Stadt

MÜNCHEN - Rosa Maria B. (57) bricht sich beim Überqueren einer nicht geräumten Straße das Handgelenk und sagt: „Die Stadt streut nach Lust und Laune.“ Ein ähnlicher Fall endete 2008 mit dem Sieg der Klägerin.
Wäre sie auf einem ungeräumten Gehsteig gestürzt, könnte Rosa Maria B. (57) beim betroffenen Hausbesitzer auf Schmerzensgeld klagen. Doch die Laimer Immobilienverwalterin stürzte am 26.Januar auf der Fahrbahn der Fischartstraße und damit auf städtischem Territorium. Sie zog sich einen komplizierten Handgelenkbruch zu.
Am selben Tag erwischte es Gabriele B. sogar mitten in der Fußgängerzone, sie rutscht auf einer Eisplatte in der Kaufinger Straße aus und schlägt heftig mit dem Hinterkopf auf, erleidet eine Gehirnerschütterung und Prellungen. Als sie kurz darauf einem Streuwagen der Stadt begegnet, bittet sie den Fahrer die Stelle zu entschärfen: „Seine Antwort gab mir den Rest: ’Das ist nicht meine Route’.“
Auch Rosa Maria B. ärgert sich über die Stadt: „Gestreut wird von der Stadt nach Lust und Laune. Ich bin auch kein Einzelfall.“ Und weiß von anderen Stürzen in der Nachbarschaft zu berichten.
Beim Baureferat hört sich das Thema Straßenräumung so an: „Oberste Priorität haben die rund 9400 Fußgängerüberwege sowie das Hauptstraßennetz, das alle bedeutenden Ring- und Ausfallstraßen wie den Mittleren Ring umfasst - sowie Straßen, in denen öffentliche Verkehrsmittel fahren. Im Anschluss räumen wir das Nebenstraßennetz.“
Eigentümer werden da ganz anders in die Pflicht genommen: „Als Eigentümer müssen Sie von Montag bis Samstag in der Zeit von 7 Uhr bis 20 Uhr (am Sonn- und Feiertag ab 8 Uhr) den Gehweg von Schnee freihalten.“ Nicht einmal in der Wahl der Mittel ist man demnach frei: „Bei Glätte mit Sand oder Splitt streuen oder das Eis beseitigen. Aus Umweltschutzgründen dürfen Sie kein Salz verwenden.“
„Diese Ungleichheit wurmt mich“, sagt Rosa Maria B.. Bereits in den Wochen zuvor hatte sie beobachtet, dass in der Nachbarschaft „sehr mangelhaft, wenn überhaupt Schnee geräumt wird“.
Was der Laimerin jetzt bevorsteht: Nach der Handgelenk-OP zunächst vier Wochen Unterarmgipsschienenverband, dann Wechsel auf Orthese für weitere zwei Wochen. Lymphdrainage, Physiotherapie, schließlich die Entfernung der Titanplatte im Arm. Ihr Mann Peter B. erbost: „Die Folgen für meine Frau sind, ganz abgesehen von einem verpatzten Skiwinter, Einschränkungen im täglichen Ablauf und in der Arbeit der Immobilienverwaltung auf Wochen und Monate hinaus.“
Eine Klage schließt das Paar aus: „Gegen die Stadt zu prozessieren, ist ein Fass ohne Boden.“ Ganz so aussichtslos scheint die juristische Lage aber nicht zu sein. Es kommt auf den Einzelfall an.
2008 hat sich eine Klägerin mit ihrem Schadenersatzanspruch gegen die Stadt München teilweise durchsetzen können. Die Frau war auf einer ungeräumten Allacher Nebenstraße gestürzt und hatte sich einen Knöchel gebrochen. Das Münchner Landgericht fand, dass die Stadt ihre Pflicht durch die Nichtstreuung und Nichträumung verletzt habe. Die Frau bekam immerhin die Hälfte ihres Schadens ersetzt. John Schneider