Gewalt gegen Lehrer: Eine Münchner Betroffene erzählt

Autorität haben, aber auch Nähe herstellen: Wie eine Münchner Lehrerin mit dem Thema Schülergewalt umgeht.
München - Susanne Regenschein arbeitet seit fünf Jahren an einer Schule im Münchner Norden. Sie ist als Lehrerin zur Verschwiegenheit verpflichtet, deshalb ist das nicht ihr richtiger Name. Die 30-Jährige berichtet der AZ aus ihrem Schulalltag.
"Ich liebe meinen Job und fühle mich auch immer absolut sicher, wenn ich ins Klassenzimmer gehe. Aber als ich an der Schule angefangen habe, war ich jeden Tag nach der Arbeit fix und alle. Es ist ein anderes Arbeiten als an der Grundschule auf dem Land. Ich arbeite jetzt mit sozial schwachen Kindern und Jugendlichen. Die sind nicht dumm, haben aber viel verpasst, weil sich die Eltern nicht so kümmern.
Die Kinder gehen sich oft gegenseitig an. Da lerne ich auch mal Schimpfworte, die ich noch nie gehört habe, das ist manchmal schon erschreckend. Kürzlich hatten wir die Fortbildung: 'Wie gehe ich mit Schülergewalt um?'. Ich fand das eher beunruhigend, dass wir sowas angeboten bekommen. Ich habe eher mit Aggression der Schüler gegeneinander zu tun. Einmal bin ich dazwischengegangen und hab eine mitgekriegt; das mache ich nicht noch mal.
"Die Kids sind höchstens mal kurzzeitig aggressiv"
Gegen uns sind die Kids aber höchstens mal kurzzeitig aggressiv, die kriegst du auch schnell wieder runter. Wenn man so will, hilft es, dass sie nicht so helle sind: Nachtragend ist niemand. Ich bin auch schon körperlich angegangen worden. Nach einem Projekt wollte ich eine Schülerin nicht mit der Pausenklingel gehen lassen, weil noch das totale Chaos herrschte. Also habe ich mich ihr in den Weg gestellt. Sie ist um die 17, einen Kopf größer und doppelt so breit wie ich. Sie hat mich wüst beschimpft, und als ich trotzdem nicht wegging mich geschubst.
Viel ist mir nicht passiert, aber sie erzählte dann, ich hätte sie angefasst, deshalb musste das Thema zum Direktor und zum Jugendamt. Ich habe mich danach geweigert, sie weiter zu unterrichten, auch wenn das eigentlich nicht geht. Es waren aber sowieso nur noch drei Monate bis zu ihrem Abschluss – meine Kollegen haben sie mir abgenommen, da standen alle hinter mir. Wäre sie noch länger da gewesen, hätte ich das auch hingekriegt, ohne Angst.
Hier geht's zur Studie des Lehrerverbandes
Ich habe mich da nicht alleingelassen gefühlt, aber an Schulen mit großen Klassenstärken kann ich mir vorstellen, dass es nicht so einfach ist. Manche sagen, die Schüler hätten weniger Respekt vor Lehrern, weil die sich auch lockerer geben, cool sein wollen. Es ist natürlich eine Gratwanderung, Autorität zu haben und trotzdem eine gewisse Nähe herzustellen. Als Grundschullehrerin hatte ich nie so ein gutes Verhältnis wie zu diesen Schülern. Wir nehmen die auch mal in den Arm, auch, weil sie das zuhause oft nicht bekommen. Wenn man bei denen autoritär kommt und sich nicht auf einer näheren Ebene für sie interessiert, kommt man nicht an sie ran.
Der Respekt ist aber schon auch für mich ein Thema. Gerade in manchen Kulturkreisen wird man als Frau nicht so respektiert. Das Bild des Lehrers hat sich geändert, man ist jetzt für alles verantwortlich.
"Ich wurde wüster von Eltern beschimpft als von Schülern"
Ich bin schon wüster von Eltern beschimpft worden als von Schülern. Wir haben Eltern, da ist die Zusammenarbeit super. Die türkischen Eltern sind total bemüht und die Kosovaren. Aber wer bei uns landet, dessen Familie besteht meist seit Generationen aus Sozialhilfeempfängern. Da sagen Eltern ihren Kindern schon mal: Lehrer haben keine Ahnung.
Man muss sich von der Tagesarbeit abschotten können. Wer es bei uns nicht schafft, heimzugehen und sofort abzuschalten, der geht nach einem Jahr frustriert.
Ich habe allerdings nach Gesprächen mit älteren Kollegen das Gefühl, die Aggressionen an der Schule sind eher weniger geworden. Und man kann immer auch eine Freude im Beruf haben, selbst wenn es schräg ist. Schwarzer Humor hilft sehr.“