Genau prüfen: Schlamperei beim Münchner Finanzamt! Pannen kosten Tausende

Berechnungsfehler, falsche Rückzahlung, unsinnige Umsatzsteuer-Schätzung. Ein Rentner sagt: "In der Behörde weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut. Trauen Sie besser keinem Steuerbescheid!"
Irene Kleber |
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"Hätten wir nicht nachgehakt, wäre unser Geld einfach weg gewesen": Das Rentnerehepaar Gerhard und Gabriele K. aus München hat jede Menge Ärger mit dem Finanzamt.
iko "Hätten wir nicht nachgehakt, wäre unser Geld einfach weg gewesen": Das Rentnerehepaar Gerhard und Gabriele K. aus München hat jede Menge Ärger mit dem Finanzamt.

München - Gerhard und Gabriele K. gehören eigentlich zu den entspannteren unter Münchens Rentnern. Er: ehemaliger Klinikarzt (68). Sie: Hausfrau (65; zwei Kinder, zwei Enkel). Beide gebildet und kulturell aktiv. Seit Gerhard K. vor drei Jahren in Rente gegangen ist, wohnen sie in einer schönen Stadtwohnung in Obersendling, reisen gern und lassen sich kaum aus der Ruhe bringen.

Seit einigen Wochen allerdings bereitet ihnen eine Behörde Magenschmerzen und vielfach schlaflose Nächte: das Münchner Finanzamt. Und nach Dutzenden von Telefonaten, E-Mails und Postsendungen steht für Gerhard K. fest: "Beim Finanzamt wird in großem Stil geschlampt. Dort weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut. Und man tut gut daran, keinem Steuerbescheid zu trauen."

"Das Kleingedruckte nicht gelesen – das war ein Fehler"

Begonnen hat alles vor knapp einem Jahr im März 2017, und – das räumen die K.s offen ein – mit einem Fehler, den sie zunächst selbst gemacht haben. Eine Dame vom Finanzamt rief an mit der Mitteilung, eine Bank habe über die K.s eine Kontroll-Mitteilung gemacht. Ob das Paar denn seine Einkünfte eigentlich ordnungsgemäß versteuert habe?

"Ich habe da entspannt Ja gesagt", erzählt Gerhard K., "ich konnte mir erstmal gar nicht vorstellen, was da gemeint gewesen sein könnte."

Wenig später sahen die Münchner klarer. Beide hatten 2012 (also drei Jahre vor seiner Rente) jeweils rund 90.000 Euro gespartes Geld als Reserve fürs Alter auf ein gemeinsames Festgeldkonto der "Amsterdam Trade Bank" gelegt. Die hat als Direktbank mit Sitz in Holland keine Filialen, die Geschäfte laufen übers Internet. Die K.s gingen davon aus, dass die Kapitalertragsteuer, die auf die Zins-Zugewinne anfällt – wie auf deutschen und einigen anderen holländischen Banken auch üblich –, automatisch vom Konto abgebucht und ans Finanzamt überwiesen wird.

Ein Denkfehler, wie sie heute wissen. "Wir haben uns darüber einfach nie Gedanken gemacht", sagt Gabriele K., "wir haben den Fehler gemacht, nicht online nachzuschauen, was auf diesem Konto los ist, die Bank schickt ja keine Kontoauszüge zu. Und wir hätten mal das Kleingedruckte genau lesen sollen beim Vertragsabschluss."

Rund 14.000 Euro Zinszugewinne waren in den Jahren 2013 bis 2015 angefallen. Ein Viertel davon steht als Kapitalertragsteuer dem Fiskus zu. Als weniger Tage später die entsprechende Berechnung mit Zahlungsaufforderung vom Finanzamt kam, über den Betrag von 11.619,03 Euro inklusive Solidaritätszuschlag und Zinsen, zahlte Gerhard K. umgehend – "und mit sehr schlechtem Gewissen".

Tausende Euro wären einfach weg gewesen

Bis ihm eine Weile später aufging: Ein Viertel von 14.000 Euro Zinszugewinn sollen mehr als 11.000 Euro sein? "Das war ja wohl ein Witz", ärgert er sich. Nach mehreren Nachfragen, Briefen und Debatten kam heraus: Das Finanzamt hatte fehlerhaft jedem der beiden Eheleute den vollen Zinsbetrag für beide zugerechnet. Und unterm Strich rund 8.800 Euro zu viel für das Paar kassiert. "Wenn wir hier nicht nachgehakt hätten, wäre unser Geld einfach weg gewesen", ärgert sich Gerhard K. So immerhin korrigierte das Amt die Rechnung auf nur noch 2809,80 Euro – und zahlte die zu viel gezahlten rund 8.800 Euro zurück.

So weit, so gut. Bis zum zweiten Pannen-Vorfall im Mai. Da entdeckte K. eine nicht näher erklärte "Rückbuchung" vom Finanzamt auf sein Konto in Höhe von 1.524,47 Euro. Wenig später kam ein Brief vom Finanzamt ins Haus mit der Aufforderung, das Paar möge geschuldete (und ebenfalls nicht näher bezeichnete) 1.524,47 Euro bezahlen, bitteschön plus einem Säumniszuschlag.

Eine Panne von vielen: Aufforderung der Behörde zur Rückzahlung. Quelle: iko

Ob das ein "neues Geschäftsmodell zum staatlichen Geldverdienen" sei, fragte er telefonisch beim Finanzamt nach. "Erst etwas überweisen, dann den Betrag zurückfordern und dazu noch einen Mahnungszuschlag kassieren", sagt der Rentner, "da fällt einem dann aber langsam nichts mehr ein." Ein "bedauerliches Versehen" sei das gewesen, erklärte die Dame am Telefon. "Sie hat mir das damit erklärt, dass bei denen im Amt manchmal die linke Hand auch nicht wisse, was die rechte tut", sagt Gerhard K.

Amtspanne Nummer drei

Als wären zwei Amtspannen nicht genug, folgte prompt die dritte. Das Ehepaar kam aus dem Urlaub zurück und fand acht Finanzamts-Briefe im Briefkasten. In jedem: ein Schreiben, dass für je ein Quartal aus den Jahren 2016 und 2017 eine Umsatzsteuer in Höhe von je 325 Euro zu entrichten sei. Plus jeweils eine Mahngebühr von 30 Euro. Zusammen 2.824 Euro.

Wieso Umsatzsteuer?, fragten sie sich ratlos. Gerhard K. war doch seit 2015 Rentner. Er hatte auch keine nennenswerten Einnahmen mehr aus freiberuflichen Tätigkeiten (wie etwa Vorträgen als Mediziner). Es gab also nichts, worauf eine Umsatzsteuer würde anfallen können. Erneute Nachfrage beim Finanzamt, natürlich. Die Antwort dort: beinahe vorhersehbar. Ein "bedauerlicher Irrtum", schon wieder. "Da hätte in unseren Unterlagen irgendetwas gelöscht sein sollen, was uns als umsatzsteuerpflichtig ausweist, die Löschung sei aber leider übersehen worden, hat mir die Frau erklärt", sagt Gerhard K.

"Soll man da jetzt eigentlich weinen oder lachen? Da kann man doch nur den Schluss ziehen: Man darf keinem einzigen Steuerbescheid trauen. Man muss einfach alles anschauen und prüfen!" Und natürlich fragt er sich: "Was machen eigentlich alte Leute, die solchen Bescheiden blind vertrauen? Oder die sich nicht wie wir wehren können?"

Steuerstrafverfahren gegen Gerhard K.

Inzwischen hatte Gerhard K. übrigens auch ein Steuerstrafverfahren am Hals – wegen der ursprünglich nicht bezahlten Kapitalertragssteuer. "Erst mal nur ich", betont er, "seltsamerweise nicht meine Frau, obwohl wir das Konto ja gemeinsam führen." Er legte noch einmal alle Unterlagen vor, entschuldigte sich für den Fehler, belegte, ansonsten noch nie im Leben Fehler in seinen Steuererklärungen gemacht zu haben. Monatelang war erstmal Ruhe.

Bis vor zwei Wochen die Rechnung kam von der Bußgeld- und Strafsachenstelle. Diesmal in zwei Briefen: an ihn und an seine Frau: 3.000 Euro solle er als "Geldauflage" für die Hinterziehung bezahlen. Und weitere 300 Euro seine Frau. Danach würden beide Verfahren eingestellt. "Wie können die denn zwei verschiedene Beträge für den selben Fehler ansetzen? Und wie können die überhaupt ein Verfahren gegen meine Frau einstellen, das sie nie geführt haben?", fragt sich Gerhard K.

Letzte Woche Donnerstag ist dem Rentner der Geduldsfaden gerissen. Er telefonierte sich durch bis zu einem Behördenchef und gab kund, sich mit all den Schlampereien und Entschuldigungen des Amts an die Abendzeitung zu wenden.

Freitag kam der Rückruf. Man werde seinen Fall nun doch noch einmal in seiner Gesamtheit prüfen. "Ich bin neugierig, wie die Fehler der Finanzbeamten aufgearbeitet werden", sagt Gerhard K. "Bürger müssen für ihre Fehler zahlen. Und beim Finanzamt reicht eine Entschuldigung?" Man darf gespannt sein.

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