Gekündigt - weil er seinen Job zu ernst nahm

Ein Kontrolleur (29) am Flughafen arbeitet
München - Martin S. kämpft um seinen Job. Weil der 29-Jährige Luftsicherheitskontrolleur der Firma CAP am Flughafen München im Erdinger Moos die Dienstvorschriften ernst nahm, wurde ihm gekündigt. Das erklärten Martin S. und sein Anwalt Alexander Fernschild bei einer Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht.
„Aus gegebenem Anlass wurden Ende vergangenen Jahres die Sicherheitsvorschriften erneut verschärft, nach denen unter anderem zu Kontrollzwecken auch Taille und Schuhwerk verschärft überprüft werden müssen“, erklärt Martin S. Und genau das habe er dann auch getan. Immerhin seien das EU-Sicherheitsnormen und Anweisungen des Bundesministeriums des Inneren, die da umgesetzt werden.
Doch den Kontrollierten habe dieses korrekte Vorgehen nach Vorschrift gar nicht geschmeckt. Es gab Ärger mit so manchen Angestellten des Flughafens. Insbesondere Feuerwehrbedienstete und einige Techniker des Flughafens beschwerten sich über den ihrer Meinung nach allzu eifrigen Kontrolleur. Schließlich sei man ja jahrelang ohne solche gewissenhaften Kontrollen ausgekommen.
Wenig später wurde Martin S. vom Dienst freigestellt und später versetzt.
An anderer Stelle nimmt es die CAP mit den Sicherheitsvorschriften durchaus genau. So verlor eine 59-Jährige Mitarbeiterin ihren Job, weil während ihres Wachdienstes an der Pforte ein Mann unter der Schranke einer Ausfahrt durchgeschlüpft war. Das Verwaltungsgericht in München bestätigte die Entlassung.
Gekündigt wurde S. nicht sofort. Vielmehr sollte er statt als ausgebildete Luftsicherheitskontrollkraft im „Servicebereich" arbeiten. „Autos waschen und Abparken" – so wurde ihm die Tätigkeit vom Betriebsleiter der CAP beschrieben, so S. Er weigerte sich, wurde zunächst abgemahnt und schließlich fristlos gekündigt.
Über die Gründe der Versetzung erklärte der Vertreter der CAP bei der Güteverhandlung am Arbeitsgericht: „Wir sind ein Tochterunternehmen der Flughafengesellschaft. Die FMG hatte uns mitgeteilt, dass S. nicht mehr im Sicherheitsbereich eingesetzt werden soll." Die CAP sei daher gezwungen gewesen, den 29-Jährigen zu versetzen.
Doch warum hat die Flughafengesellschaft Martin S. auf dem Kieker? FMG-Sprecher Edgar Engert erklärt auf AZ-Anfrage nur: „Wir hatten gute Gründe, ihn zu versetzen." Welche? „Das können wir im Moment nicht sagen, da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt."
Damit bleibt S.’ Vorwurf im Raum stehen: Der innerbetriebliche Frieden am Flughafen gehe der Sicherheit vor und korrektes, den Dienstvorschriften entsprechendes Verhalten, führe zur Versetzung.
Ein Vergleich kam vor dem Arbeitsgericht übrigens nicht zustande. Martin S. besteht auf einer Verhandlung, in der FMG und CAP die Karten auf den Tisch legen müssen. Sein kämpferisches Fazit: „Das möchte ich geklärt haben." Im März bekommt er seinen Willen.
Präzedenz-Fälle
Handy im Büro geladen – und der Job ist futsch
Februar 2009: Eine Kassiererin soll Pfandbons für 1,30 Euro gestohlen haben. Das Gericht bestätigt die fristlose Kündigung.
September 2009: Eine Arbeitnehmerin muss gehen, weil sie eine Zigarette geraucht hatte, ohne auszustempeln. Sie war zuvor abgemahnt worden.
August 2009: Ein Arbeitgeber kündigt fristlos, weil ein Mitarbeiter das Handy am Arbeitsplatz aufgeladen hatte. Das Gericht schlägt Weiterbeschäftigung vor. Der Arbeitgeber weigert sich.
August 2009: Ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma nimmt ein Kinderbett aus dem Müll mit nach Hause – fristlose Kündigung. Das Gericht entscheidet aber für den Beschäftigten.
Juli 2009: Eine Küchenhilfe im Krankenhaus fliegt raus, weil sie drei Semmeln gestohlen haben soll. Der Fall endet mit einem Vergleich. Doch die Frau muss gehen.
März 2010: Eine Altenpflegerin aus Freiburg wird nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit entlassen, weil sie in einem Seniorenheim sechs Maultaschen mitnimmt, die sonst im Müll gelandet wären. Das Gericht hält eine fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt, man einigt sich auf eine Abfindung.
September 2010: Ein IT-Experte bekommt vor dem Landesarbeitsgericht Hamm Recht. Ihm war nach 19 Jahren ohne Ärger gekündigt worden, weil er den Akku für seinen Elektroroller im Büro aufgeladen hatte – mit Strom für 1,8 Cent.
September 2010: Das Arbeitsgericht Leipzig erklärt die Kündigung einer 44-Jährigen Supermarkt-Kassiererin für unwirksam. Sie soll ein altes Brot gestohlen haben.