Gegen Kahlschlag: Ein Geldtopf für gefährdete Bäume

München - "Gerade ist die Situation, wie jedes Jahr um diese Zeit, dramatisch", sagt Tobias Ruff. "Jetzt wird schnell, schnell, noch bevor die Vögel anfangen zu brüten, überall gefällt."
Der Chef der Fraktion ÖDP/Freie Wähler im Stadtrat ärgert sich darüber gewaltig. Er kritisiert, dass in München immer mehr nachverdichtet und Flächen versiegelt werden und viel zu viele Bäume fallen - auch weil es Bauherren damit zu einfach gemacht wird.
Die Fraktion hat daher in der vergangenen Woche eine Anfrage im Stadtrat gestellt, in der sie ausführlich Auskunft von der Stadtverwaltung fordert: Wie viele Bäume werden jährlich in München gefällt? Wie hat sich die Zahl der Fällungen in den letzten zehn Jahren entwickelt? Von wem kommen die Anträge für Fällungen, und wie viele wurden genehmigt?

Und auch: Was unternimmt die Stadt, um Fällungen zu verhindern und neue Bäume anzupflanzen? All das will die Fraktion wissen.
Das ist nicht alles: Die Fraktion hat den Antrag gestellt, die Stadt solle noch im laufenden ersten Halbjahr einen Entschädigungsfonds einrichten, damit die Stadt Bauherren das Baurecht ablösen könne, also ihm Geld zahlen, damit er von seinen Plänen Abstand nimmt.
Ziel: Wertvollen Baumbestand erhalten
So könne wertvoller Baumbestand erhalten werden, heißt es. Dies könnte immer dann angewendet werden, wenn Baurecht ohne Bebauungsplan besteht. Dann nämlich kann sich der Bauherr an der Nachbarschaftsbebauung orientieren, "und dann fallen alle Bäume", sagt Ruff: "Eigentlich hatte Grün-Rot genau das im Koalitionsvertrag festgelegt." Bisher sei aber nichts umgesetzt worden. Baumschutz findet nur auf dem Papier statt, lautet die Kritik.
Als Sofortmaßnahme beantragt die Fraktion zudem, künftig solle nicht die Zahl der Bäume, sondern das Grünvolumen angerechnet werden, um Fällungen zu kompensieren. Außerdem sollen Nachpflanzungen noch besser durchgesetzt werden, alle Genehmigungen sollen kontrolliert werden.
Das Problem mit den Baumfällungen - genehmigten wie illegalen - ist kein neues in München. Ruff beklagt, manche Bauherren hätten die drohenden Bußgelder für ungenehmigte Baumfällungen längst eingepreist in ihre Bauprojekte. "Es gibt Bauherren, die geben das offen zu", sagt er.
Dabei habe ein einzelner Baum so viele Bewohner wie eine kleine bis mittelgroße Stadt Einwohner. Bäume dienen als Wasserspeicher, entlasten die Kanalisation, erhöhen die Wohnqualität. Ohne Bäume wäre München "grauer, heißer, lauter und staubiger".
Ersatzpflanzungen helfen nur bedingt
Ist ein Baum erst einmal gefällt, dauere es Jahre, bis eine Neupflanzung die gleichen positiven Effekte erreichen kann. Ersatzpflanzungen helfen also nur bedingt. Zudem, so Ruff, genießen auch sie keinen dauerhaften Schutz: "Wenn der neue Baum nach ein paar Jahren im Weg umgeht, ist es nur ein kleiner, junger Baum, der fallen soll, da beschwert sich dann keiner", sagt er. "Der Grad der Versiegelung steigt immens." München sei die am dichtesten besiedelte und versiegelte Stadt Deutschlands.

Trotz alledem würden in München derzeit eine Reihe nicht zwingend nötiger Baumfällungen genehmigt und durchgeführt. So müssten beispielsweise in den nächsten Wochen nur wegen einer provisorischen Fahrspur 14 Bäume weichen, weil man keine alternative Fahrumleitungen für die Dauer der Bauphase geprüft habe.
Linden an der Prinzregentenstraße gefällt
Ein solcher Fall hatte etwa im Herbst 2018 für reichlich Empörung gesorgt: An der Prinzregentenstraße musste wegen der Sanierung der Brücken über den Eisbach die Fahrbahn zeitweise verlegt werden. Trotz großen Widerstandes vom Bezirksausschus bis zur Stadtrats-FDP wurden letztendlich dafür 13 rund 70 Jahre alte Linden gefällt.
Die ÖDP kennt noch mehr Beispiele dieser Art: Absurde Baumfällpläne fände man im Prinz-Eugen-Park, am Würmkanal oder in typischen Münchner Innenhöfen, wie etwa in der Breisacher Straße in Haidhausen. Sie fordert, die Stadt müsse sich schnellstmöglich glaubhaft und konsequent zum Baumschutz bekennen.