Fünfköpfige Familie sucht verzweifelt eine Wohnung in München
München - Sie hatten ein gutes Leben – bis der Bürgerkrieg ihr Heimatland Syrien ins Chaos stürzte. Safwan Ramadan und seine Geschwister hatten das landwirtschaftliche Anwesen ihres Vaters bei Homs geerbt. Sie bauten Aprikosen an, Äpfel und Walnüsse, hielten Hühner und Esel. Dann rückten die Truppen von Machthaber Baschar Al-Assad auf die Rebellenhochburg vor. Bomben fielen auf den Bauernhof der Ramadans. Ein Sprengsatz explodierte in der Küche, zwei Kinder standen in Flammen. Die Hölle hatte ihr Zuhause verschlungen.
An einem Sonntag im Februar 2015 sitzen Safwan Ramadan (35), seine Frau Hamida (30), Tochter Aya (9), Mohsin (7) und Mouaataz (4) auf einer buntgemusterten Couch in einem Münchner Wohnzimmer. Sie sind seit Ende Oktober in Deutschland und haben über ein Hilfsprojekt eine kleine Wohnung bekommen. Vorübergehend – und genau das ist das Problem: Ab 1. April brauchen die Ramadans eine neue Bleibe. Weil es Flüchtlinge auf dem leer gefegten Münchner Mietmarkt besonders schwer haben, haben die Syrer die AZ um Hilfe bei der Suche gebeten.
Die Eltern lernen gerade Deutsch
Hamida und Safwan lernen gerade Deutsch, beherrschen die neue Sprache aber noch nicht fließend. Deshalb erzählt Safwans Bruder Amin (32) die Geschichte der Familie.
Bei der Explosion in der Küche werden die zwölfjährige Tochter und der 17-jährige Sohn eines weiteren Ramadan-Bruders schwer verletzt. Die Haut an ihren Körpern ist zu 70 Prozent verbrannt. Amin bringt sie in ein Krankenhaus im nahen Libanon. Nach der OP kann er Nichte und Neffen im Krankenzimmer nicht finden. „Wo sind sie?“, fragt er einen der Ärzte. Der Mediziner zeigt auf zwei schlanke Körper, komplett bandagiert, nur die Augen der Kinder sind noch zu sehen.
„Zufällig war ein Fotograf in der Klinik. Er hat Bilder von den beiden gemacht und sie bei Facebook veröffentlicht“, erzählt Amin. Eine Münchnerin war so schockiert, dass sie den Transport der Geschwister nach Bayern veranlasste. Amin reiste als Begleitperson mit – und blieb. Mittlerweile arbeitet der junge Mann hier als Elektriker. Neffe und Nichte sind in betreuten Wohnprojekten untergekommen und besuchen die SchlauSchule.
Hamida und Safwan fliehen aus dem umkämpften Gebiet um Homs. Hamida, sechs weitere Frauen und 15 Kinder klettern auf die Transportfläche eines Lkw, der sie ins Wadi Khaled bringt: in ein Flüchtlingslager im nahen Libanon. Irgendwann trifft auch Safwan dort ein, hinter ihm liegt ein langer, lebensgefährlicher Fußmarsch.
In den libanesischen Flüchtlingslagern gibt es keinen Strom und kein sauberes Wasser
Zwei Jahre harren die Ramadans im Flüchtlingslager aus. „Das ist kein Leben. Dort gibt es keine Zukunft“, sagt Safwan. Laut UNHCR leben im Libanon etwa 1,2 Millionen registrierte Flüchtlinge aus Syrien. Die Lage ist dramatisch, weil die Regierung offiziell keine Lager gestattet. Fast die Hälfte der Emigranten haust deshalb in Rohbauten, Garagen, leeren Geschäften oder Baracken. Vielen fehlen Heizung, Strom, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen. Den Kleinsten mangelt es an allem. Kindergärten gibt es nicht. Immerhin: Aya darf nachmittags für ein paar Stunden zur Schule gehen.
Die Ramadans kommen schließlich als sogenannte Kontingent-Flüchtlinge nach Deutschland. Sie sind der Bundesrepublik unendlich dankbar für diese Chance, dem Elend zu entkommen. Denn zurück auf ihren Bauernhof kann die Familie nicht: „Zuhause ist alles weg. In unserem Dorf gibt es keine Menschen mehr. Auf unserem Hof haben Unbekannte alle Bäume gefällt, weil sie Brennholz für den Winter gebraucht haben. Die Ruinen der Häuser wurden geplündert. Sogar Kabel und Steckdosen wurden gestohlen.“
"Sie wollen ihren Kindern eine gute Zukunft bieten."
In München besuchen Mohsin und Mouaataz erstmals einen Kindergarten, die kleine Aya geht in die zweite Grundschulklasse. „Das Lernen bereitet ihr großen Spaß, sie macht enorme Fortschritte und wenn ich mit ihr übe, will sie gar nicht mehr aufhören“, lobt Ayas ehrenamtliche Nachhilfelehrerin Pauline Hutterer (15). Ihre Mutter Gitti unterstützt die Ramadans bei Behördengängen. „Ich bin wirklich beeindruckt davon, wie diese Familie zusammenhält und wie sehr sich alle bemühen, sich hier zu integrieren“, sagt sie anerkennend.
Hamida und Safwan möchten so schnell wie möglich Deutsch lernen und sich dann eine Arbeit suchen – die Erlaubnis dazu haben sie bereits. „Wie alle Eltern wollen auch sie ihren Kindern eine gute Zukunft bieten“, sagt Gitti Hutterer. Für ihren Neustart ins Leben brauchen die fünf jetzt eigentlich nur noch eins: eine eigene Wohnung.
Die Miete für Familie Ramadan übernimmt das Jobcenter. Wer helfen kann, schreibt bitte an lokales@az-muenchen.de
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