"Freeze! Stillhalten und dann hochschauen": Mit einem Musiker den Münchner Stadtvögeln auf der Spur

Der Jazz-Musiker Mathias Götz ist leidenschaftlicher Vogelbeobachter. Die AZ hat er auf einen seiner Lausch-Spaziergänge mitgenommen, diesmal über den Waldfriedhof. Was es zu sehen – und zu hören gab.
von  Jan Krattiger
Auf Vogelwanderung mit dem Musiker Mathias Götz. Genau hinhören hilft.
Auf Vogelwanderung mit dem Musiker Mathias Götz. Genau hinhören hilft. © Jan Krattiger

München – Ganze 22 verschiedene Vogelarten werden es sein, die die kleine Gruppe an diesem Dienstagabend im April im Waldfriedhof ziemlich eindeutig hören und bestimmen kann – und ein Reh, das eine aufmerksame Teilnehmerin durchs Gebüsch huschen sieht.

Vogelwanderung über den Waldfriedhof mit dem Münchner Musiker Mathias Götz

Die Sonne scheint, es ist einer dieser angenehmen frühen Frühlingsabende, der schon erahnen lässt, wie es in den kommenden Wochen wird. Und es ist nach den Wintermonaten wieder die erste Gelegenheit, um mit Mathias Götz auf einen Vogelspaziergang zu gehen.

Bei bestem Frühlingswetter beginnt der Vogelspaziergang im Waldfriedhof.
Bei bestem Frühlingswetter beginnt der Vogelspaziergang im Waldfriedhof. © Jan Krattiger

Seit über 20 Jahren ist Götz in München zuhause und hauptberuflich Jazz-Posaunist. Da spielt er in den verschiedensten Gruppen, unter anderem der Hochzeitskapelle, und hat auch ein eigenes Projekt namens "Le Millipede".

"Monatelang angehört": Mit einer Vogelstimmen-CD fing alles an

Schon als zehn-/elfjähriger Junge ist Götz mit seinem Vater auf Vogelwanderungen gegangen. "Irgendwann habe ich eine CD mit Vogelstimmen bekommen und hab' die monatelang angehört", erzählt er. Vor etwa zehn Jahren hat er dann spontan eine Facebook-Veranstaltung erstellt und befreundete Konzertgänger eingeladen. "Denen hat das so gefallen", erzählt Götz. Seither mache er das so drei-, viermal im Jahr.

Musiker Mathias Götz setzt vor allem auf sein Gehör beim Vogelbestimmen.
Musiker Mathias Götz setzt vor allem auf sein Gehör beim Vogelbestimmen. © Jan Krattiger

Nach einer kurzen Begrüßung am Eingang des Waldfriedhofs, es ist 17 Uhr, soll reihum jeder kurz sagen, welches Erlebnis man zuletzt mit einem Vogel hatte. Schnell wird klar: Viele sind nicht zum ersten Mal dabei und teilen die Leidenschaft von Mathias Götz, sie haben in den letzten Tagen allerlei Vögel beobachten können.

"Stillhalten und dann hochschauen": Wie man erfolgreich Vögel beobachtet

Allesamt mit Ferngläsern behangen, macht sich die kleine Gruppe auf den Weg durch den idyllischen Waldfriedhof (auf dem zum Beispiel auch Michael Ende in einem wunderschönen Grab begraben liegt).

Die kleine Vogelwanderungsgruppe unterwegs im Waldfriedhof.
Die kleine Vogelwanderungsgruppe unterwegs im Waldfriedhof. © Jan Krattiger

"Freeze! Stillhalten und dann hochschauen", sagt Götz beim ersten Pfeifen aus den Bäumen. "Manchmal entdeckt man sie, wenn es sich bewegt in den Ästen." Ein Rotkehlchen wurde als erstes entdeckt.

Der Waldfriedhof wird zur geschäftigen Piazza: 22 Vogelarten in kurzer Zeit bestimmt

Sobald die Gruppe dann an einer Wegkreuzung einige Minuten stillsteht, Köpfe gen Baumwipfel gereckt, und alle aufmerksam hinhören, wird der vermeintlich ruhige Waldfriedhof plötzlich zur geschäftigen Piazza. Von allen Seiten sind verschiedene Vogelstimmen wahrzunehmen: Tannenmeise! Amsel! Der Regenruf des Buchfinks – der sich offenbar an dem Abend ziemlich getäuscht hat, denn von Regen ist weit und breit keine Spur.

Auch ein Bad muss mal sein: Dieser Buchfink genießt es sichtlich, seinen Kopf in eine Pfütze einzutauchen.
Auch ein Bad muss mal sein: Dieser Buchfink genießt es sichtlich, seinen Kopf in eine Pfütze einzutauchen. © Jan Krattiger

Die Vogelspaziergänge organisiert Götz über seinen Newsletter, über den er auch über seine vielen Musikprojekte und Konzerte informiert. Meist ist er in den frühen Morgenstunden unterwegs, weil dann die meisten Vögel zu hören und zu sehen sind. Aber für die Morgenmuffel (wie den AZ-Autor) bietet er jetzt auch manchmal Abendspaziergänge an.

"Wenn man auf die Vogelstimmen hört, wird alles langsamer": Mit Musiker und Vogelfan Mathias Götz unterwegs

Die funktionieren – eigentlich wenig überraschend bei einem hauptberuflichen Musiker – vor allem über das Gehör. Immer wieder bleibt Götz stehen, lauscht, versucht, genau hinzuhören und das Pfeifen zu orten. "Von meinem Vater habe ich gelernt: Der Buchfink macht "Si si si si, das schöne Schweizer Gebirg" – und tatsächlich gelingt es so selbst einem Vogelerkennungslaien relativ rasch, den charakteristischen Gesang herauszuhören.

Kopf hoch und Fernglas angesetzt: So entdeckt man allerlei verschiedene Vögel in den Baumwipfeln, wo sie sich gerne aufhalten.
Kopf hoch und Fernglas angesetzt: So entdeckt man allerlei verschiedene Vögel in den Baumwipfeln, wo sie sich gerne aufhalten. © Jan Krattiger

Die Leidenschaft für Vögel hat ihn seit der Kindheit nicht losgelassen, wie er erzählt. Götz schildert zwischen zwei Lichtungen ein Erlebnis aus seiner Jugend, als er mit einem Freund unterwegs war und plötzlich zwei Schwarzspechte über sie drüber flogen.

Ein seltener Fall, da die Schwarzspechte eigentlich sehr scheue Vögel sind. "Ja Waaaahnsinn", fand natürlich der begeisterte Götz, "aber meinen Freund hat's einfach null interessiert." Mit seinen Vogelwanderungen wollte er insbesondere seinen Musikerfreunden diese Welt näherbringen.

Ein Buntspecht wagt sich nah an den Boden ran.
Ein Buntspecht wagt sich nah an den Boden ran. © Jan Krattiger

Vogelbeobachten für Anfänger und Profis

Es könne auch ganz schön anstrengend werden, mit ihm spazieren zu gehen, meint Götz mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Da dauere ein Spaziergang schon mal plötzlich fünf bis sechs Stunden. "Wenn man anfängt, auf die Vogelstimmen zu hören, wird alles immer langsamer", sagt er. Und gleich: "Ah, Zilpzalp. Einer der wenigen Vögel, der seinen eigenen Namen ruft!"

Ein Rotkehlchen genießt den Abend im Waldfriedhof.
Ein Rotkehlchen genießt den Abend im Waldfriedhof. © Jan Krattiger

Der Zilpzalp, das Rotkehlchen, Buchfink oder Gartenbaumläufer würden sich gut für Anfänger eignen, die in die Welt der Vogelbeobachtung eintauchen wollen, meint Götz. Deren Gesang sei immer etwa gleich und darum leicht erkennbar.

Götz ist der Hinweis wichtig, dass er kein Profi-Ornithologe ist. Seine Spaziergänge sind eher Sinneserfahrungen. "Ich bin auch jedes Mal wieder aufgeregt, mehr als vor einem Auftritt", erzählt Götz.

Eines der Highlights der Vogelwanderung im Waldfriedhof: Ein Kernbeißer sitzt hoch oben im Geäst.
Eines der Highlights der Vogelwanderung im Waldfriedhof: Ein Kernbeißer sitzt hoch oben im Geäst. © Jan Krattiger

Das Highlight des Abends: Ein Kernbeißer

Für Aufsehen sorgt an dem Abend im Waldfriedhof ein eher unspektakulärer Vogelgesang: Einzelne "Zp"- oder "Zick"-Laute sind zu hören. Die stammen vom Kernbeißer, auch ein schüchterner Vogel, der gern hoch oben in den Bäumen hockt.

Nach etwa 90 Minuten ist der Spaziergang über den Waldfriedhof vorbei und die Gruppe ist wieder am Eingang angelangt. Mit 22 Vögeln auf der Liste - und einem geschärften Ohr für Vogelgesänge aller Art.


Wer an einer Vogelwanderung mit Mathias Götz teilnehmen möchte, kann sich per E-Mail bei ihm melden:
mathiasgoetz@gmx.de; nächste Termine: 13. Mai (Alter Südfriedhof) und 24. Juni  (Nordfriedhof). Musikalisch unterhält Götz am 10. Mai bei der Langen Nacht der Musik in der St. Matthäus-Kirche und am 17. Mai im Pathos Theater.

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