Frau im Mond-Betreiber: In München hat es Gastro schwer

Wirtshäuser wie Tankstellen und tote Hose unter der Woche: Drei Münchner Gastronomen im großen AZ-Interview.
Jasmin Menrad |
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Steffen Werner, Sascha Arnold und Alexander Haas (von links) steigen dem Deutschen Museum ab 2020 mit ihrer Gastro "Frau im Mond" aufs Dach.
Sacha Tassilo Höchstetter Steffen Werner, Sascha Arnold und Alexander Haas (von links) steigen dem Deutschen Museum ab 2020 mit ihrer Gastro "Frau im Mond" aufs Dach.

München - Über den Dächern von München sind ihre Gastroprojekte zu Hause: Ab 2020 betreiben Alexander Haas (27, Unternehmer), Sascha Arnold (50, Architekt) und Steffen Werner (44, Architekt) die "Frau im Mond" mit Dachterrasse auf dem Deutschen Museum, das nicht nur für Museumsbesucher zugänglich sein soll. (Lesen Sie auch: Die zehn spannendsten Gastro-Neueröffnungen 2018)

Die Münchner kennen sie schon als Betreiber vom Vorhoelzer auf dem TU-Dach und dem Flushing Meadows. 

Mit der AZ haben die drei Gastro-Experten über Hilfskräfte in der Küche statt Köche, Billigbilligmentalität beim Essen und Schäumchen und Spuma gesprochen.

AZ: Glückwunsch! Sie sind die neuen Chefs auf der Dachterrasse des Deutschen Museums. Wen von Ihnen treffe ich dort hinter der Theke?
ALEXANDER HAAS: Leider wahrscheinlich keinen! Da wir alle neben der Gastronomie auch andere Unternehmungen haben, steht keiner von uns in einem Laden. Wir entwickeln und betreiben die Konzepte und haben dann engen Kontakt mit dem Betriebsleiter.

 


Die drei Gastronomen im Interview mit AZ-Redakteurin Jasmin Menrad. Foto: Bernd Wackerbauer

 

Fürs Deutsche Museum haben Sie sich ein Bowl-Konzept überlegt. Wird das 2020, wenn Sie aufmachen, nicht wieder out sein?
HAAS: Ich sehe es nicht als Trend, sondern es ist eine eigene Kategorie: zurück zur Zutat. Da ist die Bowl nur das Gefäß, ob das indisches Dal ist, Poke oder Dean and David Salat.
WERNER: Da geht's ums Handling, eine Bowl braucht kaum Platz und ist einfach zu machen.
HAAS: Es gibt in New York ein Konzept namens Dig Inn, an dem orientieren wir uns. Da weiß der Kunde, woher jeder Bestandteil kommt, der in der Bowl landet – mit Fokus auf bio und regional. Da steht dann, die Zutat kommt vom Bauern X und die andere Zutat vom Bauern Y. Die Frage ist, wie erreichen wir damit den acht Jahre alten Max am Tag und gleichzeitig die 30-jährige Julia am Abend.

Mit Pommes?
HAAS: Was ich mir vorstellen kann, sind Süßkartoffelpommes.
WERNER: Das ist die Herausforderung, den Wechsel zu schaffen, zwischen tagsüber Kantine, Café für Familien und am Abend Bar, Biergarten für die Münchner. Das muss aber auch unabhängig von der Dachterrasse funktionieren.
ARNOLD: Aber wir haben einen großen wettergeschützten Bereich auf der Terrasse, wo man einen ganzjährigen Betrieb mit Heizstrahlern machen kann. Die Frau im Mond soll nicht fancy, sondern lässig sein. Ein Ort, wo man den Sonnenuntergang genießen kann.

 


Die Dachterrasse vom Deutschen Museum wird in zwei Jahren für Besucher geöffnet. Foto: ho

 

Arnold: "Fleisch ist seit zehn Jahren total im Trend" 

Aber warum so ein einfaches Konzept?
ARNOLD: Es gibt keine Köche in Deutschland und erst recht nicht in München.

Aber wir gehen hier doch gut essen und haben einige Sterneköche...
WERNER: Sterneküche ist eine Nullnummer, daran verdienst du meistens nichts.
ARNOLD: Das ist ein Hobby, eine Liebhaberei.
WERNER: Wir hatten auch schon ein Konzept, das am Personal gescheitert ist. Es ist verdammt schwer, gute Köche zu finden. Viele Läden machen auf heimelig und lokal, aber sind dann Systemgastronomie.
ARNOLD: Hans im Glück tut so, als wäre es bio, als wäre das bewusstes Essen. Aber das ist Systemgastro. Die Leute machen sich zwar mehr Gedanken darüber, was sie essen... WERNER: ...aber stopfen sich dann einen Burger rein. Fleisch ist seit zehn Jahren total im Trend, ob Grillen oder Burger. Und anderseits will jeder bewusster leben.
ARNOLD: Im Deutschen Museum wird es auch Fleisch geben, aber wenn möglich eben nur in Bioqualität – und die Fleischgerichte kosten dann eben etwas mehr.
WERNER: Bio und lokal wird es bei uns sein. Lokal ist aber viel wichtiger, bio aus China bringt dir nichts.

Werner: "Spüler können sich die Stadt nicht leisten"

Asiatisches Essen ist auch total im Trend, oder?
ARNOLD: Warum gibt es so viele asiatische Konzepte? Das ist ja keine Küche, das ist alles vorbereitet, da kannst du mit Hilfskräften eine Küche betreiben.
WERNER: In Amerika ist es ja schon lange so, dass die Konzepte von guten Köchen entwickelt werden und dann stehen da zehn Mexikaner und schnibbeln das zusammen. Einer der großen Minuspunkte der Stadt ist, dass Spüler und Hilfskräfte sich die Stadt nicht mehr leisten können.
ARNOLD: Wenn man nicht selbst als Familie in einem Laden steht, dann ist es in München schwer.

Werner: "Quereinsteiger machen ihr eigenes Café auf"

Aber es haben 2018 viele familiäre Cafés eröffnet.
WERNER: Das ist mit der Systemgastronomie der zweite Trend, dass Quereinsteiger – etwa aus der Medienbranche – ihr eigenes Café aufmachen. Und das machen die oft gut. Aber sie stehen selbst drin, haben wenig Mitarbeiter und somit wenig Kosten. Die Zeiten sind ja auch vorbei, wo du Nichtprofis wie Studenten kriegst, die aushelfen. Studenten haben heute viel mehr Geld zur Verfügung als vor 20, 30 Jahren.
ARNOLD: Dafür ist die neue Generation bereit, etwas mehr Geld für Essen auszugeben. Aber das ist trotzdem noch weit entfernt von dem, was in anderen Ländern für Essen ausgegeben wird. Die kaufen sich dafür nicht ein neues Auto für 100.000 Euro.
HAAS: Mittagessen darf bei uns immer noch nicht über zehn Euro kosten.
ARNOLD: Wenn du in Paris oder London essen gehst, das sind die reellen Preise, was ein Essen kostet. Man muss halt echt schauen, welche Konzepte in der Gastronomie sich noch lohnen. Die Insolvenzquote ist sehr hoch.
WERNER: Die meisten individuellen Restaurantkonzepte in München haben wieder zugemacht.
HAAS: Eigentlich müsste man zu sieben Prozent Mehrwertsteuer wie in der Hotellerie kommen, um das quasi zu subventionieren.

Wo geht ihr denn aus?
WERNER: Zum Mittagessen gehe ich ins Schumanns. Aber das kannst ja fast nicht sagen, dann sind andere beleidigt, wenn ich sie nicht nenne.
ARNOLD: Brasserie Colette, ein Franzose. Oder ins Emiko, da bin ich heute Abend.
HAAS: Das Wagners und das HeyLuigi sind mittags zu empfehlen, abends ist das Tabacco super, das ist individuell. Da stehen aber überall die Betreiber drin. Sonst würde es nie gehen.

Wo sollte man in München trinken?
ARNOLD: Winebars haben heuer viele aufgemacht, der Trend ist endlich in München angekommen.
HAAS: Das hat was mit Bewusstsein zu tun, wie Naturweine oder Franciacorta, dass man sich Gedanken macht, wie und wo die Dinge hergestellt werden.
WERNER: Das ist für mich eine ehrliche Sache. Diese ganzen Mixologen mit ihren Schäumchen und Spuma, das interessiert mich alles nicht.
HAAS: Es geht zurück zur Einfachheit. Wir haben auch eine neue Liga ehrlicher Cocktailbars wie The High und Garçon.

Die gibt's aber schon mindestens zwei Jahre.
WERNER: Bei hochklassigen Drinks hat München auch eine Tradition mit Schumann, der in den 80ern aufgemacht hat und richtig gute Leute ausgebildet hat, die dann wieder was Eigenes gemacht haben.

Haas: "Es geht zurück zur Einfachheit"

Waren die 80er die bessere Zeit für Bars?
ARNOLD: Da konntest du an einem Mittwoch in die ganzen Wiener Cafés wie zum Beispiel Tresznjewski, Café Puck oder Parkcafé gehen, und es war bummsvoll. Irgendwann ging der Donnerstag noch gut. Aber das hat sich alles auf Freitag und Samstag verlagert. Damit ist es auch immer schwerer zu überleben. Früher hattest du vier, fünf Tage die Woche. Und heute lebst du von acht Tagen im Monat.
WERNER: Die Studenten sind heute mit ihren Plänen so fokussiert und durchorganisiert – und wenn sie Freizeit haben, lassen sie es krachen. Früher war das mehr ein Flow.
ARNOLD: Gut, bis in die 80er gab es aber auch nur drei Programme und die Leute sind ausgegangen, um jemanden kennenzulernen.
HAAS: Schade ist, dass du die Läden, in die du an einem Mittwochabend gehen kannst, an einer Hand abzählen kannst.

Immerhin sind die Wirtshäuser noch voll.
ARNOLD: Ach, viele bayerische Wirtshäuser produzieren im Industriegebiet und wärmen dann nur noch auf. Das hat doch nichts mehr mit Essen als Kultur zu tun. Ich war neulich im Donisl und habe gedacht, ich falle vom Glauben ab. Das ist wie an der Autobahnraststätte, da zahlst du, wenn du auf die Toilette gehst. Und klar gibt’s Münzen für die Gäste, aber hey, da gibt’s doch sicher andere Lösungen, etwa, dass ich da jemanden hinsetze und das charmanter mache. Aber nein, da hat irgendeiner vorgerechnet, dass das Geld bringt und jetzt schaut’s da aus wie an der Tankstelle.

Was wünschen Sie sich denn von der Stadt für 2019?
HAAS: Die Förderung von Untergrundkultur.
WERNER: Du hast krasse Vorschriften, selbst wenn du was temporär machen willst und das Invest zahlt sich dann nie aus für ein paar Monate. Die Stadt sollte ein Konzept entwickeln, um temporäre Sachen leichter umsetzen zu können – etwa beim Brandschutz.
ARNOLD: Man muss schauen, dass die Jungen mehr Chancen bekommen und nicht nur die alten Platzhirsche. Wenn die Leute alt werden, wollen sie alles sicher machen. So sind wir ja auch geworden mit den Jahren.

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