Forscher-Krimi am Deutschen Museum in München: Göring-Flieger könnte NS-Raubgut sein

Vom Deutschen Museum in München initiierte Forschungsarbeiten zeigen: Ein Jagdflugzeug in der Flugwerft Schleißheim könnte NS-Raubgut sein und sollte wohl Hermann Göring zum Geschenk gemacht werden. Jetzt geht die "Fokker D.VII" vorerst als Leihgabe in die Niederlande zurück.
Guido Verstegen
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Die Fokker D.VII gilt als das beste deutsche Jagdflugzeug des Ersten Weltkriegs. Von den damals etwa 1000 in Schwerin produzierten Maschinen sind heute weltweit nur noch sieben Exemplare erhalten.
Die Fokker D.VII gilt als das beste deutsche Jagdflugzeug des Ersten Weltkriegs. Von den damals etwa 1000 in Schwerin produzierten Maschinen sind heute weltweit nur noch sieben Exemplare erhalten. © Deutsches Museum

München/Oberschleißheim - Reichsluftfahrtminister Hermann Göring flog so ein Modell einst als Kampfpilot: Um die derzeit noch in der Flugwerft Schleißheim ausgestellte "Fokker D.VII" rankt sich eine wilde Geschichte. Was es mit diesem Krimistück unter Wissenschaftlern auf sich hat und was jetzt passiert.

"Bestes deutsches Jagdflugzeug am Ende des Ersten Weltkriegs" in der Flugtechnik-Ausstellung 

Die Herkunft der Maschine ist trotz intensiver Detektivarbeit immer noch nicht geklärt. Und damit ist auch die Frage noch immer nicht beantwortet, ob es sich um Raubgut aus der NS-Zeit handelt. "Die deutsch-niederländische Forschungs-Kooperation dazu wird fortgesetzt", teilt das Deutsche Museum dazu mit und liefert brisante Hintergründe.  

Unter der "deutschen" Tarnlackierung kam bereits 1980 bei Untersuchungen eine niederländische Kennzeichnung zum Vorschein. Zu erkennen ist das große, weiße "D", daneben die untere Hälfte einer "2" und daneben wiederum eine weitere Zahl, die "0", "6" oder "8" sein könnte.
Unter der "deutschen" Tarnlackierung kam bereits 1980 bei Untersuchungen eine niederländische Kennzeichnung zum Vorschein. Zu erkennen ist das große, weiße "D", daneben die untere Hälfte einer "2" und daneben wiederum eine weitere Zahl, die "0", "6" oder "8" sein könnte. © Deutsches Museum

Die Fokker sei kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Einheit der "Monuments, Fine Arts & Archives Section" der US-Armee mit anderen Flugzeugteilen in einem Schuppen in Vilsbiburg entdeckt und 1948 dem Museum zur Verwahrung gegeben worden. 1958 bekam das Flugzeug als laut Texttafel "bestes deutsches Jagdflugzeug am Ende des Ersten Weltkriegs" einen dauerhaften Platz in der Flugtechnik-Ausstellung. 

Brisante Frage: Kam die "Fokker D.VII" als Geschenk oder als Raubgut nach Deutschland? 

"Wir wissen, dass unsere Fokker D.VII aus Beständen der niederländischen Marineflieger stammt", sagt Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt am Deutschen Museum. Dies bewiesen Lackreste, die bereits 1980 unter der "deutschen" Tarnbemalung gefunden worden seien. "Was wir nicht wissen, ist, ob das Flugzeug als Geschenk oder als Raubgut nach Deutschland kam", so Hempfer weiter: "Denn wir wissen immer noch nicht mit Sicherheit, welche Maschine das ist."

"Fokker D.VII" kommt aus der Flugwerft Schleißheim ins Militärmuseum in Soesterberg

Klar ist: Das Jagdflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg und seine besondere Geschichte werden zunächst für fünf Jahre in den Niederlanden präsentiert, im September kommt die aktuell in der Flugwerft Schleißheim beheimatete "Fokker D.VII" ins Militärmuseum in Soesterberg.

Unter der Tarnlackierung wurde auch eine Plakette mit der Aufschrift "D.28 13.9.34" gefunden.
Unter der Tarnlackierung wurde auch eine Plakette mit der Aufschrift "D.28 13.9.34" gefunden. © Deutsches Museum/Dennis Mitschke

"Die Kennzeichnung belegt eindeutig, dass es sich um ein ehemaliges Flugzeug der niederländischen Marineflieger handelt", sagt Bernhard Wörrle, Provenienzforscher am Deutschen Museum. Welches das sei, "ist für eine dauerhafte Rückgabe eine entscheidende Frage", sagt Wörrle.

"Es könnte es sich um einen möglichen Restitutionsfall handeln"

Von der großen unter der Tarnfarbe sichtbar gewordenen weißen Kennung seien nur ein "D" und der untere Teil einer "2" eindeutig erkennbar. Von einer zweiten Ziffer sei nur der untere Rest erhalten. Es könnte eine 0, eine 6 oder eine 8 sein.

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Gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden hat Wörrle den Angaben zufolge herausgefunden, dass die Maschine mit der Kennung "D 28" 1937 dem Königlich Niederländischen Luftfahrtverband als Exponat für ein geplantes Nationales Luftfahrtmuseum überlassen wurde. "Wäre unsere Fokker diese Maschine, könnte es sich um einen möglichen Restitutionsfall handeln", sagt Bernhard Wörrle.

"Das Flugzeug sollte ursprünglich wohl ein Geschenk für Hermann Göring werden"

Bei weiteren Untersuchungen auf drei Verkleidungsblechen fanden sich Plaketten mit der Inschrift "D 28" gefunden. "Allerdings lassen sich diese Abdeckbleche unter Umständen auch austauschen", gibt Andreas Hempfer zu bedenken.

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Nachträglich wurde das Flugzeug auch wieder auf eine Motorisierung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs umgerüstet. Für Wörrle bedeutet das: "Egal, ob es die D 20 oder die D 28 ist – die komplette Vorderpartie ist nicht original und stammt von mindestens einem weiteren Flugzeug."

Warum die Maschine umgebaut wurde, dafür wurde bei den Recherchen in niederländischen Geheimdienstunterlagen folgende mögliche Erklärung gefunden: "Das Flugzeug sollte ursprünglich wohl ein Geschenk für Hermann Göring werden." Und dafür sollte die Maschine wie eine deutsche D.VII aus der Zeit des Ersten Weltkriegs aussehen.

Gemeinsame Detektivarbeit von niederländischen und deutschen Forschern geht weiter

Später war das Flugzeug dann wohl für ein von Göring in Berlin geplantes NS-Luftwaffenmuseum vorgesehen. Doch wurde das Flugzeug von den deutschen Besatzern zuvor tatsächlich beschlagnahmt respektive geraubt?

Treffen in der Flugwerft mit dem Projektteam aus den Niederlanden – von links: Marisa Pamplona, Konservierungswissenschaftlerin am Deutschen Museum, Jeroen Jazet vom niederländischen Dokumentarfilmteam, Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt am Deutschen Museum, Alfred Staarman, Kurator am Militärmuseum Soesterberg, Bernhard Wörrle, Provenienzforscher am Deutschen Museum, ein weiterer Mitarbeiter des niederländischen Dokumentarfilmteams, Clarimma Sessa und Eva Mariasole Angelin von der TUM School of Engineering and Design in Garching.
Treffen in der Flugwerft mit dem Projektteam aus den Niederlanden – von links: Marisa Pamplona, Konservierungswissenschaftlerin am Deutschen Museum, Jeroen Jazet vom niederländischen Dokumentarfilmteam, Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt am Deutschen Museum, Alfred Staarman, Kurator am Militärmuseum Soesterberg, Bernhard Wörrle, Provenienzforscher am Deutschen Museum, ein weiterer Mitarbeiter des niederländischen Dokumentarfilmteams, Clarimma Sessa und Eva Mariasole Angelin von der TUM School of Engineering and Design in Garching. © Deutsches Museum

"Falls es sich um die D 28 handelt, könnte es auch sein, dass die Spitzen der niederländischen Luftfahrt das Museumsflugzeug damals den Deutschen freiwillig überlassen haben, um sich mit den neuen Herren gut zu stellen", sagt Wörrle. Sollte es die D 20 sein, wäre der Fall deutlich weniger brisant: Die war damals nämlich kein Museumsstück, sondern nur noch ausgemusterter Flugzeugschrott.

"Es ist auch fraglich, ob sich der Fall jemals ganz klären lässt. Trotzdem wollten wir nicht einfach nichts tun und die D.VII mit ihrer fragwürdigen Herkunft so in der Flugwerft stehen lassen", sagt Wörrle. Die gemeinsame Detektivarbeit von niederländischen und deutschen Forschern geht derweil weiter.

"Das ist ein ganz hervorragender Kompromiss", findet Wolfgang Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums: "So können wir trotz der schwierigen Datenlage unserer Verantwortung im Umgang mit der Vergangenheit gerecht werden."

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