Flughafen-Chef Kerkloh: "Die Startbahn ist wie Ribéry"
Flughafenchef Kerkloh erklärt im AZ-Interview, warum die dritte Startbahn für die Stadt so wichtig ist wie der französische Fußballstar für den FC Bayern. Und er verrät, dass er ohne Fluglärm nervös wird.
AZ: Herr Kerkloh, wie man hört, lässt Sie die Startbahn-Debatte so verzweifeln, dass Sie mittlerweile schon in China bauen wollen.
Michael Kerkloh: Ich bin manchmal irritiert, aber nicht verzweifelt.
Aber Sie haben sich kürzlich in China umgesehen.
In China schauen wir uns jedes Jahr um. Wir haben schon seit Längerem eine Partnerschaft mit dem Flughafen Peking, das ist einer unserer fünf Schwester-Airports. Der hat auch drei Start- und Landebahnen. Das finde ich natürlich sehr interessant. Die haben genau das Runway-System, das wir auch haben wollen – und bauen jetzt sogar einen zweiten Flughafen.
Das geht da natürlich einfach, so ohne Protestbewegungen wie AufgeMUCkt ...
In Peking gibt es, so sagte man uns, kaum Widerstand, weil die Leute sehen, dass der Flughafen für sie einen höheren Lebensstandard bedeutet. Außerdem haben wir in Deutschland eine Demokratie, Gott sei Dank. Ich durfte mir als erster Ausländer das Baugebiet anschauen. Es gibt natürlich einige Dörfer, die abgesiedelt werden müssen. In München war das beim Flughafenbau bei dem Dorf Franzheim ja genauso. Es wäre sicher gut, wenn die Chinesen uns als Berater an Bord holen.
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Wenn in München nichts vorwärts geht, wollen Sie also wenigstens dabei sein, wenn in Peking was passiert.
In München geht viel vorwärts. Das Satellitenterminal, das wir nächstes Jahr in Betrieb nehmen wollen, das hat die Kapazität des Kölner Flughafens, also zirka elf Millionen Passagiere. Das soll das beste Terminal werden, das es in Europa gibt. Es wird eine kleine Maximilianstraße geben, einen kleinen Viktualienmarkt. Ich möchte nicht, dass unser Flughafen aussieht wie jeder andere, der soll schon eine spezielle Münchner Note haben.
Jetzt haben Sie also bald ein drittes Terminal, aber keine Startbahn dazu.
Mittelfristig würde uns die Startbahn dazu fehlen, das stimmt. Wir können halt nur eine bestimmte Zahl von Flügen am Tag abwickeln. Und es gibt Stoßzeiten, da sind wir einfach voll. Da hilft auch der Hinweis nicht, dass zu anderen Zeiten noch Kapazitäten frei sind. Im Berufsleben kann man ja auch nicht sagen: In der Früh sind die Straßen verstopft, ich komme einfach erst um halb zwölf.
Beim Flugaufkommen hat der Flughafen gerade aber wieder ein leichtes Minus gemacht.
Das liegt daran, dass die Flugzeuge größer geworden sind. Das hatte den Effekt, dass wir mehr Fluggäste hatten, aber weniger Flugbewegungen. Dieser Trend ist allerdings zu Ende, weil diese neuen Flugzeuge jetzt viele Jahre im Einsatz sein werden. Generell gilt: Es gibt mehr Flüge. Und immer mehr Menschen können es sich leisten zu fliegen.
Wird die Germanwings-Katastrophe daran etwas ändern?
Glaube ich nicht. Es gab ja immer wieder schreckliche Ereignisse. Auf den Trend, das Flugzeug zu benutzen, hat das aber keine Auswirkungen. Das Flugzeug ist mit weitem Abstand immer noch das sicherste Verkehrsmittel.
Wie geht es also weiter bei der dritten Startbahn?
Wir sind uns mit unseren Gesellschaftern einig, die nächsten Monate abzuwarten, bis Jahresende womöglich, dann dürften auch die letzten Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden sein. Wenn die Richter das Baurecht bestätigen, dann ist eigentlich alles erledigt, was bei so einem Projekt erledigt werden kann. Wir haben das Baurecht, wir haben die Pläne, wir haben das Geld. Wo gibt es das schon: ein Infrastruktur-Projekt mit Geld und ohne Kosten für den Steuerzahler?
Für Sie könnte es sofort losgehen.
Wenn der Gerichtsentscheid durch ist, worauf sollen wir dann noch warten? Wir sind seit 2005 mit diesem Projekt unterwegs, da wäre es doch gut, wenn mal etwas realisiert wird. Am Ende ist es aber immer noch eine politische Entscheidung, völlig klar.
Und das heißt?
Dass unsere drei Gesellschafter entscheiden müssen. Ich kann nur sagen: Die dritte Startbahn ist ein Zukunftsprojekt, eine Fahrkarte für die nächsten 30 Jahre. Der Flughafen sichert Chancen auf Arbeitsplatzvielfalt, auf Zukunftsindustrien, auf private Mobilitätswünsche. München wird nicht untergehen, wenn der Flughafenausbau nicht kommt, aber die Stadt wird an Bedeutung verlieren. Wir würden eine Zukunftschance für die junge Generation vertun. Um mich geht es da nicht. Ich bin in einem Alter, in dem ich sagen könnte: Ich brauche die dritte Startbahn gar nicht. Ich bin dann ja tot.
Jetzt klingen Sie aber sehr dramatisch.
Ich will es mal mit einer Fußball-Metapher sagen: Die Startbahn ist bei uns wie Ribéry und Robben beim FC Bayern. Wenn wir die nicht kriegen, spielen wir auch noch gut mit, aber wir spielen eben nicht mehr Champions League. Momentan sind wir einer der Top-Flughäfen in Europa. Und jetzt fragen viele Leute: Muss es denn immer Champions League sein, reicht nicht auch mal Europa League? Das ist eine Debatte, die würden wir im Fußball nie führen.
Welche Argumente der Startbahn-Gegner können Sie denn noch am ehesten nachvollziehen?
Über echte Betroffenheit muss man nicht diskutieren: Wer betroffen ist, muss gegen die Startbahn sein. Die Zahl der Betroffenen ist allerdings im europäischen oder deutschen Vergleich recht klein, das sind wenige Tausende – mehr als 20 mal weniger als zum Beispiel in Frankfurt oder Berlin.
Sie haben mal von der „Republik der Nein-Sager“ gesprochen. Lag es auch daran, dass es beim Bürgerentscheid nicht geklappt hat?
Bei solchen Großprojekten gibt es natürlich immer eine gewisse Skepsis. Viele denken: Wenn wir die Startbahn verhindern, tun wir etwas fürs Weltklima – das ist ein großer Irrtum. Denn auch ohne dritte Startbahn wird weltweit kein einziges Flugzeug weniger fliegen, es fliegt dann nur woanders. Man verhindert dadurch keine einzige Tonne CO2.
Hat 2013 womöglich auch die Unterstützung aus der Wirtschaft gefehlt?
Der Bürgerentscheid hat uns eine Lektion gelehrt – und ich bin jetzt noch mal beim Fußball: Wir haben immer gedacht, wir haben eine natürliche Fankurve. Wir haben auch tatsächlich ein riesiges Fanpotenzial, nur der Mobilisierungsgrad war leider zu gering. Wir brauchen nicht nur Leute, die sich das Spiel vor dem Fernseher ansehen, wir brauchen Leute, die ins Stadion gehen.
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Wären Sie denn offen für einen weiteren, vielleicht bayernweiten, Bürgerentscheid?
Wenn die Politik das als letzten Ausweg sieht, muss man darüber reden. Aber klar ist auch, dass jemand, der in Aschaffenburg lebt und seine Flüge in Frankfurt antritt, wenig Interesse am Thema haben dürfte. Wir müssen die schweigende Mehrheit dazu bringen, sich aktiv einzubringen. Denn eines ist ja klar: Das Thema der Zukunft wird Erreichbarkeit sein. Was wir jetzt mit unseren Smartphones machen, dass wollen wir in irgendeiner Form auch analog nachleben. Die Freunde auf der ganzen Welt, die will man irgendwann auch besuchen. Und wenn wir die dritte Startbahn in München bauen, dann haben wir die nötige Infrastruktur auch gleich hier.
Das müssen Sie im Münchner Rathaus mal erzählen.
Ich kann zwar nicht verstehen, dass eine Stadt, die nicht betroffen ist, eine so skeptische Haltung einnimmt. Aber die Münchner Stadtspitze hat sich im Moment entschieden, das respektiere ich. Aber keine Haltung ist unumstößlich.
Sie wollen nun also mit Argumenten überzeugen.
Die Idee, den Flughafen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, um die Stadt zu überstimmen, ist damit vom Tisch? Die Sache lässt sich nicht formal lösen, nur politisch.
Eine Änderung der Gesellschafterstruktur ist für Sie also kein Thema?
Das ist momentan unrealistisch. Wir müssen uns jetzt eher bemühen, der Bevölkerung zu erklären, warum wir die Startbahn brauchen.
Herr Kerkloh, zum Abschluss, was wir uns schon immer gefragt haben: Wo wohnen Sie eigentlich, bekommen Sie da auch etwas vom Fluglärm mit?
Ich wohne im Ampertal, links von mir eine Flugroute, rechts von mir eine Flugroute.
Und hören Sie etwas?
Ja.
Und noch keinen Nervenzusammenbruch gehabt?
Nein, nervös werde ich nur, wenn ich mal nichts fliegen höre.
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