Flüchtlinge: OB Reiter lädt zum Runden Tisch
Nach dem Hungerstreik der Flüchtlinge am Sendlinger Tor hat Oberbürgermeister Dieter Reiter zum Runden Tisch geladen. Vertreter von Bund, Freistaat und Flüchtlingsverbänden sollen noch vor Weihnachten im Rathaus zusammenkommen.
München - Vor gut drei Wochen löste die Polizei das Flüchtlings-Camp am Sendlinger Tor auf. Mehr als 30 Asylsuchende hatten tagelang mit einem trockenen Hungerstreik gegen die Flüchtlingspolitik hierzulande demonstriert. Zum Schluss kletterten sie auf Bäume, um sich dort eine ganze kalte Nacht lang an Ästen festzuklammern, um nicht von der Polizei abgeführt zu werden. Auch aufgrund eines Gesprächs zwischen Oberbürgermeister Dieter Reiter und den Flüchtlingen vor Ort, lenkten die Baumkletterer ein und beendeten ihre Aktion von selbst. Es war der zweite Hungerstreik in München innerhalb eines Jahres.
Wie geht es weiter mit der Flüchtlingspolitik?
Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, lädt Reiter am 19.12. zum Runden Tisch im Rathaus. In einem Schreiben, das der AZ vorliegt, schildert der OB seine Sicht auf die aktuelle Flüchtlingssituation.
Dass sich Asylsuchende in München durch einen trockenen Hungerstreik bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres selbst in Lebensgefahr gebracht hätten, stimme ihn bedenklich, so Reiter in seinem Brief.
Adressiert an Politiker und Vertreter der Flüchtlingsverbände, will der OB zu einem gemeinsamen Dialog über die "Ausgestaltung der asylgesetzlichen Rahmenbedingungen" an einem Runden Tisch einladen.
Zugesagt haben bereits: Staatskanzleiminister Marcel Huber (in Vertretung für Ministerpräsident Horst Seehofer), Bürgermeisterin Christine Strobl, Sozialreferentin Brigitte Meier, EU-Parlamentarier Hannes Swoboda, Staatssekretär Florian Pronold und eine Vertreterin des Bayerischen Flüchtlingsrates.
Auch die Bundesminister Andrea Nahles (Arbeitsministerin), Thomas de Maizière (Innenminister) und Heiko Mass (Justizminister) würde Reiter gerne zu dem Gespräch im Rathaus begrüßen. Bislang hat noch keiner der Minister zugesagt.
Mit der Einladung kommt der Oberbürgermeister seinem Versprechen nach, das er nach der Auflösung des Camps am Sendlinger Tor Ende November gegeben hat: Damals sagte Reiter: "Sie (die Flüchtlinge, Anmk. d. Red.) haben ihr Ziel erreicht: nämlich eine Diskussion anzustoßen". Noch vor Weihnachten wolle er einen Runden Tisch mit allen wichtigen Vertretern organisieren, so der OB am Sendlinger Tor.
Das Schreiben von Dieter Reiter im Wortlaut:
"Sehr geehrte Frau Ministerin Nahles, sehr geehrter Herr Präsident Schulz, sehr geehrter Herr Minister de Maizière, sehr geehrter Herr Minister Maas, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer, sehr geehrter Herr Thal, sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie aus den Medienmeldungen der vergangenen Tage ersehen konnten, fand in München bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ein trockener Hungerstreik von Flüchtlingen statt, der durch das besonnene Vorgehen der Einsatzkräfte und letztlich durch meine Vermittlungsarbeit auch mit der bayerischen Sozialministerin Frau Müller beendet werden konnte, ohne dass ernsthaft Menschen zu Schaden gekommen sind.
Auch wenn ich stets betont habe, dass ein solches Handeln, bei dem sich die Menschen einer konkreten Lebensgefahr aussetzen, in keiner Weise ein geeignetes Mittel darstellt, politische Forderungen zu transportieren, stimmt es mich sehr bedenklich, dass die Verzweiflung der Einzelnen offenbar so groß ist, dass sie glauben, diese bereits wiederholt auf solche Weise thematisieren zu müssen.
Nachdem ich als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München lediglich in einem sehr begrenzten Rahmen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Flüchtlingspolitik habe, habe ich im Rahmen der Vermittlungen mit den Betroffenen angeboten, für die Herstellung eines Dialogs einzutreten, der relevante Akteure an einen Tisch bringt, um Perspektiven der Neujustierung einer Ausgestaltung der Asylgesetzgebung aufzuzeigen.
Unter Einbezug der bayerischen Landesebene, des Bundes und der Verbände sollten die Betroffenen hier die Gelegenheit erhalten, hochrangigen Vertretern der Politik ihre Sicht auf die Dinge und Verbesserungsvorschläge darstellen zu können. Ich denke, dass es an der Zeit ist, in einen solchen intensiven Dialog einzutreten, angesichts dessen, dass die weltpolitische Lage lange nicht gekannte Flüchtlingsbewegungen hervorbringt, deren Ende derzeit überhaupt nicht absehbar ist.
Die zuständigen Akteure stehen hier vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die aus meiner Sicht insofern einer Überprüfung bedarf, als dass wir uns die Frage stellen müssen, ob die Ausgestaltung der asylgesetzlichen Rahmenbedingungen auf Landesebene, im Bund sowie in Europa wirklich die zeitgemäße Antwort auf die aktuellen und kommenden Herausforderungen geben kann.
Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie bereit wären, als deutliches Signal der Dialogbereitschaft an einem solchen Gespräch teilzunehmen und sich einem offenen Meinungsaustausch zu stellen."
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