Finderglück im Eisbach: Sondengeher ortet wertvollen Siegelring
München - Zu schauen gäbe es genug an diesem Sonntagabend am Eisbach, der entlang der Nackertenwiese eigentlich Schwabinger Bach heißt. 23 Grad hat es noch gegen halb sechs Uhr. In der Wiese trainieren Athleten ihre Muskeln und schauen, ob wer schaut. Bikinimädels hopsen beim Federball herum, Pärchen flirten und knutschen, Hunde schnappen nach Stöckchen im Bach.
Trotzdem richten sich plötzlich alle Augen auf zwei Männer, die ins Wasser waten. Der eine trägt zwei Taucherbrillen, der andere einen schwarzen langen Stab mit runder Spule unten dran und ein rotes Plastikteil, das aussieht wie die Spitze eines Gartenschlauchs.
Wer das schon mal gesehen hat, weiß: Ah, ein Metalldetektor, wie Sondengeher ihn benutzen, die auf Ackerflächen oder im Wald nach alten Münzen, verstecktem Gold oder sonstwie wertvollem Metall suchen. Was wird das also? Eine Schatzsuche im Eisbach?

Schnell ins Wasser nach der Prüfung – und weg war der Ring
Stimmt! Jedenfalls könnte man das so nennen. Denn der da einigermaßen verzweifelt bis fast zur Hüfte im Wasser steht, ist der Münchner Student Livius Lambert (20), der am Freitagabend genau an dieser Stelle, ein paar Meter vom Schilf am Ufer, seinen Siegelring verloren hat.
"Wir hatten gerade eine Jura-Prüfung hinter uns", erzählt er der AZ, "und wollten uns bloß kurz hier abfrischen". Kaum war seine Hand ins kalte Wasser eingetaucht, flutschte der Ring weg und versank irgendwo zwischen den Steinen, nicht mehr auffindbar.
Das Drama dahinter: Es ist gerade mal ein Vierteljahr her, dass Livius' Tante Mira ihm den langgehegten Wunsch erfüllt und diesen Goldring beim Juwelier hat anfertigen lassen. In den grünen Heliotrop-Edelstein sind die Initialen des Studenten eingraviert, zusammen mit einem Löwen – seinem Sternzeichen.
"Wir haben gar keine Siegelringe in der Familie", sagt Livius, "ich hatte mir deshalb genau so ein Schmuckstück gewünscht, das ich in der Familie mal weitervererben kann".
Tief bekümmert sucht er also nach einem Sondengeher mit Metalldetektor, der Zeit hat, zu kommen – und wird zwei Tage später bei den "Ringjägern" fündig, das sind etwa ein Dutzend Profis, die deutschlandweit ehrenamtlich ausrücken, wenn Hilfe gebraucht wird. In der Nähe von Ulm setzt sich Peter Bäumler ins Auto und eilt nach München.
Jetzt kniet also Bäumler mit Livius im 17 Grad kühlen Wasser, was nicht leicht ist. An die acht Meter breit ist der Eisbach hier, knapp hüfttief, und die Strömung in der Bachmitte reißt einen ganz schön mit. "Ich bin ziemlich sicher, dass der Ring halbwegs senkrecht auf den Bachboden gefallen ist", sagt der Sondengeher. "Weiter als ein, zwei Meter weg von der Stelle, wo er verloren gegangen ist, ist der nicht."

Klingt einfacher, als es dann ist. Immer wieder schlägt der Metalldetektor an, ein "Minelab Equinox 800", wie man hier lernen kann, der von Alu über Kupfer, Bronze, Zink und Eisen quasi alles finden kann, was nicht allzu tief im Boden steckt. Immer wieder tauchen die Zwei samt Taucherbrillen unter, finden Münzen, Dosenlaschen, Scherben.

Fünf Kronkorken, einen Silberring, ein Zehnerl und eine rostige Zwei-Euro-Münze später sind ihre Wadl blau gefroren, beide bibbern. Wurscht, weiter geht's. Bis es finster wird, lassen sie nicht locker. Dann nimmt Livius seinen neuen Sonden-Spezl mit heim in die WG, kredenzt ein Abendessen und bietet das Gästesofa zum Übernachten an. Bäumler mag nämlich nicht aufgeben.
"Ich will das Ding finden", sagt er, "ich weiß ja, dass es da ist, vorher fahr ich nicht heim", er habe da eben einen Jagdtrieb und die Erfahrung: Zehn Mal ausrücken heißt sieben Mal fündig werden.
Gut so. Weil am Montagmorgen, noch ganz ohne Badegäste, das Eisbachwasser ganz klar und schillernd dahinfließt an der Suchstelle. Weil die Sonde anschlägt. Weil Bäumler den Siegelring dann auch mit bloßem Auge sieht. Grinsend taucht er auf, Livius entgleitet schier die Mimik vor lauter Glück und Erleichterung.

Da ist er ja wieder, Tante Miras Ring. Jetzt kann er getrost die Geschichte daheim erzählen und hat sogar noch eine hübsche Anekdote für die Kinder und Enkel, die den Siegelring vielleicht mal erben werden. "Mir fällt echt ein Stein vom Herzen", sagt er dann und fällt seinem Suchhelfer dankbar in die Arme. Wer mehr strahlt, der Sucher oder der Wiederfinder, schwer zu sagen.

Wer sind die "Ringjäger"? Schatzsucher, die zu Hilfe eilen
In Bayern dürfte es mehrere Hundert Sondengeher geben, die auf freiem Feld, im Wald, Wasser oder auch in Gärten nach Metallen suchen – ein Hobby, das seit der Pandemie immer beliebter geworden ist. Einige Gruppen bieten Such-Services auch kommerziell an.
Die "Ringjäger" allerdings sind eine kleine Gruppe von Hobby-Schatzsuchern, die "aus Leidenschaft fürs Suchen und Finden" ehrenamtlich und deutschlandweit dabei helfen, Verlorenes wieder zu finden. "Sollte der Verlustort im Wasser bei einer Tiefe von über 1,50 Metern liegen, haben wir auch ausgebildete Taucher unter uns – somit ist auch dort die Hoffnung noch nicht verloren", erklärt Gründer Steven Kutzbach. Man helfe auch, Strände, Koppeln, Rodelbahnen und Festwiesen zu reinigen. Auch, wer einen möglicherweise versteckten Familienschatz sucht, kann sich an die Ringjäger wenden. Die Erfolgsquote liege bei 85 Prozent.
Mehr Infos gibt es unter: ringjaeger.de | Tel. 0170 653 09 17| Mail: Ringjaeger-de@gmx.de
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