Feuerdrama in Giesing: "Wir hörten ihre Schreie"
Feuerdrama in München. Beim Brand eines Wohnhauses kam eine 88 Jahre alte Frau ums Leben. Mehrere Bewohner waren zunächst in dem Haus eingeschlossen.
München - Christa S. (41) steht am Sonntagvormittag vor dem Mietshaus in der Waldeckstraße 22 in Untergiesing. Sie ist die Nachbarin – und immer noch fassungslos. „Man sah nur noch Flammen. Sie schlugen aus den Fenstern im ersten Stock bis hinauf in den dritten. Es war beängstigend! Mir war klar, dass aus der unteren Wohnung niemand mehr lebend hinaus kommen würde.“
Gegen halb vier in der Früh war Christa S. durch die Sirenen der Feuerwehr aus dem Schlaf geschreckt worden.
Aus dem brennenden Haus rannten Menschen in ihren Schlafanzügen auf die Straße, um ihr Leben zu retten. 16 Feuerwehrwagen mit insgesamt 60 Rettern rasten zum Einsatzort, außerdem zahlreiche Krankenwagen.
Ein Feuerwehrmann fasst es später in einem Satz zusammen: „Das war ein extrem heftiger Wohnungsbrand!“ Ein Rätsel ist den Helfern, warum die Flammen etwa eine halbe Stunde völlig ungehindert wüten konnten, bevor sie bemerkt wurden.
Als die Retter eintrafen, loderten die Flammen meterhoch aus Friede B.s Wohnung im ersten Stock. Die 88-Jährige soll gehbehindert gewesen sein. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Das Feuer war in ihrem Gang ausgebrochen.
Vermutlich war die Frau im Rauch erstickt, bevor die Flammen kamen. Ihre Leiche wurde in der Küche gefunden.
Auch ihre Nachbarn im Haus schwebten in akuter Lebensgefahr. Das Feuer breitete sich in dem in den 1930er Jahren mit Holzdecken und Fehlböden gebauten Haus rasend schnell aus. Innerhalb kurzer Zeit war das Treppenhaus voller Qualm. In den oberen Stockwerken konnten sich Familien nicht mehr allein in Sicherheit bringen, der Hauptfluchtweg war abgeschnitten.
„Ich hörte ihre Schreie!“, berichtet die Griechin Eleni Cristaki (30), die ein paar Häuser entfernt wohnt. Sie hatte aufgeschreckt durch den Lärm in Fenster geöffnet, um nachzuschauen, was passiert war.
Außer Friede B. hatten noch 14 Menschen in dem Haus geschlafen, darunter ein sechsjähriges Mädchen und ein zwölfjähriger Bub. Die Feuerwehrmänner brachten einige Bewohner noch mit Hilfe von Spezialhauben, die vor dem giftigen Qualm schützen, durchs Treppenhaus in Sicherheit. Die anderen – darunter die beiden Kinder – mussten mit Drehleitern aus luftiger Höhe gerettet werden.
Sieben Hausbewohner erlitten leichte Rauchverletzungen. Sie wurden in verschiedene Kliniken gebracht.
Die Feuerwehr schätzt den Schaden in dem gesperrten und bis auf weiteres unbewohnbaren Gebäude auf mindestens 300<TH>000 Euro. Erst vor wenigen Monaten war die Fassade neu isoliert worden.
Die Brandursache ist noch unklar. Heute soll ein Experte des Landeskriminalamtes eingeschaltet werden.
Am Sonntagvormittag sind Feuerwehrmänner noch immer damit beschäftigt, letzte Glutnester zu löschen. Die Fassade des Gebäudes ist rußgeschwärzt, auf dem Gehweg vor dem Haus liegen die Splitter der geplatzten Scheiben.
Aus der Wohnung von Friede B. werfen Feuerwehrmänner verkohlte Gegenstände in einen Container: Möbelstücke und Holzbalken, aber auch persönliche Gegenstände wie eine goldfarbene Pyjamahose oder angekokelte Gedichtbänder – Überbleibsel eines langen Lebens, das auf brutale Weise ausgelöscht wurde.
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