Fetisch-Trend setzt sich durch: Profi enthüllt, worauf Münchner gerade immer öfter stehen

München - Lack, Leder, Lust und Fesselspiele: Drei Tage lang lockt Europas größte Fessel- und Fetisch-Messe BoundCon ab Freitag bis zu 10.000 Fans nach München. Die können im Zenith bei 100 Ausstellern die neuesten Erotikspielereien bewundern, von Schmuck über SM-Literatur bis Latexklamotten.
Auch das Publikum selbst ist eine Schau in viel Lederkluft und nackter Haut. Und auf den Bühnen finden allerlei Fetisch-Shows statt. Das große Thema ist Bondage. Was hat es damit auf sich? Die AZ hat den Münchner Bondage-Künstler und Buchautor mit dem Szenenamen Bas Spacewalk gefragt.
AZ: Bas Spacewalk, was genau ist Bondage?
BAS SPACEWALK: Die erotische Kunst des Fesselns mit Seil, die aus Japan inspiriert ist und immer mehr Einzug in Europa findet, auch in Deutschland. Der Partner wird dabei mit Jute- oder Hanfseilen gebunden und so Schritt für Schritt in eine andere Welt entführt. Es geht dabei um sinnliche Stimulation, aber auch um Ästhetik, Konzentration, bis hin zu einem Trancezustand.
Auch in München nimmt der Andrang zu Bondage-Workshops zu. In wie vielen Wohnungen wird wohl gefesselt?
Die Zahl dürfte in München inzwischen deutlich vierstellig sein. Viele lassen sich vom japanischen Fesseln, dem Shibari, anregen. Andere finden durch Messen dazu oder über jemanden, der jemanden kennt. Es werden jedenfalls immer mehr.

Wie erklären Sie sich den Trend?
Fesseln bietet eine sehr direkte Art, sich vom Alltag zu befreien. Wie bei der Yoga-Welle vor ein paar Jahren entdecken vor allem immer mehr Frauen nun Bondage. Auf Social Media gibt es außerdem viele ästhetische Fesselbilder, die neugierig machen. Und die Zahl der Workshopangebote steigt, genau wie beim Pole-Dance-Trend.
Durchgemischtes Publikum bei Bondage-Workshops
Was sind das für Leute, die in die Workshops kommen?
Das Spektrum ist bunt gemischt, vom verliebten Pärchen um die 20 Jahre, das sich den Kurs zum Geburtstag geschenkt hat über neugierige Ehepaare bis zu 70-jährigen Freundinnen. Oft ist es so, dass sich Frauen von Männern fesseln lassen. Es gibt aber auch jede andere Konstellation. Erstmal suchen die Teilnehmer einen Einstieg ins Fesseln. Später geht es um weiterführende Techniken.
Sich gefesselt und wehrlos jemandem auszuliefern – was ist der Reiz daran?
Ein wesentlicher Aspekt ist, für eine festgelegte Zeit und einvernehmlich die Kontrolle abzugeben und damit die Möglichkeit zu haben, ganz im Moment und bei sich zu sein. Frei von allem Müssen.
Schmerz gehört aber doch auch zum Fesselspiel, mindestens den muss man doch aushalten?
Man arbeitet nicht zwingend mit Schmerz, eher mit Druck, ich nenne das Impact. Und es bestimmt immer der, der gefesselt wird, wie viel er spüren will. Man vereinbart dazu vorher ein Signalwort, das Stopp bedeutet – und das gilt dann auch verlässlich.
Umgekehrt, was reizt den oder diejenige, die eine andere Person fesselt?
Das Schöne ist, dieses Vertrauen geschenkt zu bekommen. Die Hingabe des Partners oder der Partnerin. Und so diese starke emotionale Wechselwirkung zu erleben.
Wer Bondage ausüben möchte, sollte einige Kenntnisse mitbringen
In Ihrem Buch zeigen Sie, dass Bondage auch vollbekleidet und ohne Sex stattfinden kann.
Ja, natürlich. Fesseln kann man auch jemanden, der angezogen ist und ohne sexuelle Komponente. Eine gewisse Erotik haben Fesselbegegnungen aber eigentlich immer, allein schon durch die körperliche Nähe.

Sie nennen Fesseln ein "Handwerk". Was muss man lernen, damit eine Session gelingt?
Seinen Partner zu spüren ist die wichtigste Basis. Dazu kommt ein praktischer Umgang mit dem Seil, den Techniken und Möglichkeiten. Beide Partner sollten sich selbst auch gut kennen und wahrnehmen können, dann gelingt auch die Kommunikation mit dem Seil.
Fesseln und gefesselt werden: Welche Risiken es beim Bondage gibt
Ganz ungefährlich ist das Fesseln nicht, was sind die Risiken?
Das größte Risiko ist, dass man mit dem Seil zu hohen Druck ausübt und Nerven verletzt. Auch Abschürfungen auf der Haut sollten nicht passieren. Für Anfänger reicht es deshalb nicht, ein Buch zu lesen oder Lehrvideos zu schauen. Man sollte unbedingt Workshops besuchen, um die wichtigsten Regeln und Risiken kennenzulernen.
Wie lang dauert eine Session in der Regel?
Zwischen einer Stunde und zwei. Wenn man die Vorbesprechungen und die Aftercare, also das Kümmern umeinander danach, dazuzählt, auch mal drei, vier Stunden.
Wie viele Knoten muss man als Anfänger lernen?
Mit einem einfachen Basisknoten kann man schon viel spielerisch umsetzen. Könner arbeiten im Lauf der Jahre aber mit vielen komplexen Fesselungen, etwa nur für den Oberkörper, die Beine oder den ganzen Körper.
Die internationale Bondage- und Fetisch-Messe BoundCon findet von 9. - 11. Juni im Zenith statt (Lilienthalallee 29), Fr 14-23 Uhr, Sa 12-23 Uhr, So 12-18 Uhr.
AZ-Interview mit Bas Spacewalk: Der Münchner Wirtschaftsingenieur und Fessel-Profi (48) ist seit über fünfzehn Jahren in der BDSM-Szene aktiv. Sein Buch "Mein Bondage" stellt er nun erstmals auf der Messe BoundCon vor.