Feiern trotz Tanzverbot in München: Das sind die absurden Auflagen der Stadt

Mit dem Osterwochenende kommt auch wieder das Tanzverbot. Einige Clubs veranstalten trotzdem Partys und Konzerte, müssen dafür aber eigenartige Auflagen befolgen.
Jan Krattiger
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Tanzen und Feiern im Club: An Stillen Feiertagen eigentlich verboten. (Symbolbild)
Tanzen und Feiern im Club: An Stillen Feiertagen eigentlich verboten. (Symbolbild) © picture alliance/dpa

München - Es ist nicht nur eine Glaubensfrage, sondern auch eine der Wirtschaft: Gerade größeren Clubs in München entgehen durch die acht stillen Feiertage in Bayern auch wertvolle Einnahmen. Meistens sind die stillen Feiertage an Wochenenden (bspw. der Karfreitag) – und eben an Feiertagen, wo viele frei und damit Zeit haben. 

Feiern trotz Tanzverbot: Das sind die absurden Auflagen der Stadt

Der Protest gegen das Gesetz, das an einigen hohen christlichen Feiertagen das Tanzen verbietet, nimmt von Jahr zu Jahr zu. In München organisiert der Bund für Geistesfreiheit jetzt um das Osterwochenende herum insgesamt sieben Veranstaltungen, die trotz Tanzverbot stattfinden werden.

Das geht, weil sie extra beim Kreisverwaltungsreferat beantragt wurden – und wenn die Veranstalter folgende Auflagen befolgen: 

  • Zu Beginn der Veranstaltung muss der Bund für Geistesfreiheit fünf Minuten lang eine Einführung geben.
  • Während der Veranstaltung muss alle 90 Minuten eine Durchsage erfolgen, die auf den besonderen Charakter dieser Veranstaltung hinweist. 

Veranstalter über Regeln zum Tanzverbot: "Es ist zum Schreien" 

So erzählt es Oliver Kaye vom "Import Export" im Münchner Kreativquartier auf AZ-Anfrage. Kaye und seine Mitstreiter ärgern sich schon lange über das bayerische Gesetz. Es sei eine "reaktionäre Aufrechterhaltung einer uralten Regel".

Er fragt sich außerdem, von wie vielen Menschen man da wirklich noch spricht, die die stillen Feiertage aus glaubensgründen begehen. Und wünscht sich in der aktuellen Situation, dass man mehr auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort achten würde. Das "Import Export" zum Beispiel ist umgeben von Ateliers, Bühnen und anderen kreativ genutzten Orten, wo kein Mensch weit und breit sich von allzu ausgelassen feiernden Menschen gestört fühlen könnte.

"Es ist zum Schreien", so Kaye. "Einem ganzen Betrieb, obendrauf einer Band und etwa 200 Gästen wird einfach etwas verboten". 

Feiern am Karfreitag in München: Sieben Veranstaltungen angemeldet

Außer eben jetzt ausnahmsweise am Karfreitag, 7. April: Da gibt es im "Import Export" eine Kooperationsveranstaltung mit dem Bund für Geistesfreiheit, der die Veranstaltung verantwortet: Das italienische "Rhabdomantic Orchestra" spielt eine Mischung aus Afrobeat, Spiritual Jazz und Salsa, danach legt der DJ Booty Carell auf – alles eben unterteilt in 90-minütige Einheiten, dazwischen muss KVR-auflagenkonform eine Durchsage erfolgen. 

Trotz dieser Auflagen aber, die wegen der aktuell geltenden Gesetze nötig sind, sei das KVR "ausgesprochen kooperativ und sehr engagiert" gewesen, sagt Assunta Tammeleo vom Bund für Geistesfreiheit. Bei den ersten Veranstaltungen 2017 sei das noch anders gewesen: Da waren Zivilpolizisten im Publikum und ein Streifenwagen vor der Tür. 

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Bund für Geistesfreiheit: "Unbenommen, wer nicht feiern möchte"

Tammeleo ist es auch wichtig zu betonen, dass diese Veranstaltungen nicht gegen gläubige Menschen gerichtet seien: "Wer an diesem Tag nicht feiern möchte: unbenommen", sagt sie. Es könne aber nicht sein, dass andere Menschen, die diesen Glauben nicht teilen, dazu gezwungen werden. "Das lässt sich mit einem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbaren", sagt sie. 

Dieser demokratische Rechtsstaat macht aktuell auch einen Unterschied zwischen verschiedenen Musikgenres: Klassische Konzerte sind laut Webseite der Stadt "meist problemlos durchführbar", "eher nicht geduldet" werden Metal- oder Hardrock-Konzerte. Bei Pop, Jazz und Schlager "kommt es auf das gespielte Repertoire an". 

Am kommenden Karfreitag ist – dank Veranstaltungen des Bundes für Geistesfreiheit, einiges geboten: In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag gibt es einen "Heiden-Rave" in der Nachtgalerie und eine "Heidenspaß-Party" in der The Keg Bar. Am Karfreitagabend eine Elektro-/Hiphop-Party im Unter Deck, Karaoke im Yokocho, nochmal einen "Heiden-Rave" in der Nachtgalerie und die Party in der The Keg Bar.

Gründonnerstag auf der Theresienwiese: Demo gegen Tanzverbot

Am Gründonnerstag wird es bereits am Nachmittag laut: Für 16 Uhr rufen nämlich Münchner Kollektive rund um "RaveStreamRadio" zur Demonstration gegen das Tanzverbot auf. Die zieht von dort zur Nachtgalerie, wo um 18 Uhr die Abschlusskundgebung stattfindet. 

"Nur noch 35 Prozent der Bevölkerung" sind laut den Organisatoren noch Anhänger der beiden großen christlichen Religionen. "Es kann nicht sein, dass aus Rücksicht auf diese Minderheit der Großteil der Bürger nicht feiern darf", schreiben sie in einer Mitteilung. "Junge Menschen müssen die Chance haben, sich auch musikalisch ausleben zu dürfen. Ein Tanzverbot schränkt dies massiv ein". 

Münchner Kulturveranstalter, Clubbetreiber und auch die bayerischen Grünen fordern mit der Demonstration die Staatsregierung auf, das Tanzverbot abzuschaffen. 

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  • Kersti1410 am 06.04.2023 20:01 Uhr / Bewertung:

    Wenn also 65% nicht gläubig sind und keiner der christlichen Religionen angehören, dann wäre ich dafür, dass diese 65 % am Karfreitag (Kreuzigung Christi!) und Ostermontag ganz normal in die Arbeit gehen - dann können sie abends auch ganz normal feiern! Die Annehmlichkeiten der christlichen Feiertage (arbeitsfrei) möchte schon jeder nehmen - aber dafür die Füße still halten, wenn Gläubige innehalten - das ist ihnen zu viel! Alle konfessionslosen aus der Kirche ausgetretenen sollten arbeiten gehen, denn sie glauben ja eh an nichts, wofür diese Feiertage stehen. Es gibt wohl Länder, in denen jedem 10 Tage im Jahr zugestanden wird, wichtige Tage seines Glaubens frei zu nehmen, z.B. für Weihachten, Ramadan etc. Wer an nichts glaubt, hat dann eben nicht frei. So wäre es doch konsequent, oder?

  • Candid am 06.04.2023 21:23 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kersti1410

    Auf jedem Fall konsequent und sinnvoll.
    In meinem Bekanntenkreis ist auch einer, der sich furchtbar aufgeregt über christliche Bräuche; wie u.a. das Tanzverbot am Karfreitag.

    Den bezahlen Urlaubstag nimmt er aber gerne an; auch das Weihnachtsgeld hat er noch nie abgelehnt.

  • Gisi2020 am 06.04.2023 16:09 Uhr / Bewertung:

    In einer anderen Kirchengemeinde war das in einer Katholisch geprägten Ecke Bayerns 1956 möglich (Ehegatte evangelisch Ehefrau Katholisch Ort: Wallfahrtsort Basilika Vierzehnheiligen) Der Wohnort war woanders grinsen

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