Fassungslosigkeit im Heimatort von Dominik B.: „Er hasste Ungerechtigkeit“
Das Entsetzen ist groß. Die Menschen in Ergoldsbach sind fassungslos angesichts des tragischen Tods von Dominik B. Der 50-jährige Geschäftsmann beschützte vier Teenager vor üblen Rowdys und bezahlte mit dem Leben.
„Dominik war ein sehr hilfsbereiter Mensch, der Ungerechtigkeit nicht ausstehen konnte“, sagt Ludwig Gruber, Allgemeinmediziner und seit vielen Jahren ein enger Freund von Dominik B. „Er war sportlich, ging gerne zum Joggen und wusste sich auch zu wehren“, erzählt der Arzt: „Doch was nützt das bei solchen Typen?“
Dominik B. war am Samstagnachmittag mit der S-Bahn auf dem Weg nach Solln, wo er eine Wochenendwohnung hatte. Im Zug beobachtete er, wie Markus Sch. (18) und Sebastian L. (17), vier Teenager tyrannisierten und Geld von ihnen zu erpressen versuchten. Dominik B. stellte sich schützend vor die Kinder.
„Das passt zu ihm", sagen viele in Ergoldsbach und bewundern den Mut des 50-Jährigen. „Ich hätte mich das nicht getraut, in so einer Situation einzugreifen", heißt es unumwunden. Ergoldsbach ist ein ruhiger Ort. Verbrechen kennt man höchstens aus den Nachrichten. Vor gut zwei Jahren gab es auf dem Volksfest eine Messerstecherei. Dabei wurde ein Mensch so schwer verletzt, dass er wenig später starb. Es war das letzte Mal, dass sich die Ergoldsbacher mit so einem schrecklichen Verbrechen konfrontiert sahen – bis zum Wochenende.
Was viele Einheimische schockiert, ist die unglaubliche Brutalität, mit der die beiden Täter von München zuschlugen. „Auf einen Wehrlosen eintreten, der bereits am Boden liegt, ist eine echte Sauerei“, sagt ein Mitarbeiter der Erlus-Werke.
Die Firma, die Dachziegel und Kaminelemente herstellt, ist der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Der Vater von Dominik B. hat das Unternehmen groß gemacht. Noch heute ist Oscar B. Aufsichtsratschef des Unternehmens. Mit seiner Frau wohnt er in einer Villa gleich neben der alten Ziegelei in Ergoldsbach.
Sein Sohn war erst vor wenigen Monaten in eine Villa schräg gegenüber eingezogen. „Seine Eltern sind über 80. Er wollte in ihrer Nähe sein, um sich um sie kümmern zu können", erzählt Ludwig Gruber.
Dominik B., der wie sein Vater in München Jura studiert hat, wollte ganz zurück nach Ergolsbach ziehen. Seine Freundin, Claudia M. wohnt nur ein paar Kilometer entfernt in Neufahrn (Niederbayern). Das Paar hatte eine glückliche und unbeschwerte Zukunft vor sich.
Doch dann lief Dominik B. am Samstag den beiden Schlägern über den Weg. Für die Eltern ist der Tod ihres Sohnes ein fürchterlicher Schlag. „Haben Sie Verständnis, wenn wir momentan mit niemanden darüber sprechen können“, sagen sie am Telefon. Auch Claudia M. ist derzeit für niemanden erreichbar – zu groß ist die Trauer.
„Wir konnten es erst gar nicht glauben, dass er tot ist“, erzählt Stefan Anzinger. Der Dorfpfarrer von Ergoldsbach erfuhr von dem Verbrechen bei einem Spaziergang nach dem Gottesdienst. „Vielen im Dorf hat schlagartig das Mittagessen nicht mehr geschmeckt, als die Nachricht die Runde machte“, erzählt der Geistliche. Die Trauer in der Gemeinde ist groß. „Wir werden der Familie helfen und sie in diesen schweren Stunden begleiten“, sagt der Pfarrer. Dominik B. war zwar bereits 1995 aus der Kirche ausgetreten, doch er und seine Familie engagierten sich trotzdem weiter im Ort. Jedes Jahr machte die Firma eine großzügige Spende für die Caritas und anderen wohltätige Organisationen.
„Er war jemand, der einfach nie wegschauen konnte“, erinnert sich Gabriel Sieben. Er und seine Schwester Anna waren eng mit Dominik B. befreundet. Für die Kinder seiner Schwester war er der „Ehrenonkel“. „Sie haben ihn einfach ,Unseren Onkel Nik’ genannt“, erzählt Sieben. Dominik B. selbst hatte keine Kinder. Tessa und Elina, die Töchter seiner Freundin, liebte er jedoch wie seine eigenen. Davon zeugt auch das Bild, das Gabriel Sieben an den Tatort an der S-Bahnstation Solln gelegt hat. Es zeigt Dominik B., in den Armen hält er Tessa und Elina. Es ist ein Foto aus glücklichen Tagen. „Ich wollte, dass die Trauer mit diesem Bild ein Gesicht bekommt“, sagt Sieben.
Im Rathaus von Ergolsbach berät man, wie man das tapfere Verhalten von Dominik B. würdigen kann. „Ein Datum für eine Trauerfeier steht allerdings noch nicht fest“, sagt Bürgermeister Ludwig Robold. Auch der Termin für die Beerdigung ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft in München muss die Leiche erst noch frei geben. Anschließend wird es noch mehrere Tage dauern, die Beisetzungsfeierlichkeiten zu organisieren. Viele in Ergolsbach hoffen, dass Dominik B. auf dem Dorffriedhof seine letzte Ruhestätte finden wird. Die Familie wohnt bereits seit den 60er Jahren im Ort. „Für uns ist es Ehrensache“, betonen die Einheimischen, „dass wir die Familie bei ihrem schweren Gang begleiten und dem Toten die letzte Ehre erweisen.“
Ralph Hub
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