Fall Orhan S.: Geister-Radler kommt mit Geldstrafe davon!
Ende Mai rast ein Radler in falscher Richtung durch die Hansastraße – und Rentner Orhan S. ins Koma. Jetzt hat der Radl-Rambo einen Strafbefehl akzeptiert und muss nicht mehr vor Gericht.
München - Orhan S. (74) kann kaum sprechen, kaum gehen, seine Frau Ülkü muss sich ständig um ihn kümmern. Im Juli erwachte er aus dem Koma, seitdem ist nichts besser geworden. „Mein Vater hat sich nicht erholt“, sagt sein Sohn Cenk. „Er ist ein Pflegefall geworden.“
Für den Mann, der daran schuld ist, ist vieles besser geworden. Er muss nur 2400 Euro zahlen. Und darf sein Leben weiterleben.
Am 30. Mai gegen 23 Uhr war Orhan S. auf der Hansastraße vom Geister-Radler in der Dunkelheit gerammt und schwer verletzt worden (AZ berichtete). Er erlitt Brüche am Schädel, Joch- und Stirnbein sowie eine Hirnblutung. Als der Krankenwagen kam, floh der 30-Jährige. Er stellte sich erst eine Woche später.
Der pensionierte Grundschullehrer lag sechs Wochen im Koma, wurde mehrmals operiert. Ende Juli wachte Orhan S. endlich auf – und war fortan halb blind, stumm und ans Bett gefesselt. Nach zwei Monaten in einer Spezialklinik durfte er im Oktober heim ins Westend. Sein Zustand aber hat sich kaum gebessert: „Sprechen, gehen, sehen, das geht alles nur halb-halb“, sagt sein Sohn. Auf dem linken Auge könne er noch immer nicht sehen. „Davon bekommt er Schwindelanfälle.“
Den Mann, der das zu verantworten hat, braucht das nicht mehr zu kümmern – jedenfalls rechtlich gesehen. Wie die AZ erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft auf ein Strafverfahren verzichtet – gegen die Zahlung einer Geldstrafe. 2400 Euro hat der 30-Jährige aus Laim gezahlt – 120 Tagessätze à 20 Euro. Die Summe ist so gering, weil der Mann Hartz IV bezieht, nur rund 600 Euro im Monat hat.
„Damit ist der Fall strafrechtlich erledigt“, sagt der Anwalt der Opferfamilie, Kurt Henning. „Es ging hier im Wesentlichen um fahrlässige Körperverletzung und Unfallflucht, da sind eher Geldstrafen vorgesehen.“ Der Geister-Radler sei auch Ersttäter gewesen und habe sich entschuldigt – das kam ihm zugute. „Das alles ist ein ganz normaler Vorgang“, sagt Henning: „90 Prozent solcher Unfälle werden außergerichtlich abgewickelt.“
Auch um zivilrechtliche Forderungen wie Schmerzensgeld muss er sich erstmal nicht sorgen. Anwalt Henning: „Ich stehe mit der Haftpflichtversicherung in Kontakt, die er glücklicherweise hatte.“ Die habe erste Gelder für dringend notwendige Behandlungen vorgeschossen.
Wie viel Schmerzensgeld Orhan S. am Ende bekommt, sei noch unklar, so Henning. Das hänge vom Ergebnis der Gutachten ab, die die Versicherung in Auftrag gegeben hat. Sie sollen Auskunft über Dauerschäden geben. Dann wird auch entschieden, ob Orhan S. Pflegestufe II oder III bekommt. „Erst danach können wir über Summen sprechen“, sagt Henning.
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