Ex-Junkie schockt Schüler
Wolfgang Kiehl (47) hing an der Nadel. Im Luitpold-Gymnasium will er aufklären.
München - "Wisst ihr, was Komasaufen bedeutet?", fragt Suchtberater Wolfgang Kiehl (47) die 160 Schüler im Luitpold-Gymnasium. „Ja!”, ruft ein Schüler, „das ist ein Trinkwettbewerb bei dem derjenige verliert, der als Erstes im Koma landet”. Wolfgang Kiehl verbessert den Schüler: „Koma-Saufen bedeutet, dass man die Promillegrenze von 1,6 überschritten hat, ab dann verliert der Körper die Kontrolle und fällt ins Koma.”
Der Mann weiß, wovon er spricht. Bei seinem Vortrag gestern im Luitpold-Gymnasium, nur einen Wurf vom Englischen Garten entfernt, outet er sich als Ex-Junkie und sagt: „Alkohol, Kokain, Heroin - ich hab’ alles genommen”.
Durch ganz Deutschland tourt Kiehl zurzeit als Drogenberater. Am laufenden Band macht er Sprüche, die die Schüler beeindrucken. „Du musst erst in der Gosse liegen, bevor du aufwachst” habe seine Mutter ihn gewarnt, erzählt Kiehl von seinem Drogentrip als junger Erwachsener. Da wusste die Mama nicht, dass ihr Sohn, der mit 15 ausgezog, schon ganz weit unten war. „Ich war gerne in der Gosse, ich war gerne dekadent”, sagt Kiehl. Er warnt die Schüler: "Speed und Extasy machen vermeintlich alles bunter, alles geiler.” Aber: „Nicht mal der Sex wird danach besser - im Gegenteil.” Die Gefühle würden taub. Vor allem wer Drogen nehme, um negative Eindrücke zu bekämpfen, sei in Gefahr, süchtig zu werden.
Seit zehn Jahren ist der Ex-Junkie aus Hannover clean. Bei seinem Vortrag vor den Schülern lässt er keine Peinlichkeit aus: Als Jugendlicher hat er gekifft, weil er bei den Freunden auf dem Bolzplatz nicht der Außenseiter sein wollte. Bei den Handwerken, wo er seine Ausbidlung zum Wasser-Installateur machte, wurde eigentlich immer gesoffen, sagt er: „Zu Weihnachten, zu Ostern, wenn jemand Geburtstag hatte oder wenn jemand vom Urlaub zurückam.” Auch ein willkommener Anlass, im Handwerksbetrieb zu trinken: „Wenn jemand krankgeschrieben war und wieder kam.” Die Schüler lachen.
Kiffen war Kiehl irgendwann zu langweilig, er nahm Speed, Extasy, Kokain – und schließlich Heroin. „Du siehst einer Person in den ersten zwei Jahren nicht an, dass sie Heroin nimmt”, warnt er. Zweieinhalb Jahre war Kiehl im Gefängnis, mit Unterbrechungen, immer wieder. „Ich habe nur noch geklaut, am Ende brauchte ich täglich 300 D-Mark.” Doch irgendwann wollte er raus aus dem dreckigen Loch, sagt Kiehl. Wie lange er gebraucht hat, um clean zu werden? "Vier Jahre", sagt er. Ohne die Therapie hätte er null Chance gehabt.
Ob die Schüler vom Luitpold-Gymnasium Drogen nehmen? „Ich kenne viele Leute von unserer Schule, die kiffen”, sagt Schülerin Selin Halman (15), die selbst nichts vom Kiffen hält.
Auch Partydrogen wie Extasy hätten an der Schule schon viele ausprobiert, erzählen Schülerinnen aus der achten Klasse. Sie hätten das aber nur gehört und glauben nicht, dass jemand süchtig sei. Lehrerin Martina Jansen sagt: „Bei so manchem Schüler riecht man den Alkohol.” Einige von ihnen reagieren abwehrend auf Hilfe, „das ist kein gutes Zeichen”.
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