Ex-Grünen-Chef nimmt Flüchtlinge bei sich auf
Im AZ-Interview erklärt der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek, warum er sich zu diesem Schritt entschieden hat.
München - Nach mehreren Landräten und Bürgermeistern hat nun auch erstmals ein bayerischer Abgeordneter Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Der frühere Landeschef der Grünen, Dieter Janecek, beherbergt in seiner Berliner Wohnung seit vergangenem Donnerstag eine syrische Familie. Die AZ sprach mit ihm über seine Beweggründe und seine persönliche Willkommenskultur mit Brezn und Obatzdn.
AZ: Herr Janecek, wen haben Sie bei sich aufgenommen?
Dieter Janecek: Eine Mutter mit ihren drei Kindern sowie die Schwester der Mutter. Alle aus der Region Homs, der drittgrößten Stadt Syriens. Der Vater ist momentan noch dort.
Und die sind nirgendwo anders untergekommen?
Bis vor Kurzem hat die Familie in einer Massenunterkunft gelebt. Die Zustände dort sind aber gerade für die seelische Gesundheit von Kindern wenig förderlich. Insbesondere in Berlin ist die Lage sehr schwierig. Im Vergleich zu München funktioniert die Verwaltung dort überhaupt nicht. Eigentlich soll die Familie demnächst eine eigene Wohnung beziehen. Aber es ist halt völlig unklar wann und wo. Und diese teils stark traumatisierten Menschen in einer überbelegten Unterkunft zu lassen, das wollte ich nicht.
Dass Sie diese Familie da rausgeholt haben, ist jetzt aber keine Trotzreaktion auf die Auseinandersetzung mit ihrem Parteifreund Boris Palmer, dem Tübinger OB, der vergangene Woche gesagt hat: „Wir schaffen das nicht.“
Nein, natürlich nicht, die zeitliche Überschneidung ist vollkommener Zufall. Aber meine Haltung ist ganz klar: Wir schaffen das sehr wohl! Und dafür will ich auch einen persönlichen Beitrag leisten. Ich plane schon länger, an Flüchtlinge unterzuvermieten, da ich über freien Wohnraum verfüge. Es gab auch bereits ein Gespräch mit einem Interessenten, einem 22-jährigen Syrer aus Damaskus. Aber auch da spielen die Behörden bislang nicht so richtig mit.
Grundsätzlich ist es in Berlin aber möglich, Flüchtlinge aufzunehmen – anders als in Bayern?
Nein, wenn die Flüchtlinge anerkannt sind, dann ist es auch in Bayern durchaus möglich, privat unterzuvermieten. Das geht nur nicht, so lange der Bleibestatus der Flüchtlinge noch nicht fix geklärt ist.
Aber man muss sich wahrscheinlich trotzdem durch die Bürokratie kämpfen.
Es ist halt so: Während sich die Zivilgesellschaft mit großem Aufwand und sehr effizient selbst organisiert und Hilfestellungen anbietet wie das Online-Mietportal www.fluechtlinge-willkommen.de, ist in Teilen der Verwaltung immer noch sehr viel Bürokratie und Umständlichkeit anzutreffen – und manchmal auch Überforderung. Das macht es Leuten, die helfen wollen, natürlich schwer.
Wenn’s so schwierig ist: Warum haben Sie es sich dann trotzdem angetan?
Das kommt von Herzen. Wenn man die Situation von so einer Familie geschildert bekommt, berührt einen das zwangsläufig. Ich Freude mich jetzt darauf, diese Menschen näher kennenzulernen, mit ihnen auch ein Stück weit zusammenzuleben. Ich sehe darin auch eine große Chance, wenn Menschen aus einem anderen, in diesem Fall dem islamischen Kulturkreis zu uns kommen und diese Gastfreundschaft erleben – das wird auch etwas ändern im Verhältnis der Völker untereinander.
Gastfreundschaft – das heißt, Sie werden für Ihre Gäste jeden Abend kochen?
Ich bin als Koch nicht so begabt, bei mir gibt es dann eher bayerische Brotzeit, mit Brezn und Obatzdn. Das habe ich mir tatsächlich vorgenommen. Aber ich muss jetzt erst mal rausfinden, wie die Geschmäcker sind.
Auf WG-Leben haben Sie also Lust? Richtig so mit Tatort und Falafel dann zum Wochenausklang am Sonntag?
Das wäre schön. Zum gemeinsamen arabischen Essen bin ich schon eingeladen. Ansonsten werde ich aber auch darauf achten, dass die Familie nach all den Strapazen mal Zeit findet, unter sich sein zu können. Ich erwarte mir jetzt auch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Das sind Menschen mit einer sehr schwierigen Geschichte: Krieg, der Verlust von Familienmitgliedern – lauter so Dinge, die wir Wohlstandsmenschen schwer begreifen können.
Sie würden trotzdem dazu raten, es Ihrem Beispiel nachzutun?
Ja, ich sehe darin ein wahnsinniges Potenzial. Alle Bürger können das tun, was ich jetzt tue. Ich breche mir da ja auch keinen Zacken aus der Krone. Wir haben zwei Wohnungen, die in Berlin steht die Hälfte des Jahres leer. Wenn sich mehr Leute bereiterklären, privat Flüchtlinge aufzunehmen, dann kriegen wir das schon hin.
Sie hoffen also, dass Ihr Handeln Vorbild-Wirkung haben wird?
Es gibt ja schon viele Vorbilder, die das Gleiche tun: viele ehrenamtliche Helfer, darunter auch Bürgermeister und Landräte. Meine Botschaft ist eher: Habt keine Angst vor den Menschen, die da jetzt zu uns kommen, die ist unbegründet. Wenn man so nach Dresden schaut, hat man momentan ja ohnehin eher das Gefühl, man muss Angst vor den Leuten haben, die Angst vor Flüchtlingen haben.
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