Ein Mann, 600 Drinks

Adriano Paulus ist der zweitbeste Barkeeper Deutschlands. In der Negroni Bar serviert er auch seine eigene Kreation: den „Aurora“.
Schuld ist hier, wie so oft, ein Lehrer. Mehr noch: die Mathelehrerin. Sie hat ihn verführt, damals, als sie in einer Bar arbeitete, um ihr Referendarsgehalt aufzubessern und er eigentlich nur ins Kino wollte. Adriano Paulus war da 16 Jahre alt, doch sie erfüllte ihm einen sehnlichen Wunsch – und brachte ihm seine erste Margarita. „Ohne Alkohol zwar“, sagt er, „aber meine Leidenschaft war geweckt.“
Seit 22 Jahren steht Adriano Paulus nun selbst hinterm Tresen. Dreimal war er Bayerns bester Barkeeper, nun wurde er zum zweiten Mal Zweiter bei der Deutschen Meisterschaft. Der Jury in Leipzig präsentierte er seine neue Kreation, einen Aperitif namens „Aurora“ (siehe Kasten unten).
Den muss man sich als komplexes Getränk vorstellen: In die Nase zieht ein Duft von Tequila, und auf der Zunge kommt der Aurora dann recht stark daher. Er ist – erfreulicherweise – nicht zu süß und nicht zu sauer. Vielmehr ertappt man sich dabei, ihn verstehen und jede einzelne Zutat herausschmecken zu wollen.
Wer den Drink einmal probieren möchte: Serviert wird er in der Haidhauser Negroni Bar, in der Adriano Paulus (41) seit drei Jahren Barkeeper ist. 120 Getränke stehen hier auf der englischsprachigen Cocktailkarte, doch was nach viel klingt, ist eigentlich gar nichts: Der gebürtige Fürther zählt 600 Drinks zu seinem Repertoire. Wenn er also sagt, dass es, wenn es ums Erfinden neuer Cocktails geht, „alles irgendwie schon mal gegeben hat“, dann darf man ihm das ruhig glauben.
Was einen Bartender wie ihn freilich nicht davon abhält, Neues auszuprobieren. „Wir Barkeeper sind kleine Köche“, sagt Adriano Paulus, und das Größte der Gefühle bleibt, „wenn andere mein Getränk nachmixen“.
Was aber macht einen gelungenen Cocktail aus? Paulus zögert, redet erst über hochwertige Spirituosen und die Liebe des Barmanns zu seinem Beruf. Doch dann sagt er etwas, das den Laien überrascht: das Eis. „Das Eis ist ein ganz wichtiger Faktor. Wird es zu früh zugegeben, hat man zum Beispiel zu viel Schmelzwasser. Generell gilt übrigens: Nur eckige Eiswürfel sind gute Eiswürfel.“
Und was macht eine richtige gute Bar aus? „Zunächst einmal das gedimmte Licht und die richtige Hintergrundmusik. Eine gute Bar ist wie ein Wohnzimmer. Der Barmann muss gut gekleidet sein und eine gewisse Ausstrahlung haben. Er darf nie in Hektik geraten, muss präzise arbeiten. Seine Bewegungsabläufe sollten immer die gleichen bleiben. Außerdem sollte er sich nicht aufspielen, sondern ein stiller Diener sein.“
Der sich nicht nur mit Cocktails auskennt, sondern auch mit Essen. In der Negroni Bar, 1998 nach dem Vorbild einer American Bar eröffnet, gibt es auch eine kleine, aber feine Karte. Darauf findet man kleine Snacks zum Drink, etwa eine Portion Hummus mit Fladenbrot für 6,80 Euro, aber auch richtige, den Magen füllende Speisen. Paulus empfiehlt das Roastbeef „Javier“ mit Röstkartoffeln und Rucola für 13,80 Euro oder den Formaggio Sardo alla Griglia, gegrillten Bio-Käse mit Honig, Salat und Birnen für 11,80 Euro. Doch davor, findet Adriano Paulus, „davor sollte man auf jeden Fall den Aurora probieren“.
Sedanstraße 9, Mo. bis Sa. 18 – 1 Uhr, Tel. 48950154