Absturz in alter Tradition

Fernfahrer, Gangster und Nutten. Das waren die, die ihr Geld über den Tresen von der Gruam schoben, und das lässt erahnen, wie es zuging in der Boazn. Zum Inventar von Toni Holzer, der die Kneipe am Rande der Großmarkthalle die letzten 30 Jahre führte, gehörte der Baseballschläger hinter der Bar. Stefan Alof, der die Gruam vor Kurzem übernommen hat, lehnt jetzt an ebendiesem Tresen und erzählt Geschichten aus den zwielichtigen Zeiten.
„Die Gruam wollte ich immer schon gern haben“, sagt er. „Dann, eines morgens, musste ich in die Großmarkthallen zum Einkaufen, weil jemand anders krank war. Da hing dieses Schild „zu vermieten“: Ich hielt sofort an und riss es runter.“ Wenig hat er geändert an dem kleinen Häuschen, hat ihm innen wie außen einen schwarzen Anstrich verpasst. Den skurrilen Boazn-Charme hat die Gruam behalten: Das Poster vom 60er-Jahre-Nackedei neben dem Hirschgeweih, die Barbies neben den Spirituosen, die Jukebox an der Wand.
Eine Maria steht jetzt im Eck, Alofs Markenzeichen. Im Glockenbachviertel führt der Gastronom die Eisdiele Jessas, das Café Maria und die Bar Josef, letztes Jahr kam die Bäckerei Alof dazu. Das rief promt die Grantler auf den Plan, die die Gruam unter Gentrifizierungs-Verdacht stellten. Und der Wirt auch noch der Kirchenpfleger der Gemeinde St. Maximilian – ein gläubiger Glockenbach-Gastronom für die Gruam, das muss der Anfang vom Ende für die kleine Boazn, ja, fürs ganze Viertel sein. „Ich mache das schon lang genug, so etwas höre ich gar nicht mehr“, sagt Stefan Alof. „Die Gruam stand fast zwei Jahre lang leer – da hätt’ ja jeder zugreifen können.“
Von den durchgestylten Läden hat München genug, findet er selbst. Deswegen hat ihm die Gruam so gefallen. „Es muss auch solche Orte geben, wo man einfach die Sau rauslassen kann, abstürzen, und feiern ohne Nachbarn bis in den Morgen.“ Und so geschieht es. Für Geburtstagsfeiern ist die Gruam heiß begehrt, Elektro-DJs fragen an, ob sie hier spielen dürfen, ein paar Leute wollen einen Gay-Abend etablieren. Jetzt ist wieder Leben eingekehrt in der kleinen Boazn, die quasi nur aus Tresen besteht. Werbung hat Alof für die Wiedereröffnung keine gemacht, trotzdem standen 500 Leute vor dem Laden, in den höchstens ein Zehntel davon passen.
Am frühen Morgen haben wir Polonaise über die Kreuzung gemacht“, sagt Stefan Alof. „Das war einfach genial.“ Und Toni Holzer, der frühere Wirt, der stand dabei, hat gelacht und gesagt: „Ihr seids ja verrückt.“
Thalkirchner Straße 114, Do. bis Sa. 19 – 7 Uhr, facebook.com/pages/Zur-Gruam