Es war ein Mordversuch
MÜNCHEN - Rascher Fahndungserfolg dank der Überwachungskamera: Der U-Bahnschubser ist gefasst: Der 69-Jährige Rentner gilt bei den Nachbarn als Querulant – sein Opfer brachte er durch die Tat in Lebensgefahr
Unfassbar: Der Mann, der ein 13-jähriges Mädchen gegen eine fahrende U-Bahn geschubst hat, ist selbst Vater zweier Kinder. Am Donnerstagabend wurde Ludwig D. (69) in seiner Wohnung in Milbertshofen festgenommen. Inzwischen erging Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Der ehemalige Versicherungsvertreter hat gestanden, eine Schülerin am Montagg gegen eine einfahrende U3 geschubst zu haben (AZ berichtete).
Das Foto von der Überwachungskamera lässt erahnen, wie verärgert Ludwig D. war, als er und seine Frau Aloisia die U-Bahnstation Petuelring betraten: Er hält Abstand, blickt in eine andere Richtung. Seine Frau wollte ein T-Shirt in einem Kaufhaus in der Fußgängerzone umtauschen, er musste sie begleiten.
Dazu kam das Gedränge am Bahnsteig, der Lärm der wartenden Schulkinder. In dieser Situation gingen Ludwig D. offenbar die Nerven durch. Er schubste eine vor ihm stehende Schülerin gegen eine einfahrende U3.
„Selber Schuld“
„Das Mädchen geriet zwischen zwei Waggons und wurde wieder zurück auf den Bahnsteig geschleudert“, berichtet Richard Thiess, stellvertretender Chef der Münchner Mordkommission. Das Mädchen erlitt bei dem Sturz Prellungen und blaue Flecken. „Selber Schuld“, soll der Rentner gesagt haben, dann stieg er mit seiner Frau in die U3 und fuhr zum Marienplatz.
Gestern machte die Nachricht von der Festnahme bei Ludwig D.s Nachbarn schnell die Runde. Der gebürtige Thüringer gilt in dem Mietshaus an der Schleißheimer Straße als „launischer Querulant“ und „Choleriker“.
Oft gab es Streit. Die Nachbarn gingen ihm aus dem Weg. „Wenn jemand zu laut Musik hörte, hat er sich sofort beschwert“, erzählt der Hausmeister Mitar Knezevic. Manchmal rief der Rentner die Polizei. Einmal soll Ludwig D. gegenüber einer Nachbarin sogar handgreiflich geworden sein, erzählt man im Haus.
Ehemaliger Nachbar brachte Polizei auf die Spur
Ein ehemaliger Nachbar war es, der die Polizei auf die Spur des U-Bahnschubsers gebracht hat. Der Mann lebt inzwischen in Leverkusen, hat aber Ludwig D. auf dem im Internet veröffentlichten Fahndungsfoto sofort erkannt. „Ich hab früher mit dem Tür an Tür gewohnt“, sagte er.
Noch am selben Abend statteten die Beamten Ludwig D. einen Besuch ab. Aus Angst, jemand könne ihn aufgrund der Zeitungsberichte erkennen, hatte er sich kaum mehr aus seiner Wohnung getraut. „Ich wollte mich stellen“, behauptete er, tat es dann aber doch nicht, weil er, wie er sagt, „der Polizei misstraut“.
Am Freitag wurde LudwigD. dem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ. Er habe sich von der Schülerin bedrängt und eingeengt gefühlt, gab der Rentner bei der Vernehmung an.
Die Staatsanwaltschaft will ihn nun wegen versuchten Mordes anklagen. Staatsanwalt Laurent Lafleur sagte zur AZ: „Die Schülerin war völlig arg- und wehrlos. Durch die Attacke geriet sie akut in Lebensgefahr.“
Ralph Hub/Gregor Feindt
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