Erntezeit am Wunschbaum auf dem Schwabinger Christkindlmarkt
München - Behra stand auch schon selbst auf der Bühne. Im Kindergarten nämlich, als sie mal ein Jahr in der Türkei gewohnt hat. Da war sie so begeistert, dass ihre Mama Jasemin Gedik auch zurück in München mit ihr ins Kindertheater gehen sollte.
Das gefiel der damals Vierjährigen enorm. Jetzt ist sie sieben Jahre alt und würde gerne wieder ins Theater gehen. "Ich bin alleinerziehend und arbeite Teilzeit. Die übrige Zeit will ich mit meiner Tochter verbringen", erzählt ihre Mama. Oft tun sie das im Stadtteilzentrum FaMoos, mit anderen Müttern und Kindern wird da geratscht und gespielt oder es werden Ausflüge gemacht.
Über 350 Wünsche durch Wunschbaum heuer schon erfüllt
Nur die Theaterkarten sind eben zu teuer. Behra hat ihren Wunsch darum auf eine der Schmuckkärtchen geschrieben, die der Kulturraum am Wunschbaum auf dem Schwabinger Christkindlmarkt aufgehängt hat. Das Prinzip ist ganz einfach: Besucher des Marktes, denen es finanziell besser geht, pflücken einen Wunsch, den sie erfüllen wollen und liefern ihn mitsamt dem jeweiligen Kostenbetrag an der Hütte des Kulturraums auf der anderen Seite der Bühne ab.
Über 300 Kinderwünsche und 50 Wünsche von Erwachsenen haben heuer schon ihr Münchner Christkindl gefunden, doch es hängen noch viele am Baum. Seit 2011 gibt es den Wunschbaum, seit drei Jahren wird er vom Kulturraum mit Wünschen aufgeputzt. Der Kulturraum lädt in Kooperation mit vielen Veranstaltungshäusern der Stadt und aus Spendengeldern regelmäßig Menschen zu Kulturveranstaltungen ein, die es sich nicht leisten können, einfach die Karten dafür zu kaufen.
Wie eben Behra und ihre Mutter. "Ich finde es auch wichtig, dass sie so eine Vorstellung live erleben kann – heutzutage ist ja alles digital", sagt Jasemin Gedik. Ins Kino wollte ihre Tochter nicht so gern, aber beim Vorschlag, doch ins Deutsche Theater zu gehen, leuchteten die Augen auf. Welche Vorstellung soll es sein? Da lassen Behra und ihre Mama sich überraschen.
Alle restlichen Wünsche erfüllt der Kulturraum aus Spendengeldern
Dass es heuer explizit Kulturwünsche sein sollen, ist neu. "Wir finden, das passt besser zu uns und zu dem Markt", erklärt Brian Scheunchen vom Kulturraum. In der Vergangenheit hingen oft auch Sachwünsche daran, aber "da kamen die Sachen oft direkt von Amazon zu uns. Das war auch eine riesige Materialschlacht", erzählt Scheunchen weiter.
Von Kino, über Zirkus, bis zu Theater und einem Spiel der Bayern wünschen sich die Kinder alle möglichen Erlebnisse. Aber auch von Erwachsenen gibt es Bitten ans Christkind, einmal in die Oper, ins Theater oder zu Konzerten gehen zu können. Es geht am Wunschbaum also ungefähr bei 10 Euro für ein Ticket los. Wer zwar gerne einen Wunsch erfüllen möchte, aber nur eine einzelne Karte bezahlen kann, tut sich entweder mit Freunden zusammen oder meldet das einfach an der Hütte – dann wird der Wunsch wieder aufgehängt und jemand anders spendet vielleicht die Karten für die Begleitung oder die Familie.
Und was passiert mit den Wünschen, die bis zum 22. Dezember nicht gepflückt werden? "Die erfüllen wir dann aus unseren Spendengeldern", sagt Brian Scheunchen. Aus denen werden aber auf die MVV-Tickets für die Fahrt zur Veranstaltung finanziert. Je mehr Wünsche zwischen zwei Glühwein erfüllt werden, umso besser also.
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