Ernährungsexperte: "Essen - immer mit Verstand"
AZ: Herr Hauner, wieso fällt es uns so schwer, die guten Vorsätze einzuhalten?
HANS HAUNER: Der Mensch hat einen starken Antrieb, zu essen – und viel und gut zu essen. Unsere Vorfahren haben sich so ihr Überleben gesichert, und dieser Instinkt ist noch vorhanden. Deswegen sind wir sehr leicht zu verführen, und wir sind ständig umgeben von Essensversuchungen. Deswegen essen wir schnell zu viel und zu schwer, und dann fühlen wir uns nicht mehr richtig wohl.
Also ist Disziplin das Zauberwort?
Ohne Disziplin geht es nicht. Wir müssen vor dem Essen überlegen, wie viel Hunger wir wirklich haben und schauen, wie viel wir uns auf die Teller laden. Gerade etwa an einem Buffet. Meistens gibt es auch dort leichtere Speisen. Der Verstand sollte immer eingeschaltet sein.
Wie ernährt man sich denn gut?
Das ist so generell schwer zu definieren. Natürlich sind Gemüse, Obst und Vollkornprodukte die Klassiker, die gut für uns sind und den Menschen mit Nährstoffen versorgen. Problematisch ist das riesige Angebot an Fertig- und Fastfoodprodukten. Backstuben, Burger, Metzgereien – das macht es uns oft schwer, uns gut zu ernähren. Meistens ist das Zeug einseitig und fettreich, mit wenigen Ballaststoffen. Das ist vielleicht etwas für einen Schwerarbeiter im Stahlwerk, aber die meisten von uns verbrauchen heute nicht mehr so viel Energie in ihrem Tag.
Muss ich täglich fünf Sorten Gemüse konsumieren, um gesund zu leben?
Man muss gar nichts. Aber in Gemüse sind viel Wasser, Nähr- und ein paar Ballaststoffe enthalten, davon kann man viel essen und es außerdem schmackhaft zubereiten. Gemüse muss nicht nur die Deko zum Fleisch sein – ein Gemüseeintopf zum Beispiel ist eine feine Sache.
Noch mehr Ernährungsmythen: Sind Kohlenhydrate so schlecht wie ihr Ruf?
Keinesfalls, sie sind wichtig für uns, unser Nervensystem und unsere Muskulatur. Sie sind immer der Hauptbestandteil der menschlichen Ernährung gewesen und sollten das auch bleiben.
Gilt das für alle Kohlenhydrate?
Nein, leider nehmen wir viele in Form von Zucker auf. Auf zuckerhaltige Getränke, die sehr viele Kalorien und keinen Nährwert haben, sollten wir meiner Meinung nach ganz verzichten. Diese Kohlenhydrate kann man gut einsparen, aber im normalen Essen haben sie keinen Nachteil.
Wie schaut’s mit der Abnehm-Technik „kein Essen nach 18 Uhr“ aus?
Noch so ein Märchen. Dem Körper ist es egal, wann er zu essen bekommt, er wird es immer vollständig verwerten, egal zu welcher Uhrzeit. Noch so ein Erbe unserer Vorfahren.
Kein Vorteil?
Es kann natürlich deshalb wirken, weil für viele die Hauptmahlzeit am Abend stattfindet. Die, auf die man sich freut, wenn man von der Arbeit heimkommt. Und sich da eine Schranke einzubauen, kann für das Gewicht schon sinnvoll sein. Besser ist es aber, vernünftig zu essen und sich nicht vollzustopfen, dann spricht nichts gegen ein gemütliches Abendessen.
Ist es wirklich sinnvoll, viele kleine Mahlzeiten am Tag zu essen?
Auch das ist überholt. Es hat sich herausgestellt, dass diese fünf kleinen Mahlzeiten eben meist doch nicht so klein sind, und das ist dann wieder kontraproduktiv. Dann lieber zwei-, dreimal am Tag vernünftig essen.
Morgens wie ein König, abends wie ein Bettler?
Das Sprichwort ist sicher 150 Jahre alt, heute wollen die Leute morgens meistens Zeit sparen.
Wie könnte ein vernünftiger Tag denn aussehen?
Morgens sollte man schon etwas essen, weil das leistungsfähiger macht und man andernfalls Gefahr läuft, sich mittags mit Fastfood vollzustopfen.
Wie schaut ein guter Start in den Tag aus?
Schnell geht zum Beispiel ein Fertigmüsli – achten muss man dabei aber auf die Inhaltsstoffe, Cornflakes sind oft zuckersüß. Vielleicht ein bisschen Obst reinschnippeln, oder, noch schneller, Trockenobst hinzugeben.
Mittags?
Am besten nicht zu schwer, man will ja danach weiterarbeiten. Ich könnte mir zum Beispiel ein Brot schmieren und das mitnehmen, dann kann ich frei wählen, was ich drauf haben möchte und muss nicht auf das Fast-Food-Angebot der Umgebung zurückgreifen. Es gibt da auch ein paar, die in Ordnung sind, Dean & David zum Beispiel. Aber ein gutes Fertiggericht tut’s auch.
Die sind also nicht per se schlecht?
Die Supermärkte haben ein wachsendes Sortiment an Mikrowellen-Gerichten, kleine Sachen mit ein paar Kohlenhydraten, Gemüse und Fleisch, auf denen auch die Kalorien vermerkt sind. 400 sollten reichen. Man muss eben – wie sonst auch – auf die Inhaltsstoffe achten. Aber die sind durchaus in Ordnung.
Und wenn ich mit den Kollegen in die Kantine gehe?
Greife ich vielleicht nicht zum kompletten Menü. Kantinen sind ja von der Qualität her sehr unterschiedlich. Es mag zwar nicht jeder, aber man kann sich auch mal beim Salatbuffet umschauen. Nur Vorsicht: Nicht zu viel von dem Dressing nehmen. Das ist oft nur Salz, Zucker und Fett – und wenn ich das großzügig über meinem Salat verteile, habe ich schnell 500 Extra-Kalorien drauf.
Tipps für den kleinen Hunger zwischendurch?
Ein bisschen Obst rumstehen zu haben, zwei, drei Tomaten oder auch Gurke – die besteht fast nur aus Wasser –, schadet nie. Statt einer Tafel Schokolade, von der man ja doch nie nur die eine Rippe isst, tut es zum Beispiel ein Duplo, das hat um die 80 Kalorien und versaut einem nicht gleich die ganze Bilanz. Und es gibt Desserts auf Milchbasis zu kaufen, die in Ordnung sind. Auch ein Kuchen am Nachmittag geht, wenn es nicht gleich ein großes Stück Sahnetorte ist.
Sind Light-Produkte eine gute Alternative?
Mit Light wird sehr viel Schindluder getrieben. Oft nehmen die Produzenten von einem sehr fettigen Gericht nur ein bisschen was weg oder ersetzen das Fett durch Zucker. Bei Milchprodukten kann es aber eine gute Alternative sein. Man kann sich in einen Magermilchjoghurt auch selbst Obst schnippeln, statt einen überzuckerten Fruchtjoghurt zu kaufen. Und statt der überzuckerten Sodagetränke die mit Süßstoff gesüßte Alternative zu trinken, ist auf jeden Fall empfehlenswert.
Wie sieht das Abendessen aus?
Am besten natürlich auch nicht zu schwer. Ein bisserl Kohlenhydrate – aber eben Reis, Kartoffeln, Nudeln und keine Pommes – vielleicht Fisch oder Fleisch, Gemüse. Wichtig ist, dass es nicht zu fettig zubereitet wird. Panieren ist ein Unding. Damit macht man aus eigentlich harmlosen Lebensmitteln wahre Kalorienbomben. Was nicht heißen soll, dass es verboten ist, gelegentlich ein Wiener Schnitzel zu essen.
Muss ich sonst auf meine Lieblingspizza und -pasta verzichten?
Pasta lassen sich leicht entschärfen, mit weniger Sahne, und man kann immer auch Gemüse in eine Soße mischen, Brokkoli zum Beispiel. Bei einer Pizza hat man schnell 800 bis 1000 Kalorien zusammen. In der Gastronomie sind die Portionen meist zu groß. Aber eine Pizza lässt sich auch gut teilen und zum Beispiel noch ein Salat dazu bestellen – dann ist man etwa bei 600 Kalorien, hat trotzdem den guten Geschmack und fühlt sich nicht so voll.
Wie motiviere ich mich, eine bessere Ernährung durchzuhalten?
An eine gute Ernährung gewöhne ich mich schnell – da hat man nicht das Gefühl, man müsste auf irgendetwas verzichten. Im Gegensatz zu Regeln wie keine Kohlenhydrate oder kein Abendessen. Das ist sehr restriktiv, nicht nötig und schwerer durchzuhalten. Außerdem zerstört das den Genuss und die Lebensfreude.
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