Entsetzen nach Abführung von Marian Offman: Polizei-Eklat erreicht den Landtag

Dass beim Protest am 9. November ausgerechnet ein bekannter jüdischer Münchner abgeführt wurde, sorgt am Tag darauf für Entsetzen. Nun erreicht das Thema sogar den Landtag. Was die Polizei sagt.
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Felix Müller
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Von sechs Polizisten eskortiert wird Marian Offman abgeführt.
Von sechs Polizisten eskortiert wird Marian Offman abgeführt. © Ralph Hub

München — Marian Offman ist auch am Tag danach noch fassungslos. Am Mittwochabend war der jüdische Ex-Stadtrat nach einem Wortgefecht mit zwei Antisemiten vor der Oper abgeführt worden. Am Donnerstag erklärte er noch detaillierter, wie es ihm ergangen war.

Offman berichtet, er habe nach antisemitischen Beleidigungen einen Mann als "A..." bezeichnet. "Daraufhin erstattete er Anzeige und ich wurde von vier Polizeibeamten aufgefordert, mit ihnen bis in die Viscardigasse zur Vernehmung zu gehen."

Er habe zu dem Polizisten gesagt, er lasse sich "nicht schon wieder wegen eines Nazis in Gewahrsam nehmen. Daraufhin forderten sie mich auf, doch mit ihnen zu gehen und schubsten mich nach vorne und ich verbat mir diese Berührungen". Nachdem er sich weiter geweigert habe mitzugehen, "nahmen sie mich von zwei Seiten in den Würgegriff und schleppten mich durch die Residenzstraße bis zur Viscardigasse".

Marian Offman wurde abgeführt wie ein Verbrecher

Offman ist immer noch entsetzt. "Sie waren auch auf dem halben Weg auf der Residenzstraße nicht bereit loszulassen, obwohl ich ihnen sagte, dass sie mir wehtun." Er habe sich selten in seinem Leben so erniedrigt und gedemütigt gefühlt, wie auf "diesem Spießrutenlauf durch die Residenzstraße". Am Vernehmungsort angelangt, habe er selbst Anzeige gegen die Frau und den Mann erstattet, die ihn beleidigt hatten. Besonders schlimm für Offman: "Nach meiner Aussage wurde ich mit einem Schild, auf dem mein Name und mein Geburtsdatum standen, von einem Polizeibeamten fotografiert." Anschließend durfte der Ex-Stadtrat gehen und zur Demo zurückkehren.

Fassungslosigkeit bei politischen Kollegen

Auf den AZ-Bericht über den Vorgang reagierten am Donnerstag parteiübergreifend einige Politiker fassungslos. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) erklärte: "Marian Offman ist Münchens Beauftragter für interreligiösen Dialog, ehemaliger Stadtrat und Jude. Dass er ausgerechnet am 9. November unter Zwang von der Polizei abgeführt wird, befremdet mich. Ich erwarte, dass die Polizei den Sachverhalt zügig aufklärt."

Dem Vernehmen nach wird der Vorfall vom Max-Joseph-Platz bald auch den Landtag erreichen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter bestätigte der AZ, dass er eine Anfrage plant, um die Hintergründe des Polizeieinsatzes aufarbeiten zu können.

Marian Offman am Abend des 9. November im Gespräch mit einem Polizisten bei den Kundgebungen vor der Oper.
Marian Offman am Abend des 9. November im Gespräch mit einem Polizisten bei den Kundgebungen vor der Oper. © Petra Schramek

Marian Offman zeigt Courage gegen Antisemitismus

Schon am Vormittag hatte Ritter auf Facebook geschrieben, er sei "wirklich sprachlos vor Entsetzen". Der Freistaat Bayern solle "wirklich stolz auf solche Bürger" wie Marian Offman sein, sagte Ritter. "Ich frage mich ernsthaft, welcher Teufel die Einsatzleitung der Polizei München geritten hat, so mit Marian Offman umzugehen." Dass dies am Rande einer Veranstaltung geschehen sei, auf der Querdenker und Rechtsextremisten den Jahrestag der Novemberpogrome auf provozierende Art missbrauchten, mache alles "noch viel, viel schlimmer". Der Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff wandte sich am Donnerstag in einem Brief an das Polizeipräsidium.

Respekt vom Oberbürgermeister

Sogar der Oberbürgermeister äußerte sich auf Nachfrage und erklärte seine Solidarität mit Marian Offman. "Ich kenne Marian Offman seit langem und schätze ihn sehr", sagte Dieter Reiter der AZ. "Seit vielen Jahren setzt er sich mit großem Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus ein. Marian Offman ist ein Vermittler und Brückenbauer und deshalb ja auch städtischer Beauftragter für den interreligiösen Dialog. Er hat unseren höchsten Respekt verdient."

Mangelnde Stellungnahme der Polizei

Das Münchner Präsidium versuchte am Donnerstag, die Wogen etwas zu glätten. "Es handelte sich um eine Gruppe junger Polizisten einer Einsatzhundertschaft", sagt Polizeisprecher Andreas Franken. "Sie kannten den Namen der Person nicht und wussten auch nicht, um wen es sich handelt." Der Name Offman, seine Vita als engagierter Kommunalpolitiker mit jüdischen Wurzeln - mit all dem konnten die Polizisten vor Ort am Mittwochabend nichts anfangen.

Die Beamten hatten, nach Darstellung des Präsidiums, einen Streit unter Teilnehmern der Demo beobachtet und eingegriffen, weil wechselseitig Beleidigungen gefallen waren. "Damit wurden Straftaten begangen", sagt Andreas Franken.

Juristisch gesehen ist eine Beleidigung zwar eine Straftat, aber kein Offizialdelikt, bei dem die Polizei automatisch von sich aus aktiv werden müsste. Man habe den Streit beendet, die beteiligten Personen aus der Menge entfernt und separiert, so der Polizeisprecher.

Beamte bestätigen Offmans Schilderungen

Im Fall des Ex-Stadtrats heißt das: Zwei Beamte hielten ihn an den Oberarmen fest. Weitere Beamte der Gruppe sicherten den Transport nach vorne und hinten ab. So wurde der engagierte Lokalpolitiker zur Gefangenensammelstelle gebracht. Dort wurde er fotografiert und die Personalien festgehalten, bestätigt die Polizei Offmans Angaben. Nach etwa 30 bis 40 Minuten konnte er gehen. Polizeisprecher Andreas Franken: "Ich kann nachvollziehen, dass ein Bürger jüdischen Glaubens in einer solchen Situation mit dem Kontext der Versammlung und des speziellen Datums sich emotional belastet fühlt." Wie eine Entschuldigung klang das alles nicht, was am Donnerstag aus dem Präsidium zu hören war.

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Und aus dem Präsidium hat auch keiner bei Offman angerufen, um sich zu entschuldigen oder auch nur zu besprechen, was eigentlich passiert war. So erzählte er es am Donnerstagnachmittag der AZ. "Für die Nazis muss es doch ein Fest gewesen sein", sagte er, "dass auf ihre Veranlassung hin der Jude Offman abgeführt wurde." Die Vorgänge vor der Oper am Abend des 9. November, sie werden wie es scheint viele Seiten noch länger beschäftigen.

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33 Kommentare
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  • Sehendes Auge am 11.11.2022 19:26 Uhr / Bewertung:

    Aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 3 (3): (3) "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt ODER Bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

  • Der wahre tscharlie am 11.11.2022 16:50 Uhr / Bewertung:

    Gehe ich Recht in der Annnahme, dass die zwei Personen, die Offman antisemitisch beleidigt haben, NICHT abgeführt wurden, aber Offman schon, weil er das A-Wort benutzte?

    Und was ist das für eine peinliche Begründung:
    ""Es handelte sich um eine Gruppe junger Polizisten einer Einsatzhundertschaft", sagt Polizeisprecher Andreas Franken. "Sie kannten den Namen der Person nicht und wussten auch nicht, um wen es sich handelt."

    Aber was Querdenker sind und wo die politisch stehen, und welche Bedeutung der 9.Nov. hat,
    wußten die jungen Polizisten schon?
    Für die Querdenker war die Verhaftung bestimmt ein "Freudenfest". Und das sollte uns Bürgern zu denken geben......

  • Annamirl am 11.11.2022 15:11 Uhr / Bewertung:

    Was heißt, sie waren jung? Dann hätten sie sich nicht so aufführen sollen.

    Auch der Einwand, dass sie nicht wussten, wer Marjan Offman ist, greift nicht. Jeden anderen, der nicht so bekannt ist, hätten die Polizeibeamten so behandeln dürfen, oder wie?

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