Eisiger Trend: An Neujahr stürzen sich 80 Münchner in die Isar

Klamotten aus, Badehose an, und dann über die Isarkiesel watschelnd auf das kühle Wasser zu – diese unbeschwerte Freude kennen viele Münchner aus den heißen Sommertagen. Aber nur die Wenigsten wagen sich bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in die eisigen Fluten.
Dabei schwören manche auf die gesundheitlichen Vorteile eines eiskalten Bades. Und das sogenannte Anschwimmen, das am Neujahrstag rund um den Globus praktiziert wird, hat sich auch in München längst als eine feste Tradition etabliert.
Am Flaucher organisiert Norbert Mayer den gemeinsamen Sprung ins zapfige Wasser und damit den Startschuss für die neue Badesaison.
Anschwimmen am Flaucher: Am Neujahrstag stürzen sich 80 Münchner in die eisige Isar
Der 67-Jährige ist schon ein echter Profi im Winterbaden. Seit etwa 15 Jahren wagt er sich bei herausfordernden Temperaturen ins Wasser. Damals habe er von zufällig Vorbeilaufenden sogar noch Applaus geerntet. "Heutzutage gibt es das nicht mehr", sagt er mit ein bisserl Bedauern in der Stimme. Das Winterbaden sei wahrscheinlich einfach schon zu etabliert, vermutet Norbert Mayer.

Er gehe mittlerweile fast jeden Tag, "außer das Wetter ist schlecht". Fünf bis zehn Minuten sei er dann im Wasser, je nachdem wie er Lust habe. Denn: "Ich habe ja nicht mehr das Problem, dass es mich frieren würde. Ich habe schon genügend braunes Fett." Braunes Fett? Norbert Mayer erklärt: "Das braune Fett ist eine Art Zaubersubstanz, sage ich mal. Wenn man das erst einmal hat, dann ist das wie eine Heizung."
Der wärmende Effekt des braunen Fettes entsteht durch die Zellen
Zauberei ist dabei freilich nicht im Spiel. Der wärmende Effekt des braunen Fettes entsteht durch die Zellen, die mithilfe einer chemischen Reaktion mit Fettsäuren Wärme produzieren. Dieser Prozess findet in den zahlreichen Mitochondrien statt – den Kraftwerken der Zelle –, die zugleich für die bräunliche Färbung des Gewebes verantwortlich sind.

Mayer sagt: "Das braune Fett entwickelt sich mit der Zeit, wenn man sich regelmäßiger Kälte aussetzt. Bis es einen dann friert, kann es ziemlich lange dauern." Er spricht von 20 Minuten und, wenn man den Kopf über Wasser hält, könne es sogar noch länger dauern.
Norbert Mayer: "Da war mir schon ein bisschen komisch danach"
Ganz ungefährlich ist das aber nicht. Das hat Norbert Mayer am eigenen Leib erfahren. Als er einmal längere Zeit mit dem Kopf unter Wasser war, spürte er die Auswirkungen einer Unterkühlung: "Da war mir schon ein bisschen komisch danach." Mayer belässt es also lieber bei kürzeren Schwimmgängen.
Die Gemeinschaft der Eisschwimmer ist über die Jahre stark gewachsen. Norbert Mayer ist Teil der "Eisschwimmer Flaucher", die auf WhatsApp etwa 180 Mitglieder zählt. Es gebe aber noch viele weitere Gruppen, erzählt der 67-Jährige. "Das ist interessant, was das für eine Bewegung mittlerweile geworden ist."

Richtig spürbar wird das an Neujahr, wenn sich um Punkt 12 Uhr am Flaucher über 50 Menschen in die Isar stürzen. "2025 waren es 80. Es werden bestimmt wieder 80", vermutet Mayer. Über den Tag verteilt kämen dann noch weitere Wagemutige für ein kurzes Bad. Werbung für ihr Anschwimmen am Flaucher mache die Gruppe nicht – das spreche sich von ganz alleine herum.
Schon vor 30 Jahren – Neujahrsschwimmen am Flaucher ist eine langjährige Tradition
Damit am Neujahrstag dann alles reibungslos abläuft, beginnt Norbert Mayer schon zwei Wochen vorher mit den Vorbereitungen. Die Organisation habe er von den Gründern des Flaucher-Anschwimmens übernommen. Seine Vorgänger hätten das Neujahrsschwimmen schon vor 30 Jahren an der Stelle begonnen, erzählt der Münchner.

Zum Sitzen besorgt Mayer Holzstämme. "Und man kann die mitgebrachten Lebensmittel dort abstellen", sagt er. Denn: "Man beköstigt sich gegenseitig. Der eine hat dann Sekt dabei oder Prosecco und der andere einen Kuchen. Eine ist dabei, die macht immer so einen guten Vollkornkuchen. Da bin ich jetzt schon scharf drauf", sagt Mayer und lacht.
"Vielleicht bringt auch jemand einen Campingkocher mit und kocht", freut sich der 67-Jährige. In einer kleinen Feuertonne soll den ganzen Tag ein Feuer lodern, an dem die Eisbader beisammen stehen, sich ein frohes Neues wünschen, ein paar Schmankerl verputzen und sich aufwärmen können.
Vorfreude pur: "Um kurz vor 12 Uhr mittags gibt es den Countdown"
Klingt nach einer griabigen Neujahrstradition. Doch was ist der Reiz an den eiskalten Badegängen, der Münchner wie Norbert Mayer beinahe täglich in die kalte Isar treibt? Mayer sagt: "Die meisten machen es, weil es gut für den Kopf ist – du bist danach super-gut drauf." Das Gefühl danach sei es also, was die hart gesottenen Schwimmer antreibt.
An Neujahr ist es dann eben auch das gemeinschaftliche Erlebnis. "Um kurz vor 12 Uhr mittags gibt es den Countdown, da zählen wir von zehn runter, und dann stürmen wir alle ins Wasser", erzählt Norbert Mayer.
Wer am Neujahrstag also noch nichts vorhat, für den lohnt sich ein Spaziergang zum Flaucher. Ein Spektakel ist das allemal, wenn sich die goße Gruppe in die Isar stürzt. Und wer mutig ist, packt vielleicht sogar selbst die Badehose ein.