Einmal nach Brüssel, bitte!

Taxifahrer Erwin Winter hatte durch die Aschewolke eine Fahrt für 900 Euro. Davon muss er allerdings tagelang leben, weil wegen des Flugverbots seine Stammkundschaft ausbleibt
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Taxifahrer Erwin Winter fuhr dank der Aschewolke bis nach Brüssel
Gregor Feindt Taxifahrer Erwin Winter fuhr dank der Aschewolke bis nach Brüssel

Taxifahrer Erwin Winter hatte durch die Aschewolke eine Fahrt für 900 Euro. Davon muss er allerdings tagelang leben, weil wegen des Flugverbots seine Stammkundschaft ausbleibt

Erwin Winter hat fast alles erlebt, was ein Taxler erleben kann. Seit 30 Jahren ist er selbständig und fährt mit seinem Taxi in München. Dass ihm eine Aschewolke aus Island eine Fahrt nach Brüssel einbringen würde, das allerdings hätte er sich nicht träumen lassen. „Es war eine Stammkundin“, erzählt er. Eine gut betuchte Dame, die in Belgien lebt und mit ihrer Tochter mindestens einmal im Monat für ein paar Tage nach München kommt, weil ihre Tochter hier bei einem Professor Geigenunterricht nimmt. Erwin Winter holt Mutter, Tochter und Geige dann immer vom Flughafen und bringt sie auch wieder hin.

Am Freitagabend hätte er sie um 19.15 Uhr abholen sollen, um sie zum Flieger zu fahren. Doch da war schon klar: Wegen der Wolke hebt kein Flugzeug mehr ab. „Sie hat gleich gesagt, sie will mit dem Taxi nach Brüssel gebracht werden.“

Erwin Winter hat überschlagen: Rund 780 Kilometer, 1,20 Euro pro Kilometer – abgerundet machte das eine Pauschale von 900 Euro. „Ich habe sechs Stunden rauf gebraucht und genauso lange wieder runter“, sagt er. Die Wolke brachte ihm außerdem noch zwei Anfragen für Fernfahrten: Nach Bologna und nach Rom. „Aber denen war ich dann offenbar zu teuer.“

In seinem Taxlerleben hat er schon eine Bankiers-Gattin nach Venedig zu einer Hochzeitsfeier gebracht – „Ich mit meinem Taxi auf der Fähre zum Lido!“ Er war in St. Moritz und in Zagreb. Und er fuhr drei ältere Damen zum Bridgespielen nach Locarno. „Damals war ich 36 Jahre alt und wir vier kamen im Auto auf genau 300 Jahre.“ Das waren die Zeiten, erzählt Winter, als er immer wieder Frauen fuhr, die ihr ganzes Leben lang einen Chauffeur gewohnt waren und sich im Alter dann eben auch für größere Fahrten ein Taxi leisteten. „Diese Kundinnen sind inzwischen leider alle verstorben.“

Heute sind Fernfahrten selten geworden für Erwin Winter. Aber der 52-Jährige jammert nicht. „Generell läuft es bei mir nicht so schlecht. Ich habe 70 Prozent Stammkundschaft“, sagt er. Seine Kunden bleiben bei ihm, weil sie wissen, dass sie sich auf ihn verlassen können. „Die Kunden diktieren meinen Tag, das ist für mich selbstverständlich – genau wie ein sauberes Taxi und ein ordentlicher Umgangston.“ Unter der Finanzkrise hat er nicht leiden müssen. „Ich habe das Glück, dass meine Kundschaft aus der Upperclass kommt.“

Die Aschewolke ist für ihn aber insgesamt wie für seine Kollegen ein klares Minus - da hilft auch die eine große Fahrt nichts. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Von den 900 Euro muss ich jetzt fünf Tage zehren.“

Seit Tagen steht sein Telefon fast still, die Geschäftsleute, die ihn sonst buchen, sind schlicht nicht in der Stadt. „Und die 1000 Taxler, die sonst am Flughafen stehen, stehen jetzt alle in der Stadt rum.“ Am Bahnhof ist zwar mehr los als sonst. „Aber da werden wir schon von der Polizei vertrieben, weil da viel zuviele Taxis Schlange stehen.“

Bis sich die Wolke verzogen hat, wird er deswegen wieder ganz normal am Stand stehen – und hoffen, dass ihm vielleicht doch noch jemand begegnet, der dringend nach Belgien muss. Tina Angerer

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