"Eine heikle Mission": Denkmalschutz stoppt spektakulären Entwurf

Bürger und Lokalpolitik in Schwabing wollen das spektakuläre Hochhaus auf dem Dach der früheren Fabrik. Doch die jüdische Geschichte der Lederfabrik erfordert einen sensiblen Umgang mit dem historischen Gebäude
Eva von Steinburg
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Das Denkmalamt lehnt diesen Entwurf ab: Ein geschwungenes Hochhaus auf dem Dach einer denkmalgeschützten Fabrik.
Das Denkmalamt lehnt diesen Entwurf ab: Ein geschwungenes Hochhaus auf dem Dach einer denkmalgeschützten Fabrik. © OSA Ochs Schmidhuber Architekten

Zwei Münchner Architekten hatten die Idee, ein Hochhaus in eine alte Hülle hineinzustellen: Für den Mittleren Ring in Schwabing hat das Architekturbüro OSA aus München ein spektakuläres Projekt entworfen: Ein 12-stöckiges geschwungenes Hochhaus – gebaut auf dem Dach einer früheren Lederfabrik aus Backstein. Die Lokalpolitiker in Schwabing-Freimann wollen das Hochhaus.

Doch der Denkmalschutz lehnt diesen Mix zwischen alt und neu komplett ab.

Die ehemalige Lederfabrik am Isarring 11.
Die ehemalige Lederfabrik am Isarring 11. © Ochs Schmidhuber Architekten

"Wir wussten, dass es eine heikle Mission ist. Für das Projekt ist es gut, dass es in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden wird", sagt Fabian Ochs, vom Büro Ochs Schmidhuber Architekten.

"Der expressive Solitär degradiert das Denkmal darunter zu einer Manschette", hatte Marc Jumpers vom Landesamt für Denkmalpflege, den Entwurf der Architekten bei der Debatte im Rathaus abgeschmettert.

Lederfabrik Hesselberger hat eine jüdische Geschichte

Die jüdische Geschichte der früheren Lederfabrik Hesselberger, mache einen sensiblen Umgang mit dem Gebäude unerlässlich, darüber ist man sich einig. Nach der Enteignung 1939 nutzen die Nazis das Fabrikgelände als "Unterrichtsanstalt zur Ausbildung jüdischer Jugendlicher als Handwerker". "Und das, mit der falschen Aussicht, sie später nach Palästina ausreisen zu lassen", informiert ein Denkmalpfleger. 1941 wird Ilse Hesselberger, die ehemalige Eigentümerin der Lederfabrik deportiert und in Polen ermordet.

Die Israelitische Kultusgemeinde kommt an den Tisch

Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) skizziert die Zukunft: "Wir werden ein Gespräch mit dem Bauherrn haben, und uns mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Politik und Denkmalpflege beraten." Sie sieht kommen, dass es am Isarring 11 entweder eine Lösung ohne Aufbau geben wird – oder einen Architekturwettbewerb. Denn die Münchner Kommission für Stadtgestaltung und der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann können sich grundsätzlich ein Hochhaus an dieser Stelle am Mittleren Ring vorstellen.

Das Hochhaus neben dem Denkmal bauen?

Eine Alternative am Mittleren Ring? Auf dem Grundstück, Isarring 11, gibt es zudem einen 900 Quadratmeter großen Parkplatz. Kann das Hochhaus nicht einfach neben dem denkmalgeschützten Fabrikgebäude errichtet werden? Der Münchner Architekt Fabian Ochs meint dazu: "Rein theoretisch ist das ein Ansatz. Es ist gut, wenn sich jetzt alle an einen Tisch setzten. So kann das Projekt funktionieren."

Monochrom gestaltet: Experten der Kommission für Stadtgestaltung hatten ein ruhigeres Erscheinungsbild für die Passage an der Nymphenburger Straße gefordert.
Monochrom gestaltet: Experten der Kommission für Stadtgestaltung hatten ein ruhigeres Erscheinungsbild für die Passage an der Nymphenburger Straße gefordert. © Henn Architekten

Stiglmaierplatz: Homogene Passage zum zukünftigen Apple Campus in der Seidlstraße

Dieser schmale Durchgang an der Nymphenburger Straße wird bisher wenig genutzt. In Zukunft wird er aber für die Stadt größere Bedeutung haben. Denn Mitarbeiter von Apple werden durch diese Passage von der U-Bahn-Station Stiglmaierplatz zum zukünftigen Apple Campus strömen. Auf Empfehlung (und auf Druck) der Kommission für Stadtgestaltung im Rathaus, hat nun das Büro Henn Architekten die Passage – wie von den Experten ausdrücklich gewünscht – monochrom gestaltet.

Die kleine Passage – eine schwere Geburt

Ungewöhnlich: Drei Mal wurde das Passagen-Projekt im Rathaus vorgestellt – erst am 30. September waren die Architekturexperten mit dem Ergebnis zufrieden. Auch den Umbau und die Modernisierung des Bürohochhauses in der Nymphenburger Straße befürworteten die Experten nach einem zähen Ringen: "Der kristalline Charakter der vollverglasten Fassade ist gestärkt", lobt Architektin Rita Ahlers den aktuellen Entwurf.

Die aktuelle Vision: Der kristalline Charakter dieses Hochpunktes am Stiglmaierplatz wird mit dem Umbau gewahrt.
Die aktuelle Vision: Der kristalline Charakter dieses Hochpunktes am Stiglmaierplatz wird mit dem Umbau gewahrt. © Visualisierung: Henn Architekten

Hotel und Boarding House – eine "tolle Ergänzung" zu einem revitalisierten Siemens-Hochhaus

Auch dieses Projekt ist besiegelt: Neben dem früheren Siemens-Hochhaus in Obersendling sollen zwei Neubauten entstehen: ein Hotel und ein Boarding House.

So soll es in Obersendling einmal aussehen: Ex-Siemens Hochhaus mit dem neuen Hotel-Bau daneben.
So soll es in Obersendling einmal aussehen: Ex-Siemens Hochhaus mit dem neuen Hotel-Bau daneben. © Visualisierung: Henn Architekten

Beide passen den Architekturexperten jetzt von Massivität und Höhe ins Konzept. Auch als "tolle Ergänzung" zum 75 Meter hohen legendäre Hochhaus, das als Bürostandort revitalisiert wird.

Eine Kita, Fitnesscenter, Gastro und ein Café am Platz mit dem Wasserbecken sollen dazu einladen, "abends die Westsonne zu genießen", erklärt Planer Stefan Sinning von Henn Architekten.

Bei der Sitzung im Rathaus, kommentiert Architekturprofessorin Elisabeth Endres, Mitglied der Münchner Stadtgestaltungskommission jedoch auch kritisch: "Die Planung für die Kita im Souterrain schmerzt mich. Das Fitnesscenter ist ganz oben im Gebäude, obwohl es kein Tageslicht braucht. Für die nächste Generation, die heranwächst, wünsche ich mir mehr Sonne und Licht. Das muss ich hier so sagen."

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  • Padige vor 34 Minuten / Bewertung:

    Steckt die Leute vom Denkmalschutz zur 24/7 Begut_8_ung als ehemalige Rarität in ein Museum und gut ist bzw wird's... ganz ohne deren weitere 1_Mischung...👻

    Antworten lädt ... Kommentar melden
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