Eine Clique von Tätern?
MÜNCHEN/AUGSBURG/ECHING - „Die Vernehmungen gehen weiter.“ Sind alle Alibis falsch? Noch drei Verdächtige werden im Fall Ursula Herrmann vernommen. Zwei weitere Verdächtige sind bereits tot.
Während Werner M. (58), der mutmaßliche Entführer von Ursula Herrmann (10), in einer rund zehn Quadratmeter großen Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Augsburg sitzt, wo er am Montag Nudeln zum Mittagessen bekam, bleiben seine drei mutmaßlichen Mittäter oder -wisser weiter in der Mangel der Polizei. „Die Vernehmungen gehen weiter“, bestätigte LKA-Sprecher Detlef Puchelt am Montag. Zwei weitere Verdächtige sind, bereits tot.
Bei dem Ehepaar handelt es sich nach AZ-Informationen um eine heute etwa 50-Jährige und ihren zehn Jahre älteren Mann aus der Oberpfalz. Beide sind in der Reisebranche tätig. Wie Werner M. waren auch sie Nachbarn der Herrmanns. Reinhard Nemetz, Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft glaubt, dass sich die Clique gegenseitig falsche Alibis gab und alle an der Tat beteiligt waren. Doch ein dringender Tatverdacht hat sich gegen die drei anderen bislang nicht bestätigt.
Am 15. September 1981, als die kleine Ursula auf dem Heimweg von der Turnstunde am Ammersee entführt wurde, behaupteten die Freunde gemeinsam Schwammerl gegessen und danach „Risiko“ gespielt zu haben. „Wir glauben Werner M.’s Alibi aushebeln zu können“, sagt Reinhard Nemetz.
Weitere Indizien
Das Alibi ist nur eines von einer „Fülle von Indizien, wie Nemetz es ausdrückt. Weitere Indizien: Werner M. hatte massive Geldsorgen – der selbst ernannte „TV-Doktor“ hatte sich mit seinem Elektrogeschäft übernommen und 150 000 Mark Schulden. Er besaß die handwerklichen Fähigkeiten die Kiste zu bauen und das Radio, das in ihr gefunden wurde, war manipuliert, dass es auch unter der Erde Empfang hatte. Auch hatte er sich immer wieder in Widersprüche verstrickt: So hatte er unter anderem behauptet, zur Tatzeit kein Fernglas besessen zu haben – am Tatort war eines gefunden worden – doch das konnte widerlegt werden.
Ein inzwischen verstorbener Zeuge hatte behauptet, dass er im Auftrag von Werner M. eine große Grube im Wald ausgehoben hatte. Er erinnerte sich sogar noch an die verschiedenen Erdschichten. Der Mann widerrief seine Aussage aber wieder. Als i-Tüpfelchen in der Indizienkette bezeichnet Nemetz das nun gefundene Tonband. Ein Phonetik- Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gerät ist, das den Eltern vorgespielt wurde um sie zu erpressen. Werner M. stand laut Polizei all die Jahre auf der Liste der Verdächtigen ganz oben.
Das Glück der Ermittler
Doch bislang hätten die Indizien für eine Verurteilung nie ausgereicht. Zwei Mal kann ein Mensch nicht in der selben Sache vor Gericht stehen. Diesmal hatten die Ermittler einfach auch Glück: Als sie Werner M. im Rahmen einer Routinekontrolle mit DNA-Spuren vom Tatort überprüfen wollten, hatten sie auch einen Hausdurchsuchungsbefehl dabei. Dabei wurde das Tonband gefunden. Voraussichtlich im Sommer will Nemetz Anklage erheben.
N. Job
- Themen:
- Polizei